Die SPD will in vier Jahren die Regierungsmacht im Bund zurückerobern. Generalsekretärin Andrea Nahles kündigt dafür einen Zweistufenplan an.
Berlin. Die SPD will in vier Jahren die Regierungsmacht im Bund zurückerobern. Generalsekretärin Andrea Nahles kündigte dafür einen Zweistufenplan an. Der neue SPD-Chef Sigmar Gabriel sieht in seinem außergewöhnlich guten Wahlergebnis von 94,2 Prozent auf dem Dresdner Parteitag einen „großen Vertrauensvorschuss“. Die Frage nach einer Kanzlerkandidatur sei jedoch verfrüht. Eine solche Debatte unmittelbar nach einer verlorenen Bundestagswahl sei „kein Ausdruck besonderer Intelligenz“, sagte er in der ARD. Auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident und frühere SPD- Chef Kurt Beck warnte zwar vor voreiligen Festlegungen, betonte aber: „Gabriel hat in seiner Rede deutlich gezeigt, was er kann und wie er Menschen mitreißen kann. Der kann auch Wahlen gewinnen.“ Nahles sagte, in der ersten Zweijahresetappe ihres Planes stehe die Neuaufstellung der Partei-Organisation im Zentrum. „Dann werden wir die Bundestagswahl 2013 in Angriff nehmen.“
Parteichef Gabriel lobte die Generalsekretärin als „Teamspielerin“, die er brauche. „Sie weiß viele Dinge in der SPD, die ich gar nicht weiß. Ich könnte das, was ich vorhabe, ohne sie nicht machen“, sagte Gabriel in der für Montagabend aufgezeichneten ARD-Talksendung „Beckmann“. Nahles schwaches Wahlergebnis in Dresden bezeichnete Gabriel als „unfair“. Gabriel zeigte sich im Deutschlandfunk überzeugt, dass die SPD ihre Zerrissenheit beenden und sich mit Inhalten auseinandersetzen werde. „Wir brauchen ein Politikkonzept, das wirtschaftliche Leistung, soziale Sicherheit und ökologische Verantwortung zusammenbringt.“ Die SPD müsse sich auch nach außen öffnen. „Die SPD ist eine linke Volkspartei, die die Mitte der Gesellschaft erobern will“, sagte Gabriel. Nach einer möglichen Kanzlerkandidatur befragt sagte Gabriel, „natürlich“ sei auch Berlins Regierungschef Klaus Wowereit (SPD) im Rennen.
Wowereit muss 2011 in Berlin eine Landtagswahl bestreiten. Wowereit rief seine Partei auf, nicht nur bei Reizthemen wie Rente mit 67 und Hartz IV umzusteuern. „Wir müssen uns auch dem demografischen Wandel stellen, in der Pflegeversicherung unsere Position weiterentwickeln“, sagte er der. Auch das Thema Altersarmut sei wichtig. Es könne nicht sein, „dass Menschen 30 Jahre und mehr in die Rentenkassen einzahlen und am Ende nur 800 Euro herausbekommen“. Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle sagte, die SPD sei auf ihrem Parteitag zwar linker geworden, keineswegs aber „mehrheitsfähiger“. Der Fraktionsvize der Linkspartei, Ulrich Maurer, lobte den SPD-Parteitagsbeschluss zur Wiedereinführung der Vermögenssteuer als „bemerkenswerten Fortschritt“. Gleichwohl blieben rot-rote-Perspektiven „denkbar ungewiss“. Der Partei-Vize der Linken, Klaus Ernst, sagte, der Kurswechsel der SPD sei „zu zaghaft“.
Die Grünen-Bundesvorsitzende Claudia Roth sieht in den SPD- Initiativen bislang kein Gesamtkonzept. „Der kurzatmige Beschluss, die Vermögenssteuer wieder einführen zu wollen, trägt einen Hauch von Populismus“, sagte Roth der „tageszeitung“ (Dienstag-Ausgabe). Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt warf der SPD im „Hamburger Abendblatt“ (Dienstag-Ausgabe) einen rückwärtsgewandten Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik vor. Mit der Forderung nach Wiedereinführung einer Vermögensteuer werde ein für den Wirtschaftsstandort gefährlicher Sonderweg beschritten. „Zusätzliche Belastungen sind Gift für Wirtschaft und Arbeitsplätze.“ Auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Heinrich Driftmann, kritisierte den SPD-Beschluss zur Vermögensteuer. Mit einer „bürokratischen und leistungsfeindlichen Neidsteuer löst man keine Zukunftsfragen“. Die nordrhein-westfälische SPD-Chefin Hannelore Kraft sieht dagegen in den Beschlüssen des Parteitages „Rückenwind für die Wahlen in NRW“. Kraft, die in Dresden zur neuen Parteivize gewählt worden war, sagte, die SPD könne „jetzt wieder ein gutes Angebot für viele SPD-Abwanderer und Gewerkschafter sein“.