Der Verteidigungsminister ist zu Besuch bei den Vereinten Nationen. Und er muss in den USA auch die Wogen der Libyen-Debatte glätten.
New York. Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière rechnet vorerst nicht mit einem humanitären Einsatz der Bundeswehr in Libyen . Derzeit erwarte er keine Uno-Anfrage für einen EU-Einsatz, da sowohl die Truppen von Staatschef Muammar al-Gaddafi als auch die Rebellen Hilfslieferungen passieren ließen, sagte de Maizière vor einem Treffen mit Uno-Generalsekretär Ban Ki-Moon in New York. Selbst die umkämpfte Stadt Misrata, wo schreckliche Bedingungen herrschten, könne weiter mit Hilfsgütern beliefert werden. Trotzdem liefen in der EU Planungen für den Fall, dass ein Militäreinsatz zur Absicherung humanitärer Hilfe nötig werden sollte. Der Hafen von Misrata ist in der Hand der Rebellen. Dort legen Schiffe an, die Lebensmittel bringen und Verletzte aufnehmen.
Energisch forderte de Maizière ein Ende der Debatte über die umstrittene Enthaltung Deutschlands bei der Abstimmung im Uno-Sicherheitsrat über den Militäreinsatz in Libyen. „Irgendwann einmal sollte die Diskussion zu Ende sein“, mahnte der Minister in New York. Er selbst wolle zu der Debatte bei seinem zweitägigen Besuch in New York und Washington keinen Beitrag leisten. Dennoch wird der Libyen-Konflikt ein großes Thema bei de Maizières Antrittsbesuch als Verteidigungsminister in den USA sein. Der CDU-Politiker dürfte sich bemühen, nach den jüngsten Spannungen die Wogen im Verhältnis zum wichtigsten Verbündeten zu glätten. Deutschland hatte sich bei der Entscheidung über den Militäreinsatz in Libyen im UN-Sicherheitsrat als einziger westlicher Staat enthalten und damit den Ärger der Partner auf sich gezogen.
Die Opposition forderte de Maizière auf, sich in den USA um Schadensbegrenzung zu bemühen. „Die ganze demokratische Welt schaut verwundert auf die deutsche Sonderrolle“, sagte der SPD-Politiker Gernot Erler der „Leipziger Volkszeitung". „Die Bundesrepublik muss so schnell wie möglich raus aus der weitgehenden Isolierung“. Er erwarte daher von de Maizière, dass er dafür sorge, dass keine weitere Verstimmung mit den USA entstehe und Schadensbegrenzung betrieben werde.
„Deutschland steht in der Bringschuld gegenüber den Vereinten Nationen“, sagte der Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour der Zeitung. De Maiziere müsse in seinen Gesprächen mit Ban und der US-Regierung klarmachen, dass die Enthaltung im UN-Sicherheitsrat nicht bedeute, dass Deutschland in Menschenrechtsfragen dauerhaft an der Seite von Russland und China stehe.
Vor allem Deutschlands enger Partner Frankreich hatte den Militäreinsatz in Libyen energisch vorangetrieben. Auch US-Außenministerin Hillary Clinton äußerte sich indirekt enttäuscht über die Haltung Deutschlands. Die USA hatten die Nato-Mission in Libyen zuletzt durch den Einsatz bewaffneter Drohnen verstärkt, und auch Italien will sich den Angriffen anschließen. Trotz der massiven Luftangriffe der Nato herrscht zwischen den Rebellen und den Gaddafi-Truppen jedoch ein Patt.
Am Donnerstag kommt de Maizière in Washington mit US-Verteidigungsminister Robert Gates zusammen. Bei dem Treffen wird es unter anderem um die Lage in Afghanistan gehen. Die USA, die die Bundeswehr im Norden Afghanistans massiv mit Hubschraubern und Soldaten unterstützen, wollen im Sommer mit dem Truppenabzug vom Hindukusch beginnen. Unklar ist bisher, wie viele Soldaten wo abgezogen werden sollen. Ein Verzicht auf die US-Hubschrauber würde die Bundeswehr schwer treffen. Die USA stellen mit etwa 100.000 Soldaten den Löwenanteil der internationalen Truppen in Afghanistan. Sollten sie größere Verbände abziehen, dürfte dies auch die Entschlossenheit der Verbündeten für den bei den Wählern unpopulären Einsatz bröckeln lassen. (reuters)