Auf der Welt steige laut EU-Kommissionspräsident Barroso das Interesse an Atomkraft. Seine Erklärung dafür: Sie sei klimafreundlich.
Der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, sieht die Atomenergie in Zeiten des Klimawandels im Aufwind. „Ich würde nicht von Renaissance sprechen, aber niemand wird bestreiten, dass es auf der ganzen Welt ein neues Interesse an der Atomkraft gibt“, sagte Barroso im Interview des Hamburger Abendblatts (Freitag-Ausgabe). „Das hat Gründe – nicht zuletzt den, dass die Kernenergie klimafreundlicher ist als fossile Energieträger.“
Barroso nannte es zugleich „außerordentlich wichtig“, europäische Sicherheitsstandards für Atommüll-Endlager zu schaffen. „Bau und Betrieb sollten nach gemeinsamen Regeln erfolgen“, forderte der Präsident und kündigte an: „Die Kommission wird in der zweiten Jahreshälfte eine entsprechende Richtlinie vorlegen.“
Ähnlich wie Barroso argumentiert auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU). Er beharrt ungeachtet aller Proteste auf längere Laufzeiten von Atomkraftwerken. „Kernenergie ist die Brücke in eine neue Zeit“, sagte er dem Hamburger Magazin „Stern“. Diese Brücke werde „vielleicht etwas länger, als bislang geplant, aber sicher immer schmaler“, fügte er hinzu.
Auf eine genaue Zeitangabe wollte sich der CDU-Politiker nicht festlegen. Spätestens 2050 müsse die Energieversorgung nahezu C02-frei stattfinden: „Nahezu heißt bis auf vielleicht fünf Prozent. Radikaler geht es nicht.“ Im Oktober wolle die Bundesregierung ihr Energiekonzept vorlegen. Bis dahin werde nun durchgerechnet, welche volkswirtschaftlichen Effekte es bei einer Laufzeitverlängerung von 0, 4, 12, 20 und 28 Jahren gäbe – „wie viele neue Arbeitsplätze, welche Investitionen, welche Strompreise“. An die Adresse der Atomkraft-Anhänger aus den eigenen Reihen sagte Röttgen: „Tatsächlich gibt es Stimmen, die fordern, Kernenergie möglichst lange zu nutzen. Ich frage anders: Wann brauchen wir sie nicht mehr? Wann schaffen wir den Umstieg?“
Die Mehrheit der Deutschen lehnt eine Laufzeitverlängerung indes ab. Bei einer vom Zentralverband Sanitär Heizung Klima in Auftrag gegebenen Emnid-Erhebung sprachen sich mit 63 Prozent fast zwei Drittel der 1.000 Befragten dafür aus, die Atomkraftwerke so schnell wie möglich vom Netz zu nehmen. Zugleich habe eine Mehrheit die Weiterentwicklung und Erforschung erneuerbarer Energien gefordert, heißt es weiter.