Die Kopten in Deutschland sorgen sich um ihre Sicherheit. In wenigen Tagen ist das koptische Weihnachstfest, die Polizei bewacht Gemeinden.
Köln/Frankfurt/Main. Zeit zum Trauern hat der Priester der koptischen St. Mina-Gemeinde in München derzeit kaum. Pater Deuscoros El-Antony ist noch immer fassungslos. „Eine Zehn-Kilogramm-Bombe haben die Täter eingesetzt - das ist entsetzlich“, sagt der 53-Jährige und schüttelt den Kopf. Nach dem Bombenanschlag auf seine Glaubensbrüder im ägyptischen Alexandria mit mindestens 23 Toten rufen täglich besorgte Gemeindemitglieder an, um sich über die Sicherheit der Kirche in München zu informieren. Denn an diesem Donnerstag (6. Januar) wollen die 75 koptischen Familien in der bayerischen Hauptstadt Weihnachten feiern.
„Eigentlich treffen sich an diesem Tag alle Mitglieder in der Kirche, um nach dem Gottesdienst gemeinsam zu essen, zu trinken und zu feiern“, sagt Pater Deuscoros. Doch in diesem Jahr hat die Gemeinde die Feierlichkeiten abgesagt. Lediglich der Gottesdienst soll wie gewohnt stattfinden. „Wir halten es für besser, wenn die Familien den Abend zu Hause verbringen“. Zum eigenen Schutz und aus Respekt vor den Anschlagsopfern, wie Pater Deuscoros betont. Zwei Familien der Münchner Gemeinde hätten Angehörige in Alexandria, die aber nicht unter den Opfern seien.
Das Grauen des Neujahrsanschlag reicht auch bis in die idyllische St.-Georg-Kirche in Stuttgart, die Hauptkirche der Kopten in Baden- Württemberg. Die Gemeindemitglieder, von denen ebenfalls viele Verwandte in Ägypten haben, einigten sich ebenfalls darauf, nach ihrem Weihnachtsgottesdienst am 7. Januar nicht wie sonst gemeinsam zu feiern. Grund dafür sei aber nicht die Angst vor Anschlägen, sondern vielmehr die Trauer um die Toten von Alexandria, erklärt Gemeindeoberhaupt Johannes Ghali. „Wir haben am Sonntag in der Predigt über den Anschlag informiert“, sagt Ghali in schwarzer Robe mit silbernem Kreuz um den Hals, während er in einem Nebenraum der Kirche sitzt. „Es gab selten Angst, aber alle wollen wissen, was genau passiert ist“, fasst er die Stimmung seiner Gemeinde zusammen. Beim Blick auf das koptische Weihnachtsfest hat Ghali zwiespältige Gefühle. Die Drohungen im Internet hätten sich schließlich gegen die gesamte koptische Kirche gerichtet. Trotzdem spüre er vor Ort keine große Gefahr. „Unser Beschützer ist Gott.“
Die Polizei hat zwar schon vor Weihnachten angerufen, weil es auch vor dem Anschlag in der Neujahrsnacht bereits Drohungen gegeben hatte. Aber besondere Sicherheitsvorkehrungen gebe es nicht, sagt ein Polizeisprecher. „Wir haben keine konkreten Hinweise für ein Anschlagsziel in Stuttgart.“ Für die Sicherheit der Gemeindemitglieder in München hingegen soll an deren Heiligem Abend die Polizei sorgen. „Unsere Polizei wird verstärkt präsent sein“, kündigt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) an. Pater Deuscoros rechnet damit, dass Polizisten während des Gottesdienstes den Eingang kontrollieren und vor der Kirche die Straße gesperrt wird. „Die Bedrohungslage in Deutschland ist neu für uns“, sagt der Priester aus dem nordägyptischen Assuan. Dennoch gibt er sich kämpferisch. Das Weihnachtsfest wolle sich die Gemeinde nicht verderben lassen, die Kirchentüren stünden weiterhin für jeden offen. „Wir sind zwar traurig, doch Angst vor Terroristen haben wir nicht“, sagt der Ägypter, der neben den Münchner Kopten auch eine kleine Gemeinde in Nürnberg betreut. Deutschland sei für viele eine zweite Heimat geworden. „Hier sind wir frei.“
Kopten-Bischof wirft Politikern Verharmlosung des Terrors vor
Der Bischof der Koptischen Gemeinde Deutschlands, Anba Damian, hat die Reaktionen von Politikern auf den Terroranschlag in Ägypten als unzureichend kritisiert. Das Bundesinnenministerium verhalte sich sehr korrekt, sagte er in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Aber die Statements der Politiker seien „sehr blass, sehr oberflächlich und enttäuschend“. Ob er damit auch die Aussagen von Bundeskanzlerin Angela Merkel meinte, ließ er offen. „Die ganze Welt ist geschädigt von blumigen Statements und tröstenden Wörtern“, sagte Damian. Nach dem Anschlag in Alexandria sollten Taten folgen, so das Oberhaupt von rund 6000 koptischen Christen in Deutschland.
Die Kopten würden in Ägypten wie Bürger zweiter Klasse behandelt, erklärte der Bischof. Dort würden nach dem Freitagsgebet Menschenmengen voller Hass und Wut die Moscheen verlassen. Die Christen und der Papst würden von Moslems beschimpft, sagte Damian. Ziel der Terrordrohung in Deutschland sei, dass man die Kopten in Angst und Schrecken versetze. Die Drohungen hätten nach seiner Meinung schon einen „gewissen Glaubwürdigkeitsgehalt“; es gehe den Tätern nicht um Gebäude-, sondern um Personenschäden. Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, appellierte an die ägyptische Regierung, mehr für den Schutz der Christen im Land zu tun. In der Vergangenheit sei das Problem nicht ernst genug genommen worden, sagte Schneider der „Frankfurter Rundschau“.
Nach dem Anschlag auf eine Kirche in Alexandria, scheine die „politische Elite nun aufzuwachen“. Es sei ein Jammer zu sehen, „dass eine Region, in der das Christentum von Anbeginn an präsent war, nun entchristlicht wird“, beklagte Schneider. „Wir müssen alles dafür tun, dass Christen auch dort in Frieden leben können.“ Die deutschen Islam-Verbände forderte der rheinische Präses auf, sich gegen die Verfolgung von Christen in der Türkei zu wenden. „Ich erwarte gerade von den DITIB-Gemeinden, die vom türkischen Staat finanziert werden, dass sie sich bei der eigenen Regierung für die Religionsfreiheit der Christen in der Türkei deutlicher einsetzen“, sagte der EKD-Ratschef. „Was sie hier in Deutschland genießen, muss auch für die Christen in der Türkei Wirklichkeit werden.“
Besondere Bewachung für älteste Gemeinde in Frankfurt
Die älteste koptische Gemeinde in Deutschland, St. Markus in Frankfurt am Main, wird bei ihrem für Donnerstagabend geplanten Weihnachtsfest nach eigenen Angaben besonders bewacht. „Wir bekommen von der Polizei Objekt- und Personenschutz“, zitiert die „Frankfurter Rundschau“ Diakon Michele Riad. Gleiches gelte für die Trauerfeier, die die Gemeinde für Sonnabend plant, um der 21 in Ägypten getöteten Kopten zu gedenken. Die in Frankfurt-Rödelheim ansässige Gemeinde St. Markus ist mit knapp 1000 Mitgliedern auch eine der größten koptischen Gemeinden in Deutschland.
In Deutschland, Österreich und Frankreich wächst die Sorge vor islamistischen Attacken auf Kopten. Schon an Heiligabend informierte das Bundeskriminalamt die zuständigen Behörden über eine „allgemeine Anschlagsdrohung“ im Internet gegen die koptische Kirche unter anderem auch in Deutschland. Das österreichische Innenministerium sprach von einer „Todesliste“ mit insgesamt 150 Namen von Kopten aus verschiedenen Ländern, die bereits vor dem Anschlag auf einer Internetseite der Terrororganisation „Islamischer Staat Irak“ veröffentlicht worden sei. Die Organisation wird in Verbindung mit al-Qaida gebracht.