“Untergrabung der Staatsgewalt“ wirft Chinas Justiz dem Bürgerrechtler Liu Xiaobo vor. Sein Vergehen: Er setzte sich für die Meinungsfreiheit ein.
Peking. Keine drei Stunden hat das Erste Mittlere Volksgericht in China gebraucht, um dem führenden chinesischen Bürgerrechtler Liu Xiaobo den Prozess zu machen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Ehrenpräsidenten des unabhängigen Schriftstellerverbandes Pen „Untergrabung der Staatsgewalt“ vor. Das Urteil wird am Freitag verkündet, berichteten Liu Xiaobos Anwälte. Dem 54-Jährigen drohen bis zu 15 Jahre Haft.
„Sein einziges Vergehen ist, dass er sich geäußert hat“, sagte einer der Anwälte. Sie hätten darum auf nicht schuldig plädiert. Liu trete seit mehr als zwanzig Jahren für Menschenrechte ein. Festgenommen wurde er mehr als ein Jahr nach der Veröffentlichung der „Charta 08“.
Die „Charta 08“ ist ein Appell, der im Dezember 2008 veröffentlicht und online von mehr als 10.000 Menschen unterzeichnet worden ist. In dem Appell werden Meinungs- und Religionsfreiheit, eine unabhängige Justiz und freie Wahlen gefordert. Die chinesische „Charta 08“ sieht sich in der Tradition der „Charta 77“ vom Januar 1977 gegen Menschenrechtsverletzungen in der Tschechoslowakei. Vor dem Richter bekannte sich Liu zu dem Vorwurf, einer der Initiatoren der „Charta 08“ gewesen zu sein. „Er betonte aber, damit nicht gegen Gesetze verstoßen zu haben“, sagte sein Anwalt Mo Shaoping.
Der Prozess gegen Liu fand unter ungewöhnlich scharfen Sicherheitsvorkehrungen statt. Mehrere seiner Unterstützer wurden vor dem Gerichtsgebäude festgenommen, wie Augenzeugen berichteten. In einem stummen Protest vor dem Gerichtsgebäude erschien auch Ai Weiwei, einer des bekanntesten chinesischen Gegenwartskünstlers. Auch der Menschenrechtsanwalt Teng Biao stellte sich hinter Liu Xiaobo. „Der Prozess verstößt gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Menschenrechte des Volkes“, teilte Teng Biao über den Kurznachrichtendienst Twitter mit.
Im Ausland stieß der Prozess ebenfalls auf Kritik. Diplomaten aus Deutschland, anderen europäischen Ländern und den USA wurde die Teilnahme als Prozessbeobachter verweigert. Es seien nicht genügend Plätze vorhanden, hieß es als Begründung, wie eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin sagte. Die Bundesregierung habe wie die Europäische Union schon „mehrfach gegen die Verhaftung von Liu Xiaobo protestiert“ und setze sich für „faires Verfahren“ ein.