Silvio Berlusconi steht zwar noch an der Spitze der italienischen Regierung - womöglich aber nicht mehr lange. Laut Medienberichten will der umstrittene Politiker um den Jahreswechsel herum zurücktreten und Platz für Neuwahlen 2012 machen.
Rom. Hat Silvio Berlusconi keine Lust mehr auf Politik? In Italien deutet sich offenbar ein Wechsel an der Regierungsspitze an: Nach unbestätigten italienischen Zeitungsberichten will der angeschlagene Regierungschef um den Jahreswechsel herum zurücktreten. Berlusconi habe dies angeblich mit dem Chef der Partei Lega Nord, Umberto Bossi, in einem "geheimen Pakt“ vereinbart und dem Partner in der Regierungskoalition damit Neuwahlen im März 2012 versprochen, schreibt die römische Zeitung "La Repubblica“ am Mittwoch, ohne Quellen für diese Information zu nennen. Auch die Turiner "La Stampa“ berichtete von einer Vereinbarung in der Mitte-Rechts-Koalition, im Frühjahr nächsten Jahres vorgezogene Wahlen abzuhalten. Die Legislaturperiode läuft regulär im Frühjahr 2013 aus. Ursprünglich wollte der konservative Politiker und milliardenschwere Medienunternehmer Berlusconi bis dahin im Amt bleiben.
Bossi habe diese Vereinbarung mit Berlusconi in einem nächtlichen Gespräch vor dem EU-Gipfel geschmiedet, auf dem Brüssel von dem hoch verschuldeten Italien schriftliche Zusagen über Sanierungen erhalten wollte. Der Chef der populistischen Lega Nord habe als Gegenleistung in dem Pakt widerstrebend einer Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre zugestimmt, lehne eine Erhöhung der Dienstaltersjahre bis zur Pensionierung jedoch weiterhin ab, heißt es. Man erspare ihm die "Blamage“, in Brüssel mit leeren Händen anzukommen, soll Berlusconi gesagt haben. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es zunächst nicht.
Bossi sagte am Dienstag, er sei dennoch weiter pessimistisch, ob die Regierungskoalition überleben werde. Die Europäische Union müsse entscheiden, ob die Reformschritte ausreichten. Besonders umstritten ist die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 von bislang 65 Jahren. Berlusconi selbst verwahrte sich gegen Druck aus Paris und Berlin. Kein EU-Land könne sich zum Lehrmeister aufschwingen und anderen Ländern Lektionen erteilen, erklärte der umstrittene Regierungschef.
Italiens Schuldenstand von 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gilt als eines der größten Probleme der Eurozone. Skeptiker befürchten, dass das Land den gesamten Währungsraum in Gefahr bringen könnte, sollte die Regierung das Vertrauen der Finanzmärkte nicht zurückgewinnen.
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EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn forderte Berlusconi auf, Zweifel am Reform- und Sparwillen auszuräumen. Der Ministerpräsident müsse anderen Euro-Regierungschefs "einen klaren Zeitplan für konkrete Entscheidungen“ vorlegen, sagte Rehn dem "Handelsblatt“ (Mittwochausgabe) laut Vorabbericht. Italien müsse einen ausgeglichenen Staatshaushalt bis 2013 wie versprochen erreichen und seine Partner überzeugen, dass überfällige Wirtschaftsreformen angepackt würden. Als Beispiel nannte Rehn die Öffnung staatlich geschützter Berufe, die Liberalisierung des Arbeitsmarktes und die Reform des Justizsystems.
In Diplomatenkreisen gibt es dem Blatt zufolge Erwägungen, dass der Internationale Währungsfonds die Eurozone unterstützen könnte, Italien auf Sparkurs zu bringen. "Der IWF könnte dabei helfen, die Fiskalpolitik von Eurostaaten wie Italien zu kontrollieren“, zitierte die Zeitung einen hochrangigen Diplomaten. Die Eurozone selbst habe offenkundig Probleme damit, große Länder wie Italien zu disziplinieren.
Das ist Silvio Berlusconi - der "Cavaliere“:
Geburtstag: 29. September 1936
Geburtsort: Mailand
Vater: Bankangestellter Luigi Berlusconi (1908-1989)
Mutter: Rosa Bossi (1911-2008)
Studium: 1961 Jura-Examen mit Bestnote der Universität Mailand
Größe: 1,64 Meter
Familienstand: getrennt lebend, seit 2009 in Scheidung
Kinder: drei Töchter und zwei Söhne aus zwei Ehen
Spitzname: "Cavaliere“ (Ritter, Kavalier)
Partei: 1994 Gründung der Forza Italia, 2008 neue Partei Popolo della Libertà (Volk der Freiheit)
Regierungschef: von Mai 1994 bis Januar 1995, dann von 2001 bis 2006, erneut zum Ministerpräsidenten gewählt am 8. Mai 2008
Besitz: rund 150 Firmen, darunter der Fußballverein AC Mailand
Vermögen: geschätzt auf mehr als sechs Milliarden Euro
Selbsteinschätzung: "Mit mir kann sich keiner vergleichen, nicht in Europa und nicht in der Welt.“
Mit Material von dpa und rtr