Unesco nimmt Palästina als vollwertiges Mitglied auf. Ramallah bejubelt “historischen Tag“ - USA, Israel und Deutschland reagieren skeptisch.
Paris/Berlin/Ramallah/Tel Aviv. Jubel in Palästina, Skepsis in Teilen der westlichen Welt: Trotz aller Warnungen und entgegen dem ausdrücklichen Wunsch aus den USA, hat die UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) Palästina als Vollmitglied aufgenommen. In der Generalkonferenz in Paris votierten am Montagmittag 107 Mitgliedstaaten dafür. 14 Länder stimmten dagegen, darunter neben den USA auch Deutschland. 53 Staaten enthielten sich nach Unesco-Angaben. Damit die Mitgliedschaft wirksam wird, müssen die Palästinenser die Unesco-Verfassung ratifizieren.
Ein Berater des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas sprach von einem "Tag des Jubels“ gesprochen. "Dies ist ein historischer Tag für die Palästinenser“, sagte Sabri Saidan nach der Unesco-Aufnahme Palästinas. Die Entscheidung sei eine weitere "politische Säule“ im Kampf um palästinensische Selbstbestimmung. "Wir sind näher an der Unabhängigkeit als je zuvor“, sagte Saidan. "Dies ist eine wichtige Botschafter an jene, die gegen den palästinensischen Vorstoß beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sind.“ Die Gegner von Abbas' Antrag auf Vollmitgliedschaft vor dem UN-Sicherheitsrat müssten ihre Position nun noch einmal überdenken, forderte der Berater.
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Zu den Gegnern gehört mit seinem Veto auch Deutschland. Nach Auffassung der Bundesregierung könnte die Aufnahme Palästinas in die Unesco negative Auswirkungen auf den Nahost-Friedensprozess haben. Der Antrag könne die erst kürzlich unter Vermittlung des Nahost-Quartetts begonnenen, ohnehin schon schwierigen indirekten Gespräche zusätzlich belastet, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes (AA) am Montag in Berlin.
Zur Begründung des deutschen Vetos gegen die Unesco-Aufnahme Palästinas sagte der Ministeriumssprecher, die Bundesregierung sei der Auffassung, dass der Unesco-Antrag das derzeit im UN-Sicherheitsrat laufende Verfahren auf Aufnahme eines Palästinenserstaats in die Vereinten Nationen "nicht beeinträchtigen und auch nicht präjudizieren sollte“.
Israel lehnt Unesco-Entscheidung ab
Israel will die Zusammenarbeit mit der Unesco nach der Aufnahme Palästinas als Vollmitglied neu überdenken. "Israel will weitere Schritte hinsichtlich der Kooperation mit der Organisation erwägen“, teilte der israelische Außenamtssprecher Jigal Palmor am Montag mit.
Israel lehne die Entscheidung der Unesco ab. "Dies ist ein einseitiges palästinensisches Manöver, das keine Veränderung vor Ort bringen wird, aber die Möglichkeit einer Friedensvereinbarung in weitere Ferne rücken lässt“, hieß es in der Mitteilung Palmors.
Fortschritte in Nahost könnten nur mit Hilfe direkter Verhandlungen beider Seiten erzielt werden. Der Vorstoß der Palästinenser bei der Unesco sowie anderen UN-Organisationen sei gleichbedeutend mit "einer Ablehnung der Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, den Friedensprozess voranzubringen“. Es sei enttäuschend, dass es der Europäischen Union nicht gelungen sei, die Unesco-Entscheidung zu verhindern.
USA könnten Beitragszahlungen stoppen
Auch für die Finanzierung der Unesco stellt die Entscheidung eine große Gefahr dar. Die USA könnten nun ihre Beitragszahlungen stoppen müssen. Nach Angaben der US-Außenministerin Hillary Clinton ist es der US-Regierung gesetzlich verboten, Organisationen zu finanzieren, die die Palästinenser als Mitglied akzeptieren.
Ein Abdrehen des Geldhahns wäre für die UN-Organisation ein Schreckensszenario. Die USA sind derzeit mit einem Anteil von 22 Prozent vor Japan und Deutschland größter Beitragszahler der Unesco. Der aktuelle Zweijahreshaushalt der Organisation beläuft sich ohne extrabudgetäre Mittel auf 653 Millionen US-Dollar.
Mit dem Unesco-Exekutivrat hatte sich bereits Anfang des Monats das zweitwichtigste Gremium der Organisation für eine Vollmitgliedschaft Palästinas ausgesprochen. Mit Deutschland, den USA, Lettland und Rumänien stimmten damals bei 14 Enthaltungen nur vier von 58 Exekutivrats-Mitgliedern gegen den palästinensischen Vorstoß. Sie waren der Ansicht, dass das Aufnahmeverfahren dem Friedensprozess im Nahen Osten nur schaden könne. Eine Vollmitgliedschaft für Palästina hätte es ihrer Ansicht nach erst nach neuen Friedensverhandlungen mit Israel geben sollen.
Hintergrund: Türöffner Unesco – von Deutschland bis Palästina
Die UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) war schon für mehrere Staaten ein Türöffner auf dem Weg zur Vollmitgliedschaft in den Vereinten Nationen. Palästina wartet noch auf eine Entscheidung zu seinem UN-Mitgliedsantrag, wurde am Montag aber schon als Vollmitglied in die Unesco aufgenommen.
Auch die beiden deutschen Staaten saßen lange vor ihren UN-Beitritten im September 1973 mit Sitz und Stimme in der Generalkonferenz der Bildungs- und Kulturorganisation. Vermittelt durch die Alliierte Hohe Kommission wurde die Bundesrepublik bereits im Juli 1951 als 64. Mitgliedstaat aufgenommen. Im November 1972 wurde der dritte Beitrittsantrag der DDR angenommen. Die DDR wurde der Unesco-Staat Nummer 130. Damit war die Unesco die erste Sonderorganisation der Vereinten Nationen, der Ost-Berlin als Vollmitglied angehörte.
Mit Material von dpa und dapd