Bei den Wahlen im Irak kamen möglicherweise bis zu 22 Menschen ums Leben. Die Wahlbeteiligung soll bei 50 Prozent gelegen haben.
Bagdad. Die zweite Parlamentswahl im Irak seit dem Sturz des Saddam-Regimes vor sieben Jahren ist am Sonntag von Terroranschlägen behindert worden. Dabei kamen möglicherweise bis zu 22 Menschen ums Leben. In einem Viertel im Norden der Hauptstadt Bagdad zerstörten Katjuscha-Raketen zwei Gebäude. Allein dort wurden unter den Trümmern mindestens 12 Menschen vermutet. Fast 50 Menschen wurden durch Bombenanschläge und Attacken in Bagdad und der nördlichen Stadt Mossul verletzt. Ungeachtet der Gewalt strömten die Wähler in großer Zahl zur Stimmabgabe. Inoffiziell war von einer Wahlbeteiligung von landesweit mehr als 50 Prozent die Rede.
Die gesamten Sicherheitskräfte des Landes – rund eine halbe Million Mann – waren im Einsatz, um die Wahl zu sichern. Alle Grenzen wie auch der internationale Flughafen von Bagdad waren vorsorglich geschlossen worden.
In Bagdads vorwiegend von Schiiten bewohnter Vorstadt Sadr-City bildeten sich am Mittag lange Schlangen vor den Wahllokalen. Manche Wähler zogen es allerdings vor, zu Hause zu bleiben, nachdem in ihren Vierteln Granaten und Katjuscha-Raketen eingeschlagen waren. Insgesamt bewarben sich 6291 Kandidaten um die 325 Sitze im Parlament. Erste Ergebnisse werden in einer Woche erwartet. Trotz der Gewalt erklärte der schiitische Ministerpräsident Nuri al-Maliki nach der Stimmabgabe: „Wir begehen heute einen Festtag, nachdem wir viele Schwierigkeiten zu überwinden hatten.“
Sunnitische Prediger und Politiker appellierten noch am Wahltag eindringlich an ihre Glaubensbrüder, trotz der Terroranschläge wählen zu gehen. „Bitte, bleibt nicht zu Hause sitzen, sondern füllt alle Wahlzettel aus, damit niemand das Ergebnis fälschen kann!“, sagte der Vorsitzende der Nationalen Dialog-Front, Saleh al-Mutlak.
Die Iraker ringen seit dem Sturz von Diktator Saddam Hussein im April 2003 durch eine US-geführte Invasion um eine politische Neuordnung. Im vorigen Sommer waren die amerikanischen Truppen aus den Städten und Dörfern abgezogen. Für die US-Regierung ist es wichtig, dass der politische Prozess im Irak nicht ins Stocken gerät, damit sie ihren Truppenabzug wie geplant fortsetzen kann. Derzeit sind noch rund 96000 Amerikaner im Irak stationiert. Ende 2011 sollen alle Einheiten das Land verlassen haben.
Die irakische Wahlkommission kritisierte den aus ihrer Sicht mangelhaften Schutz der Wähler. Der Vorsitzende der Kommission, Farradsch al-Haidari, erklärte: „Mit diesen Explosionen zielt man darauf ab, unter den Wählern Angst und Schrecken zu verbreiten.“ Innenminister Dschawad al-Bolani sagte nach der Stimmabgabe, er habe sich am Morgen persönlich um die Sicherheit der Bürger gekümmert. Die Wahl sei ein freudiger Anlass – „wie eine Hochzeitsfeier“. Die streng gesicherte Grüne Zone von Bagdad, in der die Politiker wählten, wurde von vier Mörsergranaten getroffen. Dort wurde aber niemand verletzt.
In der 400 Kilometer nördlich von Bagdad gelegenen Stadt Mossul wurden fünf Wahllokale geschlossen, nachdem ein Wahllokal von einer Mörsergranate getroffen worden war. Sechs Wahlbeobachter wurden verletzt. Ebenfalls in Mossul wurden ein Lokalpolitiker und acht seiner Begleiter verletzt, als ihr Konvoi unter Beschuss geriet. Nach Angaben der Polizei erlitten 13 Menschen in Iskanderija südlich von Bagdad Verletzungen durch Granatenbeschuss.
Auch aus den Provinzen Anbar und Salaheddin wurden Explosionen gemeldet. In den schiitischen Südprovinzen und in den drei kurdischen Autonomieprovinzen Erbil, Suleimanija und Dohuk verlief der Wahltag friedlich. „Es ist fast wie ein Picknick“, sagte ein Beobachter. Vor allem in den Siedlungsgebieten der Sunniten, die unter Saddam die Führungselite stellten, hatten Extremisten zuvor Flugblätter verteilt, auf denen sie jedem drohten, der sich an der Wahl beteiligt.
In einigen Nord-Provinzen fielen schiitische Polizeieinheiten negativ auf, die Wähler zwingen wollten, ihre Stimme einem der beiden großen Schiiten-Wahlbündnisse zu geben. In der Ortschaft Al-Scharkat wurde der schiitische Kommandeur einer Einheit deshalb von seinem kurdischen Vorgesetzten auf der Stelle entlassen.