Die Anklage gegen den IWF-Chef brökelt, das angebliche Opfer büßt an Glaubwürdigkeit ein. Strauss-Kahn verließ das Gericht in New York heute mit hoch erhobenem Kopf.
New York. Wende im Prozess gegen Dominique Strauss-Kahn. Die Anklage gegen ihn bröckelt. Aus seinem Hausarrest kam der ehemalige IWF-Chef am Freitag bereits frei. Für den 62-jährigen Franzosen, der bis vor sechs Wochen zu den mächtigsten Männern der Welt gehörte, war das der erste Schritt zum Triumph. Doch noch stehen die Anklagepunkte. „Das Verfahren ist nicht vorbei“, schärfte die Staatsanwaltschaft ihm bei der überraschend anberaumten Anhörung am Freitag ein.
Der Anwalt des angeblichen Vergewaltigungsopfers kündigte wenig später an, seine Mandantin werde sich jetzt selbst zu dem Vorfall am 14. Mai in einer New Yorker Hotelsuite äußern. Sie werde in aller Öffentlichkeit darüber sprechen, was Strauss-Kahn ihr in seiner Hotelsuite angetan habe, sagte Kenneth Thompson zu Journalisten vor dem Gerichtsgebäude.
„Ja, sie hat Fehler gemacht“, räumte Thompson in Bezug auf die Zweifel an der Glaubwürdigkeit der 32-Jährigen aus dem afrikanischen Guinea ein. „Aber deshalb ist sie immer noch das Opfer einer Vergewaltigung.“ Der Anwalt wies mehrfach darauf hin, dass seine Mandantin sich freiwillig gemeldet und zu Widersprüchen in ihren Aussagen bekannt habe.
Mit hoch erhobenem Kopf war Strauss-Kahn am Freitag vor Richter Michael Obus am Supreme Court des US-Bundesstaates New York in Manhattan erschienen. Und mit einem breiten, zufriedenen Lächeln verließ er das Gerichtsgebäude, den rechten Arm entspannt auf der Schulter seiner Frau Anne Sinclair.
Der Supreme Court stimmte seinem Antrag auf Aufhebung des scharfen Hausarrests zu. Auch die Kaution werde wieder zurückgezahlt. Der Franzose darf die USA aber nicht verlassen. Schon vor dem Gerichtstermin hatte „Bloomberg TV“ berichtet, dass die Ankläger bereits zugestimmt hätten, den früheren Chef des Weltwährungsfonds aus dem strengen Hausarrest zu entlassen. Grund sind die erheblichen Zweifel, die an der Glaubwürdigkeit der Kronzeugin aufgekommen sind.
Die 32-jährige Witwe wirft Strauss-Kahn vor, am 14. Mai in seinem Hotelzimmer splitternackt über sie hergefallen zu sein und sie zum Oralsex gezwungen zu haben. Offiziell droht ihm auch weiterhin eine Gefängnisstrafe von 25 und mehr Jahren. CNN ließ nach der Anhörung mehrere amerikanische Rechtsexperten zu Wort kommen. Sie bezweifeln, dass es nach der jüngsten Entwicklung noch zu einem Prozess gegen Strauss-Kahn kommt. Seine Anwälte hätten jetzt die Oberhand. Deren Ziel sei zweifellos ein Freispruch für ihren Mandanten, hieß es.
Die „New York Times“ hatte in der Nacht zum Freitag berichtet, dass das angebliche Opfer des Franzosen unter anderem falscher Angaben in ihrem Asylantrag bezichtigt wird. Sie soll sich in Widersprüche verwickelt und gelogen haben, hieß es.
Das Blatt berichtete weiter, dass sie auch in kriminelle Machenschaften verwickelt gewesen sein soll. So wurden immer wieder Hunderttausende Dollar auf ihr Konto eingezahlt. Sie soll kurz nach dem Vorfall mit Strauss-Kahn mit einem Inhaftierten besprochen haben, wie man Geld aus dem Fall schlagen könnte. Vor Gericht kamen die Vorwürfe am Freitag nicht zur Sprache.
Die Frau spricht Medienangaben nach allerdings nur gebrochen Englisch, hat kaum Schulbildung und kann angeblich nur ihren Namen schreiben. Sie stammt aus einem abgelegenen Dorf ohne Strom und Telefon im afrikanischen Guinea. Strauss-Kahns Staranwälte hatten nach US-Medienberichten Detektive auf die Frau angesetzt, um dunkle Flecken in ihrem Lebenslauf zu finden.