Die Abstimmung wurde von hoher Arbeitslosigkeit und wachsender Armut überschattet, was viele Griechen den Traditionsparteien anlasten.

Athen. Hiobsbotschaft für die Eurozone: Bei der Parlamentswahl in Griechenland haben die radikalen Kräfte enorm zugelegt, die sich einer Sanierung des hoch verschuldeten Landes verweigern. Die Wähler straften die bisherigen Regierungsparteien, die bei den internationalen Geldgebern in der Pflicht stehen, am Sonntag ab. Nach ersten Auszählungsergebnissen mussten die Koalitionsparteien am Sonntagabend um eine Mehrheit zittern. Es blieb unklar, welche Regierung in Zukunft über weitere Kredite verhandeln wird. Neben den Kommunisten werden auch erstmals Faschisten im neuen Parlament vertreten sein.

+++ Griechen sind sich einig: Der Staat muss reformiert werden +++
+++ Sarkozy und Hollande: Der Kampf um jede Stimme +++

Die Abstimmung wurde von hoher Arbeitslosigkeit und wachsender Armut überschattet, was viele Griechen den Traditionsparteien anlasten. Die konservative Nea Dimokratia und die sozialdemokratische Pasok bleiben zusammen deutlich unter 40 Prozent. Bedingt durch das griechische Wahlrecht, das den Wahlsieger begünstigt, konnten sich die Koalitionsparteien aber weiter Hoffnung auf eine Mehrheit machen. Sie lagen nach Auszählung von 15 Prozent der Stimmen im Bereich von 151 Sitzen, die für die Mehrheit nötig sind. Eine genaue Zuordnung der Mandate war zunächst nicht möglich.

Die konservative Nea Dimokratia kam als stärkste Partei auf 21 Prozent. Das Bündnis der Radikalen Linken (Syriza), das das Sparpaket mit den ausländischen Geldgebern neu verhandeln will, lag als Überraschungspartei auf Platz zwei bei 15,17.

Dramatische Verluste verzeichnete der Wahlsieger von 2009, die sozialdemokratische Pasok, als drittstärkste Kraft mit 14,7 Prozent. Damit machten die beiden Traditionsparteien ND und Pasok erstmals nicht das Rennen um den Wahlsieg und die stärkste Oppositionspartei unter sich aus. Der Pasok-Vorsitzende Evangelos Venizelos rief dazu, auf, die Konsequenzen des Sparprogramms zu tragen. „Eine Regierung der nationalen Einheit ist nötig“, sagte der ehemalige griechische Finanzminister. Auf die Pasok folgen die konservativen Unabhängigen Griechen (10,2 Prozent), die als möglicher Koalitionspartner gehandelt werden.

Hinter den Kommunisten (KKE/8,2 Prozent) schafft erstmals die faschistische Goldene Morgenröte (6,7 Prozent) den Sprung ins Parlament. Die Demokratische Linke (DA), ein weiterer potenzieller Koalitionspartner, kommt auf 6 Prozent.

Der Vorsitzende der Nea Dimokratia, Antonis Samaras, kündigte eine Koalition an. „Ich habe die Absicht, eine Regierung zu bilden“, sagte Samaras am Sonntagabend nach Angaben von Parteimitarbeitern, wie das griechische Fernsehen berichtete. Dazu dürfte er aber unter Umständen gleich mehrere Parteien benötigen, sowohl im linken wie im rechten Lager. Im Parlament zeichnet sich eine starke Zersplitterung mit bis zu zehn Parteien ab.

Die vermutlich äußerst komplizierte Regierungsbildung dürfte davon abhängen, wie viele Kleinparteien den Sprung über die Drei-Prozent-Hürde schaffen. Auch eine erneute Neuwahl ist nicht ausgeschlossen.

Sollte eine neue Regierung in Athen die – von ihren Vorgängern gemachten – Sparzusagen nicht mehr einhalten, droht die Hilfe aus dem Ausland zu versiegen. Die Folge könnte eine Staatspleite sein. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise vor zwei Jahren haben Millionen von Griechen erhebliche Einnahme-Einbußen hinnehmen müssen.

Rund 9,7 Millionen Griechen waren aufgerufen, über die Verteilung der 300 Sitze im Athener Parlament zu entscheiden. Insgesamt bewarben sich 32 Parteien und die Mandate. Nach Angaben von Innenminister Tassos Giannitsis verlief die Wahl ohne nennenswerte Probleme. Die Wahlbeteiligung sei sehr hoch gewesen.

Zentrales Thema im Wahlkampf war das umstrittene Sparprogramm. Konservative und Sozialdemokraten setzen sich für die Fortsetzung des Spar- und Stabilisierungskurses ein. Vor dem Bekanntwerden der ersten Prognosen hatten sich die Traditionsparteien noch zuversichtlich gezeigt.

Ob Athen die Auflagen einhält, wird von der Troika aus Experten von EU-Kommission, IWF und Europäischer Zentralbank (EZB) überwacht. Alle drei Monate prüfen die Fachleute; der nächste Termin steht laut EU-Kommission im Juni an. Falls die Troika Zweifel hat, könnte sie - wie schon geschehen – die Auszahlung der nächsten Kredittranchen auf Eis legen oder sogar ganz zurückhalten. Dies würde Griechenland und seine Bankenbranche unter enormen Druck setzen. Auch für die Eurozone insgesamt dürfte dies nach Einschätzung von Experten negative Auswirkungen haben.

(abendblatt.de/dpa)