Rebellen liefern sich in mehreren Stadtteilen Gefechte mit Truppen des Regimes. Tripolis' Militärflughafen soll gefallen sein.
Tripolis/Sawija/Libyen. In der libyschen Hauptstadt Tripolis haben sich Rebellen in der Nacht zum Sonntag heftige Gefechte mit den Truppen von Machthaber Muammar al-Gaddafi geliefert. Augenzeugen berichteten von Kämpfen in den Vierteln Faschlum, Souk al-Dschumaa, Tadschura und in der Innenstadt. Ein TV-Sender der Rebellen meldete, Bewohner von Tadschura östlich des Stadtzentrums hätten ihr Viertel zur „befreiten Zone“ erklärt. In der Nähe eines Hotels, in dem sich ausländische Journalisten aufhalten, wurden mehrere Gewehrsalven abgefeuert. In dem Vorort Tadschura sowie in der Nähe des Flughafens der Hauptstadt lieferten sich die Rebellen in der Nacht auf Sonntag Gefechte mit Regierungstruppen.
Dem "Libya Live Blog" des arabischen Fernsehsenders Al Jazeera zufolge dauerten die Kämpfe auch am frühen Sonntagmorgen an. Der libyische Aktivist Bashir Sewehli wird mit den Worten zitiert, wonach der militärische Flughafen des Hauptstadt Tripolis unter Kontrolle der Rebellen sei - wie andere Gebiete in der Metropole. Die Rebellen hätten angekündigt, sie würden nicht wieder gehen, bis die Kämpfe vorbei seien.
Nach Angaben von Einwohnern der Hauptstadt fuhren Autos mit Aufständischen, die leichte Waffen trugen, durch die Straßen von Tripolis. Sie erklärten, es handele sich um Rebellen aus der Hauptstadt, nicht um Truppenverbände der Aufständischen, die von Außen nach Tripolis eingedrungen seien. Der Übergangsrat der Rebellen hatte in den vergangenen Monaten mehrfach erklärt, für die Eroberung von Tripolis setzte man auf den „Kollaps des Regimes“ und die Unterstützung durch „geheime Zellen“ von Sympathisanten in Tripolis. In den vergangenen Tagen hatten die Rebellen auf ihrem Vormarsch nach Tripolis große Geländegewinne erzielt. Im Osten stehen ihre Truppen rund 40 Kilometer von der Hauptstadt entfernt.
Zuvor hatten die libyschen Rebellen im Kampf gegen Machthaber Muammar al Gaddafi am Sonnabend wichtige Gebietsgewinne gemeldet: Sie brachten nicht nur die strategisch wichtige Hafenstadt Brega im Osten, sondern auch die Küstenstadt Sawija im Westen vollständig unter ihre Kontrolle. Sawija liegt nur 50 Kilometer von der libyschen Hauptstadt Tripolis entfernt, die von den Truppen Gaddafis verteidigt wird. Unterdessen sagte sich ein ehemaliger Vertrauter Gaddafis vom Regime los und setzte sich ins Ausland ab Rebellenkämpfer und Kleintransporter strömten am Sonnabend auf den zentralen Platz von Sawija. Überall waren Zeichen der heftigen Gefechte zwischen Aufständischen und Regierungstruppen zu erkennen: zertrümmerte Gebäudefassaden und die Leichen zweier Gaddafi-Soldaten, die auf dem Boden lagen. Der Platz war mit leeren Munitionshülsen übersät.
Im Krankenhaus von Sawija sagte Rebellenkämpfer Mohammed Abu Dajjah, 150 Aufständische hätten das Krankenhaus am Freitag von zwei Seiten angegriffen. Mörsergranaten hätten das Krankenhaus um ein Uhr morgens (Ortszeit) getroffen und die OP-Räume zerstört, sagte er. Rettungswagen brachten Ärzte von außerhalb Sawijas zum Krankenhaus, damit diese sich um die Operationen dort kümmern konnten. Die Ärzte sprangen aus den Fahrzeugen und riefen «Gott ist groß».
Die Rebellen hätten das Industriegebiet von Brega eingenommen, nachdem sie in der vergangenen Woche bereits die Wohngebiete erobert hätten, sagte Sprecher Ahmed Bani. «Wir haben Brega befreit», sagte Bani der Nachrichtenagentur AP. Ein weiterer Rebellensprecher, Mohammed Idris, erklärte, bei den Gefechten mit Regierungstruppen seien zwei Aufständische getötet und 15 weitere verletzt worden. Eine Bestätigung für die Angaben der Rebellen gab es zunächst nicht. In Brega, etwa 200 Kilometer südwestlich der Rebellenhochburg Bengasi, befinden sich Ölraffinerien. Die Stadt war in den sechs Monaten seit Beginn des Bürgerkriegs heftig umkämpft. Die Rebellen nahmen Brega schon im März ein, wurden dann aber von Regierungstruppen zurückgedrängt. Seitdem wechselte die Kontrolle über die Stadt mehrfach zwischen beiden Seiten.
Südöstlich der Hauptstadt Tripolis nahmen die Rebellen am Freitag die Stadt Slitan ein. Die Kämpfe kosteten 31 Kämpfer das Leben, weitere 120 wurden verletzt, wie ein Sprecher sagte. Slitan galt als wichtiges Hindernis für die Rebellen bei einem Vorstoß nach Tripolis aus östlicher Richtung. Der britische Generalmajor Nick Pope sagte, Flugzeuge der britischen Luftwaffe hätten als Teil der Libyen-Mission der NATO zwei Bereitstellungsräume von Gaddafi-Truppen in Slitan angegriffen. Rebellensprecher Mahmud Schammam sagte am Freitag, der frühere Ministerpräsident Abdel Salam Dschallud habe sich von Gaddafis Regime losgesagt und sei auf dem Weg nach Europa. Auf Facebook-Seiten der Aufständischen waren Bilder Dschalluds in der westlibyschen Stadt Sintan zu sehen.
Die frühere Nummer zwei des Regimes hatte Gaddafi bei dessen Putsch 1969 maßgeblich unterstützt. Zwei Jahrzehnte lang war er der engste Vertraute des Staatschefs, bis beide sich in den 90er Jahren zerstritten. (dapd/abendblatt.de)