Die Grünen haben die Latte hoch gehängt. Bei der Bundestagswahl in einer Woche wollen sie vor den Liberalen ins Ziel gehen.
Berlin. Die Grünen haben die Latte bei der Bundestagswahl in einer Woche hoch gehängt: Sie wollen die drittstärkste politische Kraft werden und damit die Liberalen überholen. Zudem streben sie einen politischen Richtungswechsel in Deutschland an. Auf einem kleinen Parteitag in Berlin forderten die Spitzenkandidaten Jürgen Trittin und Renate Künast ein Ende der Großen Koalition und die Verhinderung von Schwarz-Gelb. Dem Wunschpartner SPD begegneten die Grünen mit Misstrauen. Künast warf ihm vor, „rot-grün zu blinken und auf schwarz-rot zu setzen“.
Einstimmig verabschiedet wurde auf dem Parteitag ein „Sofortprogramm für den sozialen und ökologischen Aufbruch“. Darin werden die Maßnahmen formuliert, die in den ersten Wochen nach der Wahl am 27. September umgesetzt werden sollen – entweder in Regierungsverantwortung oder aus der Opposition heraus. In den Bereichen Klima, Bildung und Gesundheit sollen eine Million neuer Arbeitsplätze geschaffen werden. Zu den Sofortmaßnahmen gehören im Bereich Umwelt- und Klimaschutz etwa verschärfte Sicherheitsregeln für die laufenden Atomkraftwerke und Marktanreize für Elektroautos, auf sozialem Gebiet die Festschreibung eines gesetzlichen Mindestlohns von 7,50 Euro und die Anhebung der Regelsätze für das Arbeitslosengeld II auf 420 Euro. Die freien Mittel aus dem Solidaritätszuschlag sollen zu einem „Bildungssoli“ umgewidmet werden.
Künast lastete der Großen Koalition „vier Jahre Stillstand“ an. „Die Partei von Angela Merkel kann Wirtschaftspolitik nicht und kann auch keine Arbeitsmarktpolitik.“ Trittin sagte, es sei „höchste Zeit, diese Koalition abzuwracken“. Unter Merkel sei Deutschland von einem Vorreiter im Klimaschutz zu einem Bremser geworden. Er fügte hinzu: „Dieses Land wird sich nur verändern, wenn wir dritte Kraft werden.“ Parteichefin Claudia Roth sagte: „Es geht um eine Richtungsentscheidung.“
Parteichef Cem Özdemir betonte aber auch: „Wir wollen nicht um jeden Preis regieren.“ An einer Koalition beteilige man sich nur, „wenn am Ende grüne Politik herauskommt“. Roth bekräftigte: „Regieren war für uns noch nie und wird auch nie Selbstzweck sein.“ Erneut schlossen die Grünen ein Bündnis mit Union und FDP nach der Wahl aus, denen sie eine rückwärtsgewandte Umwelt- und Sozialpolitik vorwerfen. Für eine solche Politik stehe man nicht zur Verfügung: „Jamaika bleibt in der Karibik“, sagte Roth.
Özdemir mahnte, der Kampf um den dritten Platz müsse so beendet werden, „dass wir vor der FDP liegen“. Derzeit sind die Grünen die kleinste Fraktion im Bundestag. Die FDP lehnt eine Ampel mit SPD und Grünen ab, die die einzige realistische Machtperspektive für die Grünen ist.
Trittin äußerte die Befürchtung, eine schwarz-gelbe Koalition könne auch ohne die nötige absolute Mehrheit an Zweitstimmen mit Hilfe von Überhangmandaten an die Regierung kommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sei „entschlossen, mit einer ergaunerten, verfassungswidrigen Mehrheit weiterzuregieren“, sagte er mit Verweis auf das Verfassungsgerichtsurteil. Karlsruhe hatte die Überhangsmandatsregelung in ihrem Effekt als grundgesetzwidrig beanstandet, für eine Änderung aber eine Frist bis 2011 eingeräumt.