Der Attentäter von Toulouse soll keine Ausbildung im Terrorcamp bekommen haben. Mohamed Merah motivierte sich mit Hilfe des Internets.

Paris. Frankreich rätselt über die Radikalisierung des am Donnerstag getöteten Serienmörders von Toulouse. Mohamed Merah gehörte nach derzeitigem Stand der Ermittlungen weder zu einer Terrorgruppe noch besuchte er ein Trainingscamp in Afghanistan. "Nach unserer Kenntnis gab es keine Zelle“, sagte Staatschef Nicolas Sarkozy am Montag in einem Radiointerview. "Er hat kein Ausbildungslager absolviert, er war an keiner religiösen Hochschule und er hat sich nicht an terroristischen Handlungen beteiligt.“ Merah habe sich über das Internet selbst radikalisiert, sagte Sarkozy.

Merah hatte an drei Tagen im März insgesamt sieben Menschen erschossen, darunter an einer jüdischen Schule drei Kinder und einen Lehrer. Bevor er am vergangenen Donnerstag bei der Stürmung seiner Wohnung getötet wurde, hatte er sich selbst als Mudschahedin (Gotteskrieger) bezeichnet und erklärt, dem Terrornetzwerk Al-Kaida nahezustehen.

Die Familie des von der Polizei erschossenen Serienmörders streitet unterdessen über den Ort für die Bestattung. Während einer der Brüder von Merah eine Beisetzung in Frankreich befürworte, wolle die Mutter den Leichnam ihres Sohnes nach Algerien überführen lassen, sagte ein Vertreter der muslimischen Organisation CRCM am Montag nach Angaben der französischen Nachrichtenagentur AFP. Sie befürchtet offensichtlich, dass das Grab ihres Sohnes in Frankreich geschändet werden könnte. Merah selbst soll seinem Bruder gesagt haben, er wolle in seinem Geburtsland Frankreich beigesetzt werden. Algerien ist lediglich das Herkunftsland der Eltern.

Als einziger möglicher Mitwisser gilt bislang Merahs Bruder Abdelkader. Gegen ihn leitete die Justiz am Sonntagabend ein Anklageverfahren. Abdelkader Merah verurteile die Taten zutiefst und hoffe, „nicht zum Sündenbock für das zu werden, was sein Bruder getan hat“, sagte Pflichtverteidigerin Anne-Sophie Laguens am Sonntagabend nach der Ausstellung des Haftbefehls.

In Paris ging am Montag die Diskussion um mögliche politischen Konsequenzen der Attentate weiter. Wenige Wochen vor den Präsidentschaftswahlen dominiert das Thema Innere Sicherheit die Kampagnen der Kandidaten. Sarkozy kündigte am Montag an, den geplanten Auftritt des umstrittenen Islamgelehrten Scheich Jussif al-Karadawi in Le Bourget bei Paris verhindern zu wollen. Der in Katar lebende ägyptische Fernsehprediger sei im Land nicht willkommen, sagte Sarkozy, dem Umfragen zufolge eine Wahlniederlage gegen den Sozialisten François Hollande droht.

Al-Karadawi ist vor allem durch seine von Al-Dschasira ausgestrahlte Sendung „Das islamische Recht und das Leben“ bekanntgeworden und steht auf der Einladungsliste eines großen Muslime-Treffens Anfang April (6.-9.) in Le Bourget. Es wird jährlich vom Dachverband der islamischen Organisationen in Frankreich (UOIF) organisiert.

Der Ägypter ist in der arabischen Welt und auch unter europäischen Muslimen umstritten. Extremistische Prediger, die zur Intoleranz gegen „Ungläubige“ aufrufen, finden ihn zu moderat. Im Westen ist er vor allem wegen einer "Fatwa“ (islamisches Rechtsgutachten) kritisiert worden, in der er Selbstmordattentate in Israel rechtfertigte. "Leute, die die Werte der Republik nicht achten, haben bei uns nichts verloren“, sagte Sarkozy am Montag. (abendblatt.de/dpa)