Claudia Roth bezeichnet den Minister als „Abrissbirne nachhaltiger Entwicklungspolitik“ und wirft der Regierung Bruch von Vereinbarungen vor.
Hamburg. Grünen-Chefin Claudia Roth hat Entwicklungsminister Dirk Niebel scharf attackiert. Der FDP-Politiker hatte die geplante Steigerung der Entwicklungsausgaben in Zweifel gezogen. Niebel betätige sich „als Abrissbirne nachhaltiger Entwicklungspolitik“, sagte Roth am Wochenende abendblatt.de , dem Online-Portal des Hamburger Abendblatts. „Erst betreibt er eine radikale Militarisierung der Entwicklungszusammenarbeit, jetzt wirft er ohne jegliche Gegenwehr von sich aus ein international hart erkämpftes Mindestziel einfach so über Bord.“
+++ DAS INTERVIEW MIT MINISTER NIEBEL IM WORTLAUT +++
Roth hielt Niebel vor, ihm sei „nicht nur die dramatisch anwachsende globale Hungerkrise vollkommen wurscht“, er habe auch die Zeichen der Zeit nicht begriffen. „Denn in einer globalisierten Welt wird es uns hart auf die Füße fallen, wenn die Entwicklungszusammenarbeit nichts mehr gilt“, mahnte die Grünen-Chefin.
Niebel hatte die Verpflichtung in Frage gestellt, die deutsche Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen. „Wir müssen mit unseren Partnern diskutieren, ob das Volumen oder die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe die entscheidende Größe ist“, hatte Niebel dem "Hamburger Abendblatt" vom Sonnabend gesagt. „Ich halte die Wirksamkeit für entscheidend.“
Die Bundesregierung stehe zu dem 0,7-Prozent-Ziel, doch werde es „sehr sportlich, es zu erreichen“, betonte Niebel. Der Minister räumte ein: „Das Zwischenziel für 2010, nämlich 0,51 Prozent, werden wir verfehlen.“ Um es zu erfüllen, hätte der Entwicklungsetat um dreieinhalb Milliarden Euro aufgestockt werden müssen. „Dieses Geld hätte mir Finanzminister Schäuble niemals gegeben“, sagte Niebel. Im Haushaltsausschuss des Bundestages sei nun eine Steigerung um etwa 250 Millionen Euro vereinbart worden. Damit liege der Entwicklungshaushalt für 2010 bei 6,1 Milliarden Euro.
Roth nahm nach dem Niebel-Interview auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ins Visier. Sie breche ihr Versprechen, das 0,7-Prozent-Ziel für die Entwicklungsausgaben bis 2015 zu erreichen. Schwarz-Gelb beerdige internationale Verpflichtungen still und heimlich, kritisierte Roth. „Steuersenkungen für Hoteliers und Besserverdienende haben offensichtlich Vorrang.“