Horst Köhler ernannte Kristina Köhler und Ursula von der Leyen. Das Abendblatt erklärt, was auf die beiden Ministerinnen zukommt.
Berlin. Die erste Kabinettsumbildung der Regierung von Angela Merkel (CDU) ist nach nur einem Monat Amtszeit vollzogen. Bundespräsident Horst Köhler entließ gestern Bundesarbeitsminister Franz Josef Jung (CDU). Zur Nachfolgerin wurde die bisherige Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) offiziell ernannt. Als neue Chefin des Familienministeriums erhielt Kristina Köhler die Ernennungsurkunde.
Die CDU-Politikerin ist mit 32 Jahren die jüngste Ministerin im Kabinett. Sie sichert in der Regierungsmannschaft weiter die „Hessen- Quote“, nachdem der ebenfalls aus Hessen stammende Jung am Freitag die Konsequenz daraus gezogen hatte, dass nach dem von der Bundeswehr angeordneten Luftangriff Anfang September in Afghanistan Informationen über zivile Opfer zurückgehalten worden waren. Mit dem Thema wird sich jetzt ein Untersuchungsausschuss befassen. Im Rahmen einer kurzen Zeremonie im Schloss Bellevue in Berlin dankte der Bundespräsident dem früheren Verteidigungsminister für die geleistete Arbeit. Köhler wies ausdrücklich darauf hin, dass die Entlassung Jungs auf seinen eigenen Antrag hin erfolgt sei.
Das Abendblatt erklärt, was auf die beiden Ministerinnen zukommt:
Ursula von der Leyen hat ihre Herausforderung gefunden
Ihre erste „sichtbare“ Amtshandlung wird Deutschlands neue Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bereits heute erledigen. Es gilt, die Arbeitsmarktdaten für den November zu kommentieren. Eine monatliche Pflichtübung für jeden Arbeitsminister ist das und für eine so medienerfahrene Politikerin wie Ursula von der Leyen nun wirklich kein Problem. Trotzdem: Ganz so einfach wie in den zurückliegenden vier Jahren wird es die ehrgeizige Tochter des früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU) nicht mehr haben. Das Geschick, das sie bei öffentlichen Auftritten in den von ihr so geliebten Mehrgenerationenhäusern und gefühlt unzähligen Talkshows bewies, braucht Ursula von der Leyen mehr denn je. Denn die Themen, für die sie nun zuständig ist, sind komplexer und härter.
Doch genau so eine Herausforderung in einem der bedeutendsten Ministerien der Republik hat die ehemalige Familienministerin von der Leyen ja gesucht. Dass das Gesundheitsressort auf der Zielgeraden der Koalitionsverhandlungen nicht an sie, sondern den FDP-Kollegen Philipp Rösler ging, war für von der Leyen eine Enttäuschung. Erfahrung mit Sozialpolitik hat die professionelle Polit-Managerin aber ebenfalls. Vor ihrem Wechsel nach Berlin war sie bereits in Niedersachsen Sozialministerin. Und auch als Bundesfamilienministerin hatte sie schon mit Themen wie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, dem Arbeitslosengeld II, der Verbesserung der Arbeitsmarktchancen für Alleinerziehende zu tun.
Die größte kommunikative Herausforderung der kommenden Monate dürften zweifellos die prognostizierten steigenden Arbeitslosenzahlen im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise sein. Mit der notwendigen Reform der Jobcenter wartet zudem eine polit-organisatorische Herkulesaufgabe auf von der Leyen. Denn die Länder hatten vergangene Woche das Vorhaben der Bundesregierung abgelehnt, die knapp sieben Millionen Hartz-IV-Empfänger künftig wieder von zwei getrennten Trägern betreuen zu lassen und damit ein Kernstück der Arbeitsmarktreformen zurückzudrehen, wie es Union und FDP in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt haben. Die Verhandlungen ihres Kurzzeit- Vorgängers Franz Josef Jung mit seinen Kollegen aus den Ländern verliefen dazu in der vergangenen Woche ergebnislos. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat Deutschlands neue Arbeitsministerin bereits gestern aufgefordert, diesen Streit schnell zu klären.
Kristina Köhler muss sich mit guten Beratern umgeben
Dass Kristina Köhler in den Ministerrang aufstieg, verdankt die 32- Jährige trotz aller Versiertheit ihrer hessischen Herkunft. Denn ihr Landesverband muss aus seinem eigenen Selbstverständnis heraus im Bundeskabinett vertreten sein. Und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) weiß, dass es ohne die einflussreichen Hessen in Berlin nicht geht.
Da trifft es sich gut, wenn der hessische CDU-Vorsitzende Koch auch noch einen Personalvorschlag parat hat, mit dem die Regierungschefin mehr als gut leben kann. Denn Kristina Köhler, das war auch in der Vergangenheit häufiger zu hören, genießt durchaus die Gunst der Kanzlerin. Frei von den Zwängen der Political Correctness meldete sie sich gegen den Islamismus zu Wort. Und furchtlos nahm sie den früheren Außenminister Steinmeier im BND-Untersuchungsausschuss ins Kreuzverhör – ihre Auftritte galten allgemein als schlagfertig, unerschrocken, in zwei Worten: außerordentlich talentiert. Dennoch dürfte einer so jungen Ministerin fast schon zwangsläufig viel Misstrauen entgegenschlagen, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Hauses am Berliner Alexanderplatz. Es wird Kristina Köhlers wichtigste Aufgabe sein, sich zunächst einmal Respekt zu verschaffen. Viel wird davon abhängen, mit welchen Beratern sie sich umgibt. Josef Hecken, der versierte Chef des Bundesversicherungsamtes, wird bereits als möglicher Staatssekretär genannt. Grundsätzlich hat Kristina Köhler die Aufgabe, die moderne Familienpolitik Ursula von der Leyens – Stichwort: Elterngeld – konsequent fortzusetzen. Sie ließ in ersten Interviews keinen Zweifel daran, dass sie das will.
Ein immer wichtiger werdendes Feld ist die Integration von Migranten, die im Koalitionsvertrag als „Schlüsselaufgabe“ für Deutschland bezeichnet wird. Vor allem die Integrationskraft von Kindergärten und Schulen soll unter Schwarz-Gelb verstärkt werden. Köhler wird dafür Konzepte präsentieren müssen. Auch was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeht, sollen in dieser Legislatur weitere Verbesserungen erreicht werden, etwa durch eine Aufwertung der Kindertagespflege. Dazu kommt der Kampf gegen Links- und Rechtsextremismus und den Islamismus, der auch in den Familien ansetzt. Der schwerste inhaltliche Konflikt, der Köhlers Haus betrifft, ist aber der ungelöste Koalitionsstreit über ein Betreuungsgeld mit Barzahlung oder Gutscheinen. Sie werde sich strikt an den Koalitionsvertrag halten, der für die Betreuung von Kleinkindern zu Hause beides vorsieht, sagt Köhler dazu bislang. Der Streit geht weiter.