Die Reaktion der Lukaschenko-Regierung auf die Ausschreitungen seien „schändlich“. Eine Reporterin wurde mitten im Interview verhaftet.
Minsk/Brüssel. EU-Außenministerin Catherine Ashton hat die Gewalt nach der Präsidentschaftswahl in Weißrussland scharf kritisiert und die sofortige Freilassung der festgenommenen Oppositionellen gefordert. Ashton verurteilte besonders die Festnahmen mehrerer Oppositionspolitiker, darunter Kandidaten für die Präsidentschaftswahl. Die weißrussische Polizei hatte in der Nacht zum Montag nach der umstrittenen Präsidentenwahl die Proteste von Zehntausenden Menschen in Minsk gewaltsam niedergeschlagen. Ein Großaufgebot nahm in der Nacht Hunderte Demonstranten fest, darunter nach Angaben ihrer Sprecher auch mindestens sieben der insgesamt neun Kandidaten der Opposition sowie kritische Journalisten.
Deutschland droht Weißrussland nach der Wiederwahl von Präsident Alexander Lukaschenko und der gewaltsamen Auflösung von Protesten mit Konsequenzen. Die von Weißrussland gewünschte Annäherung an die Europäische Union sei in weite Ferne gerückt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Die Demonstranten werfen Amtsinhaber Alexander Lukaschenko, der nach Angaben der Wahlkommission mit knapp 80 Prozent der Stimmen auf Anhieb wiedergewählt wurde, Wahlbetrug vor. Ashton erklärte, sie habe die verkündeten vorläufigen Wahlergebnisse „zur Kenntnis genommen“. Für eine Bewertung der Wahl warte sie jedoch einen Bericht der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) über den Urnengang ab.
Der als „letzter Diktator Europas“ kritisierte Staatschef Alexander Lukaschenko geht in seine vierte Amtszeit. Die Lage in Minsk war nach Angaben von Augenzeugen am Montag zunächst ruhig. Die Präsidentenkandidaten Wladimir Nekljajew und Vitali Rymaschewski waren nach Angaben ihrer Mitarbeiter von der Polizei krankenhausreif geprügelt und dann vom Geheimdienst KGB verschleppt worden. Die weißrussischen Sicherheitskräfte teilten mit, dass auch mindestens 30 Polizisten verletzt worden seien. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) war „sehr besorgt“ wegen der Ausschreitungen. „Es ist nicht akzeptabel, Oppositionskandidaten und ihre Anhänger, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ausüben wollen, zu drangsalieren, zu schlagen oder festzunehmen“, hieß es in einer Mitteilung. Westerwelle hatte bei einem Besuch in Minsk Anfang November nachdrücklich demokratische Wahlen gefordert.
Scharfe Kritik kam auch vom Präsidenten des Europaparlaments, Jerzy Buzek. „Dieser Vorfall wirft das schlechtmöglichste Licht auf die Präsidentschaftswahlen“, erklärte er in Brüssel. Die Übergriffe der Sicherheitskräfte bezeichnete Buzek als „schändlich und empörend“. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wollte am frühen Nachmittag mitteilen, ob sie die Abstimmung anerkennt. Wahlbeobachter aus Russland und anderen früheren Sowjetrepubliken meinten, der Urnengang sei ordnungsgemäß verlaufen. Demnach lag Lukaschenko diesmal etwa 3 Prozentpunkte unter dem Ergebnis von 2006, als er 82,6 Prozent der Stimmen erhalten hatte.
Auch mehrere Reporter wurden am Sonntag verletzt und festgenommen, darunter die prominente Journalistin Irina Chalip. „Mich schlägt die Polizei“, schrie sie noch mit schmerzverzerrter Stimme, bevor die Verbindung bei einem Live-Interview im Radio abbrach. Wütende Lukaschenko-Gegner hatten am Sonntag versucht, Regierungsgebäude zu stürmen.