Nach vier Jahren in der Gewalt ihres Mannes floh Aylin T. aus der Türkei nach Hamburg. Ein Gesetz soll Opfer von Zwangsehen schützen.

Hamburg. Nach vier Jahren Zwangsehe in der Türkei gelang Aylin T. (Name geändert) die Flucht zurück nach Hamburg . Die junge Frau, in Deutschland geboren und aufgewachsen, war von ihrer Familie in der Türkei verheiratet worden. Sie wollte von Anfang an zurück. Ihr Ehemann schlug sie. Wenn sie ihre Familie in Deutschland besuchte, wurde sie vom Schwiegervater oder Schwager begleitet. Doch dann entkam sie ihren Aufpassern. Frauen wie Aylin will die Bundesregierung mit dem neuen Aufenthaltsgesetz, das der Bundestag am 17. März beschließen soll, besser schützen.

Aylin T. meldete sich nach ihrer Flucht mit ihren beiden Kindern bei den deutschen Behörden. Nach den deutschen Bestimmungen hatte sie aber inzwischen ihr Aufenthaltsrecht verloren. Nur mit einem guten Rechtsanwalt und mit der Unterstützung der Hamburger Beratungsstelle LÂLE für Opfer von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat bekam sie zunächst eine Duldung. Dank einer nicht erloschenen Arbeitserlaubnis wurde schließlich aus der Duldung ein unbefristetes Aufenthaltsrecht.

Das eigene Rückkehrrecht für Opfer von erzwungenen Ehen, das bisher nach sechs Monaten erlosch und jetzt zehn Jahre lang gelten soll, sei eine wesentliche Verbesserung, sagt Saide Sesin von LÂLE. Die Beratungsstelle im Stadtteil St. Pauli ist eine von zweien in der Hansestadt, an die sich Betroffene wenden können. Die Nachfrage sei sehr groß, bestätigt auch eine Mitarbeiterin von i.bera, der zweiten interkulturellen Beratungsstelle in Hamburg.

Migrantinnen sind häufiger von häuslicher Gewalt betroffen als deutsche Frauen. Das geht aus der Studie „Gesundheit – Gewalt - Migration“ hervor, die 2008 im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugendliche erstellt worden ist. Danach ist der Anteil von Migrantinnen in Frauenhäusern überdurchschnittlich hoch.

Die Expertinnen von LÂLE unterscheiden zwei Migrantinnen-Gruppen, die ganz unterschiedliche Voraussetzungen haben: Zum einen Frauen, die hier geboren und sozialisiert wurden. Sie sind vor allem von Zwangsheirat und häuslicher Gewalt betroffen. Zum anderen Frauen aus Polen, Thailand, Afrika und Lateinamerika, die einen Deutschen heiraten und mit der Eheschließung einwandern. Diese Frauen kennen meist die Sprache und Kultur nicht. Sie sind in mehrfacher Hinsicht abhängig von ihren Ehemännern – oft ökonomisch und in den ersten zwei Jahren auch aufenthaltsrechtlich. „Wenn sie vor Ablauf der Ehebestandszeit vor Gewalt aus ihrer Ehe fliehen, dann haben sie ein Problem. Da sie kein Aufenthaltsrecht haben, müssen sie eigentlich zurück in ihr Heimatland“, sagt Saide Sesin.

Die sogenannte Ehebestandszeit soll mit dem neuen Gesetz auf drei Jahre verlängert werden. Damit sollen Scheinehen erschwert werden, sagt die Bundesregierung. Kritiker sagen hingegen, dass diese Verlängerung für die Opfer häuslicher Gewalt ein Jahr länger Abhängigkeit bedeutet. Nur mit Härtefallanträgen könnten Betroffene schon vor Ablauf der Frist ein eigenständiges Aufenthaltsrecht bekommen, die Beweislast liege allerdings bei den Opfern.

Die Frauenorganisation Terre des femmes wendet sich deshalb gegen die Erhöhung der Ehebestandszeit. Die Begründung, dass Scheinehen verhindert werden sollen, sei ein billiger Vorwand. In Wahrheit gehe es der Bundesregierung darum, die Zuwanderung nach Deutschland weiter zu begrenzen. Terre des femmes fordert, den Frauen die Beweislast für ihre Zwangslage zu nehmen. Statt dessen solle eine eidesstattliche Erklärung ausreichen. (abendblatt.de)