Die Lieferung von deutschen Panzern beschäftigt nun auch den Bundestag. Politiker, Kirchen und Menschenrechtler geißeln den Deal.
Berlin. Die Pläne zur Lieferung von 200 deutschen Leopard-II-Panzern nach Saudi-Arabien sorgen nun auch in den Reihen der Koalition für Kritik. Der Fraktionsgeschäftsführer der CDU/CSU im Bundestag, Peter Altmaier, bestätigte am Dienstag, dass es auch in seiner Partei „verschiedene Auffassungen“ zu dem Geschäft gebe. Weitere Auskunft über einen vermeintlichen Streit innerhalb der Fraktionsspitze lehnte er ab. Noch diese Woche wird sich der Bundestag in einer Aktuellen Stunde mit dem Thema beschäftigen.
Offiziell gab es weiterhin keine Bestätigung für das Milliardengeschäft. Nach Informationen des Magazins „Der Spiegel“ gab der Bundessicherheitsrat vergangene Woche aber bereits grünes Licht. In Regierungskreisen wurde der Darstellung nicht widersprochen. Für Berichte aus Saudi-Arabien, wonach die ersten Panzer bereits geliefert seien, gab es hingegen keine Bestätigung. Experten schätzen den Wert des Geschäfts auf mindestens 1,7 Milliarden Euro.
Aus der Opposition kam weiter scharfe Kritik. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf der schwarz-gelben Bundesregierung vor, gegen einen parteiübergreifenden Konsens zu verstoßen. Bislang habe gegolten, keine Waffen in Krisengebiete zu liefern, sagte Trittin im ARD-„Morgenmagazin“. „Das ist hier missachtet worden.“
Auf Antrag der Opposition soll sich der Bundestag mit dem Thema befassen, vermutlich am Mittwoch oder Donnerstag. In der Aktuellen Stunde soll dann auch die Regierung Auskunft geben. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gernot Erler sagte im Deutschlandfunk: „Es ist das Recht des Parlaments, Auskunft zu verlangen von der Bundesregierung.“ Erler erklärte im Deutschlandfunk, ein Export wäre „eine Provokation“ gegenüber den arabischen Reformern, aber auch eine Selbstbeschädigung, weil die Bundesregierung die eigenen Regeln verletze.
Der SPD-Politiker verwies auch darauf, dass Saudi-Arabien in anderen Ländern, auch in Deutschland, die Salafisten-Bewegung unterstütze. Vielen islamistischen Terroristen werden enge Kontakte zu dieser radikalen Strömung des Islam nachgesagt. Die Unterstützung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) für die arabische Demokratiebewegung sei als „reine Lippenbekenntnisse“ entlarvt.
Das autoritär regierte Saudi-Arabien hatte jüngst bei der Niederschlagung von Protesten im Golf-Staat Bahrain mitgeholfen. Trittin sagte dazu: „Einem solchen Regime mit einer solchen Praxis solche Waffen zu liefern, das hat es bisher in den vergangenen Jahren weder von Regierungen der einen noch der anderen Couleur gegeben.“ Die Panzer werden von den deutschen Konzernen Kraus-Maffei Wegmann und Rheinmetall gebaut. Beteiligt sind zahlreiche Zulieferer.
CDU/CSU-Fraktionsgeschäftsführer Altmaier sprach von einem „sehr sensiblen Thema“. Er lehnte Auskunft darüber ab, ob es in einer nichtöffentlichen Sitzung des Unionsfraktionsvorstands am Montag zum Streit über die mögliche Lieferung kam. Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz, wollte dazu „bis auf weiteres“ keine Stellung nehmen.
Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) gab wie auch andere Kabinettsmitglieder am Dienstag keine Auskunft über Panzer- Lieferungen nach Saudi-Arabien. „Der Bundessicherheitsrat tagt geheim, und dabei bleibt es“, sagte er in Berlin.
Als nicht akzeptabel bezeichneten die beiden großen Kirchen die möglichen Lieferungen. Etwaige Exportgenehmigungen für Saudi-Arabien würden der Menschenrechtssituation, der Entwicklungsverträglichkeit und der regionalen Stabilität nicht genügen, erklärte Prälat Bernhard Felmberg von der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE). Er verwies auf die Menschenrechtssituation und darauf, dass Saudi-Arabien erst kürzlich Militär nach Bahrain geschickt habe, um die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung dort zu unterstützen. Vor dem Hintergrund des „arabischen Frühlings“ würde eine solche Entscheidung der von der Bundesregierung erklärten Unterstützung der Demokratiebewegung im Nahen Osten widersprechen und an benachbarte Staaten ein falsches Signal aussenden.
Der Abrüstungsexperte Herbert Wulf sagte dem Hessischen Rundfunk, eine Lieferung von Waffen in ein Krisengebiet verstoße gegen die Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung. Nach Auffassung des Wissenschaftlers vom Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg/Essen gibt die Regierung mit dieser Entscheidung vor allem dem Druck der Rüstungsindustrie nach.
Michael Brozka vom Hamburger Institut für Friedensforschung bezeichnete einen möglichen Verkauf deutscher Leopard-2-Panzer an die Saudis als problematisch, aber als nicht illegal. Panzer könnten von autoritären Regimen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden, sagte er im Deutschlandfunk. Auch habe Saudi-Arabien eine kleine gemeinsame Grenze mit Israel. Andererseits seien die deutschen Gesetze, die den Waffenexport regeln, relativ weit auslegbar. Und auch im Völkerrecht gebe es keine Bestimmungen, die den Panzerexport nach Saudi-Arabien verbieten würden, sagte er.
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) beurteilte ein mögliches Panzergeschäft als skandalös und gefährlich. „Sollte der Deal durchgeführt werden, zeigt sich der eigene Anspruch der Bundesregierung, Verteidiger der Menschenrechte zu sein, als Makulatur“, sagte IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin. Er verwies auch darauf, dass sich Saudi Arabien seit 1948 mit Israel offiziell im Kriegszustand befinde.
Das ölreiche Saudi-Arabien ist auf dem internationalen Waffenmarkt eines der bedeutendsten Empfängerländer. Nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri bezog das zahlungskräftige Wüstenkönigreich im Jahr 2010 Rüstungsgüter im Gesamtwert von 787 Millionen US-Dollar (rund 543 Millionen Euro). Damit belegt das Land den neunten Rang unter den weltweiten Waffenimporteuren.
Saudi-Arabiens wichtigster Rüstungslieferant in den vergangenen Jahren waren die Vereinigten Staaten. Von 2000 bis 2010 bezog das Königreich aus den USA laut Sipri Rüstungsgüter für 1,458 Milliarden US-Dollar, darunter rund 40 „Abrams“-Kampfpanzer und panzerbrechende Waffen, Kampfhubschrauber vom Typ „Apache“ sowie Mittel zur Modernisierung der saudischen Luftflotte. Allein 2010 waren es Militärgüter für 228 Millionen US-Dollar.
2000 bis 2010 lieferte Frankreich Rüstungsgüter für 1,393 Milliarden US-Dollar (2010: 89 Millionen), darunter „Panther“-Helikopter und Selbstfahrlafetten für die Nationalgarde. Aus Großbritannien kamen im Vergleichszeitraum Waffen für 950 Millionen US-Dollar, darunter 48 „Eurofighter“-Kampfjets (2010: 440 Millionen). Bedeutende Rüstungs-Exporteure für Saudi-Arabien waren in diesem Zeitraum auch Italien (121 Millionen US-Dollar), Belgien (98 Millionen), Kanada (67 Millionen), China (66 Millionen) und die Schweiz (60 Millionen).
Deutschland lieferte im gleichen Zeitraum Rüstungsgüter im Umfang von 23 Millionen US-Dollar, allein im vergangenen Jahr umfassten die Lieferungen 10 Millionen US-Dollar. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums waren das unter anderem Teile von Kampfjets und anderen Flugzeugen der saudischen Luftwaffe, Radaranlagen, Granaten, Teile für Raketen sowie Funk- und Elektronikanlagen für die Armee.