Bürgermeister Olaf Scholz will sein Konzept zur Energieversorgung der Stadt trotz eines drohenden Volksentscheids durchsetzen.
Hamburg. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) will sein Konzept zur Energieversorgung der Stadt trotz eines drohenden Volksentscheids durchsetzen. Es sei keine Zeit für das Umsetzen eines theoretischen Prinzips, „das uns nicht nur teuer zu stehen käme, sondern zunächst auch nichts weiter brächte als einen jahrelangen Rechtsstreit“, sagte Scholz am Mittwoch in einer Regierungserklärung. „Wir brauchen die Energiewende jetzt.“
Am Morgen war ein Gespräch mit der Initiative „Unser Hamburg - Unser Netz“ ohne Annäherung geendet. „Die Positionen sind unvereinbar“, sagte BUND-Landesgeschäftsführer und Vertrauensmann der Initiative, Manfred Braasch, nach den Verhandlungen im Rathaus. Die Bürgerschafts-Opposition warf Scholz einen „schlechten Deal“ vor.
Die Initiative kündigte an, am Volksentscheid zur Übernahme der Energienetze bei der Bundestagswahl 2013 festzuhalten. Sie will die Strom-, Gas- und Fernwärmenetze vollständig in städtische Hände bringen, Scholz will dagegen nur eine strategische Beteiligung von maximal 25,1 Prozent für das Land erwerben. In einem Volksbegehren haben sich bereits rund 116 000 Bürger für eine 100-prozentige Übernahme der Netze ausgesprochen. Scholz hat trotzdem mit den Konzernen Vattenfall und Eon Verträge in seinem Sinne ausgehandelt.
Danach erhält die Stadt 25,1 Prozent an den Netzen für Strom, Gas und Fernwärme und zahlt dafür einen Betrag von 543,5 Millionen Euro. Im Gegenzug gebe es eine Dividende, die ausreichen soll, um den Kaufpreis zu finanzieren. „Wir haben erreicht, dass Hamburg zur Metropole Deutschlands mit den größten Kapazitäten zur Speicherung von Energie und dem modernsten Energiekonzept wird – ohne seine Rolle als Standort energieintensiver Industrieunternehmen infrage zu stellen“, verteidigte Scholz seine Entscheidung.
Bei einer vollständigen Übernahme der Strom- und Gasnetze hätte die Stadt nur wenig Einfluss auf die Erzeugung, zeigte sich Scholz überzeugt. „Es muss durchgeleitet werden, was der Erzeuger erzeugt und was der Verbraucher verbraucht.“ Gleichzeitig verwies er auf die Kosten. Eine vollständige Übernahme kostete mindestens 2,2 Milliarden Euro und wäre für den Haushalt schwer kalkulierbar. Schließlich gäbe es dann kein Unternehmen mehr, das eine Dividende garantieren könnte.
Scholz sagte in Richtung der Volksinitiative, die Verträge seien so aufgesetzt, „dass sie im Falle eines erfolgreichen Volksentscheides wieder rückgängig gemacht werden können“. Er habe aber den Eindruck, dass einige Unterstützer schon darüber nachdächten, auf den Volksentscheid zu verzichten. „Am besten wäre es, die Initiative ließe sich davon überzeugen, dass unsere Lösung klimafreundlich ist und die Energiewende praktisch möglich macht.“
BUND-Geschäftsführer Braasch sagte dagegen: „Unsere Initiative findet es sehr befremdlich, dass man im Grunde jetzt diese Fakten geschaffen hat.“ Und das, obwohl der SPD-Senat seinen Masterplan Klimaschutz erst im Frühjahr 2012 verabschieden wolle. „Man macht also erst Verträge (...) mit Unternehmen und entwickelt dann ein Konzept, wie man mit dem Klimaschutz in Hamburg vorankommt.“ Die Initiatoren bestritten auch den Kaufpreis von rund 2,2 Milliarden Euro zur vollständigen Übernahme der Netze. Dieser fuße auf dem Ertragswert, nicht auf dem ausschlaggebenden kalkulatorischen Restwert, sagte Braasch. „Das ist etwas ganz anderes“, betonte er.
Kritik kam auch von der Bürgerschaftsopposition. „Das ist ein bürgerfinanzierter Rettungsschirm für notleidende Atomkonzerne“, sagte GAL-Fraktionschef Jens Kerstan. Scholz habe schlecht verhandelt. Schließlich wollten Vattenfall und Eon von sich aus schon zwei Milliarden in die Netze investieren. Nun seien es nur noch 1,6 Milliarden Euro. Außerdem zementiere Scholz mit der Vereinbarung das Monopol der Konzerne. Die Fraktionschefs von CDU und FDP, Dietrich Wersich und Katja Suding, lehnten eine städtische Beteiligung an den Energienetzen generell ab. Sie sei vollkommen sinnlos, sagte Suding. (dpa/dapd)