Im Interview mit Hamburger Schülern spricht der Vorsitzende der Bundes-Grünen, Cem Özdemir, zudem ungewohnt offen über sein Privatleben.
Hamburg. Der Parteivorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, hat Zweifel geäußert, ob die Türkei jemals in die Europäische Union aufgenommen wird. „Ich weiß nicht, ob die Beitrittsverhandlungen erfolgreich sein werden“, sagte Özdemir dem Hamburger Abendblatt (Mittwoch-Ausgabe). Heute sei die Türkei noch nicht reif für einen Beitritt. Özdemir appellierte an die Europäer, die Türkei auf ihrem Weg der Reformen zu unterstützen. Es sei „eine Chance, wenn ein Land mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung sich entscheidet, so zu werden wie wir Europäer“.
Ferner sprach Özdemir sich in dem Interview, das im Rahmen der Abendblatt-Reihe „Klassenfahrt zu ...“ von Schülern des Hamburger Carl-von-Ossietzky-Gymnasiums geführt wurde, gegen ein neues NPD-Verbotsverfahren aus. „Solange die Landesinnenminister nicht bereit sind, ihre V-Leute zurückzuziehen, macht ein neues Verbotsverfahren keinen Sinn“, sagte Özdemir. „Sonst droht ein Propagandasieg der NPD, den ich uns gerne ersparen würde.“ Bei den Landtagswahlen in Sachsen hatte die rechtsextremistische Partei erstmals den Wiedereinzug in ein Landesparlament geschafft.
Özdemir verwies auf die Hürden, die das Bundesverfassungsgericht 2003 aufgestellt hatte: „Das Verfassungsgericht hat zu Recht gesagt: Es ist schwer, eine Partei zu verbieten, wenn einige der wichtigsten Quellen vom Verfassungsschutz sind.“
Unwohnt offen sprach der Vorsitzende der Grünen offen über sein Privatleben. So meinte Özdemir, dass nach der Geburt seines zweiten Kindes im November möglicherweise Vätermonate nehmen werde. „Ich erwäge ernsthaft, in Elternzeit zu gehen.“ Das sei zwar nicht so einfach als Parteivorsitzender. „Aber ich überlege mir das trotzdem.“ Das Kind solle „nicht ohne Vater aufwachsen“, fügte er hinzu. „Ich habe den Anspruch, meine kleine Tochter jeden Tag zu sehen.“
In dem Interview bekannte Özdemir sich zudem dazu, nicht zu twittern. „Die Welt ist verseucht von langweiligen Twitterern. Und als Parteivorsitzender kann ich gar nicht spannend twittern“, sagte er. „Als Parteivorsitzender muss ich in der Öffentlichkeit jedes Wort auf die Goldwaage legen, alles wird sofort unter die Lupe genommen - da geht das nicht.“
Özdemir erzählte auch, seine Eltern hätten anfangs große Probleme mit seiner Grünen-Mitgliedschaft gehabt. „Es hat eine Weile gebraucht, bis meine Eltern kapiert haben, dass die Grünen eine legale Partei sind“, sagte er. Die Grünen hätten in den Achtzigerjahren „ein zwiespältiges Image“ gehabt, sagte er. „Das sind die Hippies, die kiffen alle, Gruppensex - und wer weiß, was die noch so alles machen. Meine Eltern hatten einfach höllisch Schiss, dass ich eines Tages von der Polizei abgeholt werde und man bei mir Rauschgift findet.“