Silvio Berlusconi kann es nicht lassen: Statt nach der Aufhebung seiner Immunität in die Defensive zu gehen, hat er jetzt den Präsidenten beschimpft.
Rom. Nachdem das italienische Verfassungsgericht Regierungschef Silvio Berlusconi die Immunität aberkannt hat, griff dieser nun den Staatspräsidenten Giorgio Napolitano an. „Man weiß doch, auf welcher Seite er steht“, sagte ein sichtlich gestresst wirkender Berlusconi am Mittwochabend vor seiner Residenz. das ganze Land sei „links“ und „kommunistisch“. Der Präsidentenpalast reagierte prompt und deutlich: „Jeder weiß, auf welcher Seite der Präsident steht. Auf der Seite der Verfassung, und er übt seine Funktionen mit absoluter Unparteilichkeit aus.“
Berlusconis wenig staatsmännische Erwiderung, es interessiere ihn nicht, was der Präsident erkläre, sorgte auch bei der Opposition für Proteste. Solche Äußerungen seien in anderen Ländern unmöglich, „und waren es bis vor einigen Jahren auch in Italien“, sagte der Generalsekretär der Demokratischen Partei, Dario Franceschini. Berlusconis Verhalten sei vollkommen „unverantwortlich“. Das Verhältnis des rechten Regierungschefs zu Napolitano ist seit jeher äußerst schwierig gewesen. Der 84-Jährige kämpfte einst gegen die Faschisten und trug maßgeblich dazu bei, dass die italienischen Kommunisten sich zu einer sozialdemokratischen Partei wandelten.
Das Verfassungsgericht hatte eine für Berlusconi geltende Immunitätsregelung für verfassungswidrig erklärt. Nun drohe dem umtriebigen Politiker die Wiederaufnahme gleich mehrerer Verfahren. „Es handelt sich um ein politisches Urteil, aber Ministerpräsident Berlusconi und seine Mannschaft werden weiterregieren, wie es die Wähler bei allen Gelegenheiten seit den Parlamentswahlen 2008 gewünscht haben“, sagte der Sprecher Berlusconis, Paolo Bonaiuti, zu der Entscheidung der Richter. Berlusconi wird seit Monaten von Schlagzeilen über angebliche Frauengeschichten und wilde Partys im Regierungspalast geplagt.
Per Gesetz hatte Berlusconi 2008 die juristische Unantastbarkeit für die vier höchsten Staatsämter gesichert, darunter auch für den Regierungschef. Das Gericht begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass für ein solches Gesetz eine Änderung der Verfassung notwendig sei. Berlusconi hatte die Immunitätsnorm hingegen kurz nach seiner Wiederwahl lediglich per Misstrauensvotum im Parlament durchgedrückt. Das Urteil kam nach zweitägigen Beratungen nicht unerwartet. Medien hatten über „Hochspannung im Regierungspalast“ und mögliche Neuwahlen spekuliert. In der Opposition wie auch im Regierungslager war in den vergangenen Tagen offen über die möglichen Folgen einer Ablehnung des „Lodo Alfano“, wie das umstrittene Gesetz heißt, diskutiert worden.
Während die Opposition vom Rücktritt des „Cavaliere“ und einer „Übergangslösung“ sprach, schloss die Regierungsmannschaft des Medienmoguls das kategorisch aus. „Wenn Berlusconi fällt, dann schreiten wir zu den Urnen“, hatte das Berlusconi-Lager einstimmig verlauten lassen. Berlusconi hatte noch vor kurzem erklärt, er werde unabhängig von der Entscheidung des Gerichts dem Wählerauftrag treu bleiben und „auf jeden Fall bis zum Ende der Legislaturperiode weiterregieren“. Der Chef der ausländerfeindlichen, rechtspopulistischen Regierungspartei „Lega Nord“, Umberto Bossi, hatte noch kurz vor der Urteilsverkündung gedroht, das Gericht wolle doch wohl kaum „den Zorn des Volkes heraufbeschwören“.