Die USA nehmen bereits Kontakte zu Oppositionsführer el-Baradei auf. Präsident Obama zu Mubarak: Ihre Zeit ist abgelaufen.
Kairo/Washington. Die Rede kam nicht an beim Volk. Noch in der Nacht nach dem Marsch der Millionen schaltete sich Barack Obama ein. Der US-Präsident drängte seinen ägyptischen Kollegen Husni Mubarak, sein Amt aufzugeben. Nach der Fernsehansprache Mubaraks demonstrierten Tausende Menschen weiter im Zentrum von Kairo und verlangten den sofortigen Rücktritt des Präsidenten. Die Rede Mubaraks quittierten die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Kairo mit Buh-Rufen, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten. „Der Präsident ist dickköpfig, aber wir sind dickköpfiger“, rief ein Anführer in ein Megafon. „Wir werden den Platz nicht verlassen.“
Mit Sprechchören forderte die Menge Mubarak auf, nach drei Jahrzehnten an der Macht abzudanken. Angesichts der seit mehr als einer Woche andauernden Massenproteste hatte Mubarak versprochen, bei den Präsidentschaftswahlen im September nicht mehr anzutreten. Einen sofortigen Rücktritt lehnte er aber ab.
In der nordägyptischen Hafenstadt Alexandria lieferten sich Anhänger und Gegner des Staatschefs gewalttätige Auseinandersetzungen. Mubarak-Getreue griffen nach der Rede Demonstranten der Opposition mit Stöcken und Messern an, wie Augenzeugen berichteten. Die Menge sei daraufhin in Panik geraten, die Armee habe Warnschüsse abgefeuert. Landesweit hatten am Dienstag mehr als eine Million Menschen friedlich für Mubaraks Rücktritt demonstriert, alleine in Kairo kamen nach Angaben der Sicherheitskräfte 500.000 Menschen zu der bislang größten Kundgebung seit dem Beginn der Protestwelle zusammen.
Obama forderte Mubarak in einer Erklärung nicht direkt zum Rücktritt auf. Allerdings signalisierte er dem 82-jährigen Präsidenten deutlich, dass seine Zeit abgelaufen sei. Der „friedliche“ und „geordnete“ Übergangsprozess in dem nordafrikanischen Land müsse „jetzt“ beginnen, sagte Obama im Weißen Haus. Das habe er Mubarak zuvor in einem Telefongespräch verdeutlicht. Dieser habe eingesehen, dass der gegenwärtige Zustand nicht aufrechterhalten werden könne und es einem „Wandel“ geben müsse.
Obama richtete sich in seiner Erklärung auch an die Demonstranten. „Dem ägyptischen Volk, vor allem den jungen Ägyptern, möchte ich klar sagen: Wir hören eure Stimmen“, sagte der US-Präsident. „Ich habe einen unbeugsamen Glauben daran, dass ihr euer eigenes Schicksal bestimmen werdet.“ Dem ägyptischen Militär dankte Obama für die friedliche Reaktion auf die Massenproteste. „Ich rufe das Militär auf, seine Bemühungen fortzusetzen, damit diese Zeit des Umbruchs friedlich verläuft“, sagte er.
Hinter den Kulissen hatten die USA die diplomatischen Bemühungen intensiviert. Aus Regierungskreisen in Washington verlautete, dass der US-Sondergesandte Frank Wisner dem langjährigen Verbündeten Mubarak nahegelegt habe, sich nicht zur Wiederwahl zu stellen. Zugleich nahm die US-Botschafterin in Kairo, Margaret Scobey, einen ersten Kontakt mit Oppositionspolitiker Mohamed el-Baradei auf.
Auch die oppositionellen Muslimbrüder haben die Mubarak-Rede kritisiert. Der Sprecher der Muslimbrüder, Mohammed Mursi, sagte: „Dies erfüllt keine der Forderungen des Volkes“. Außerdem kämen diese Zugeständnisse zu spät. Friedensnobelpreisträger Mohammed el-Baradei hatte sich enttäuscht gezeigt. „Wie immer hört er nicht auf sein Volk“.
Mubarak lehnte nachdrücklich die Forderung der Protestbewegung ab, er solle ins Exil gehen. „Dies ist mein geliebtes Heimatland – ich habe hier gelebt, ich habe für es gekämpft und ich habe seinen Boden, seine Souveränität und Interessen verteidigt“, sagte er. „Ich werde hier sterben. Die Geschichte wird über mich und uns alle urteilen.“ (AFP/abendblatt.de)