Künftig wird die Truppe rund 175.000 Soldaten umfassen. Verteidigungsminister Thomas de Maiziere stellte die radikalste Reform seit der Gründung 1955 an.
Berlin. Es wird ein großer Einschnitt für die Bundeswehr: Mit dem Umbau zu einer Freiwilligenarmee wird die Bundeswehr um 45.000 auf 175.000 Soldaten schrumpfen. Zugleich soll sie aber schlagkräftiger werden. 10.000 Soldaten würden künftig für Auslandseinsätze vorgehalten, kündigte Verteidigungsminister Thomas de Maiziere am Mittwoch bei der Vorstellung der radikalsten Bundeswehrreform seit der Gründung der Truppe 1955 an. Bisher war die Armee schon mit 7000 Soldaten im Einsatz am Rande ihrer Möglichkeiten. Die Zahl der zivilen Stellen bei der Bundeswehr soll auf 55.000 sinken, bisher zahlte die Truppe für 104.000 Zivilisten. Über die Schließung von Kasernen, die in den Ländern auf heftigen Widerstand treffen dürfte, will de Maiziere erst im Herbst entscheiden.
Nach dem Wegfall der Wehrpflicht wird sich die Armee künftig aus 170.000 Zeit- und Berufssoldaten sowie mindestens 5000 Freiwillig Wehrdienstleistenden zusammensetzen. Ex-Minister Karl-Theodor zu Guttenberg hatte noch 15.000 Freiwillige angepeilt, de Maiziere will sich jedoch angesichts der immer schwächeren Jahrgänge nicht auf einen solchen Andrang verlassen: Er plant mit „5000 plus X“ Freiwilligen – mindestens 5000 und höchstens 15.000 Freiwillige soll die Armee aufnehmen, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen und sich zum Dienst verpflichten wollen. Mit 15.000 Freiwilligen wäre auch die vom Kabinett gesetzte Obergrenze von insgesamt 185.000 Soldaten erreicht.
Das Verteidigungsministerium selbst soll von 3500 auf 2000 Mitarbeiter schrumpfen. Eine deutliche Stärkung erfährt der Generalinspekteur, der erstmals zum Vorgesetzten aller Soldaten aufsteigt. Damit wird er auch zum Chef der Inspekteure der Teilstreitkräfte, bei denen er sich in der Vergangenheit oft mühsam die Truppen für den Einsatz zusammenbetteln musste. Der Generalinspekteur erhält so annähernd die Bedeutung eines Generalstabschefs, ohne allerdings über den zugehörigen Generalstab zu verfügen. Das Gremium wurde bei der Bundeswehr wegen der Erfahrungen des Dritten Reiches nie eingerichtet. Zudem untersteht der Generalinspekteur den Staatssekretären, so dass der Primat der Politik gewährleistet ist.
Die Neuausrichtung der Bundeswehr soll sechs bis acht Jahre dauern. Mit mindestens 175.000 Soldaten wird die Bundeswehr am Ende einen Umfang haben, der den britischen oder den französischen Streitkräften ähnelt: Die britische Armee zählt
180.000 Soldaten, die französische Armee 240.000 Soldaten, wobei in dieser Zahl ein Großteil des Zivilpersonals enthalten ist, das in Deutschland separat geführt wird. Den Anstoß zur Reform der Bundeswehr hatte de Maizieres Vorgänger Guttenberg gegeben, der auch die Aussetzung der Wehrpflicht in den Reihen der Union durchsetzte.
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Tote und Verletzte bei Krawallen vor Bundeswehrlager
Bei einer gewaltsamen Demonstration vor einem Camp der Bundeswehr in der nordafghanischen Provinzhauptstadt Talokan sind nach afghanischen Angaben zwei deutsche Soldaten verletzt worden. Der Gouverneur der Provinz Tachar, Abdul Dschabar Takwa, zehn Demonstranten seien getötet und 50 weitere verletzt worden. Auslöser der Proteste am Mittwoch waren Vorwürfe gegen die Internationale Schutztruppe Isaf, sie habe vier Zivilisten getötet. Nach Isaf-Angaben handelte es sich dagegen um Aufständische.
Der Gouverneur sagte weiter, auch drei afghanische Wachleute am deutschen Lager seien verletzt worden. Die Aufrührer hätten Handgranaten in das Lager geworfen. Ein Demonstrant namens Abdul Khalik, der Verletzte ins Krankenhaus brachte, berichtete, zunächst habe die Polizei auf die Demonstranten geschossen. Dann seien deutsche Soldaten aus dem Camp gekommen. Khalik machte keine Angaben dazu, ob auch die Bundeswehr das Feuer eröffnete. Er sagte, manche der rund 2000 Demonstranten seien bewaffnet gewesen. Die Polizei schoss nach Khaliks Angaben, als Aufrührer eine äußere Absperrung vor dem deutschen Lager in Brand steckten.
Die Bundeswehr unterhält in Talokan nur ein kleines Camp – ein sogenanntes Provinz-Beratungsteam (Provincial Advisory Team/PAT) - mit rund 20 bis 25 Soldaten. Die Bundeswehr äußerte sich zunächst nicht. Der Gouverneur sagte, Stammesälteste hätten inzwischen interveniert, um die Ausschreitungen zu beenden.
Bei einer gewaltsamen Demonstration in der nordafghanischen Stadt Masar-i-Scharif waren Anfang vergangenen Monats vier nepalesische und drei europäische UN-Mitarbeiter von einem Mob getötet worden. Auch vier Demonstranten waren ums Leben gekommen. Die Proteste hatten sich gegen eine Koran-Verbrennung in den USA gerichtet.
Die Menschen in Talokan demonstrierten gegen eine Isaf-Operation in der Stadt in der Nacht zu Mittwoch, bei der zwei Frauen und zwei Männer getötet wurden. Der Polizeichef Tachars, Schah Dschehan Nuri, sagte: „Sie waren alle Zivilisten.“ Er verurteilte die Operation, die nach seinen Worten nicht mit afghanischen Sicherheitskräften abgesprochen war.
Die Nato-geführte Isaf teilte dagegen mit, es habe sich um Angehörige der Islamischen Bewegung Usbekistans (IMU) gehandelt. Afghanische und ausländische Truppen hätten die vier Aufständischen - darunter zwei bewaffnete Frauen – getötet. Bei den ausländischen Kräften bei nächtlichen Operationen handelt es sich in der Regel um US-Spezialeinheiten.
Am Mittwoch versammelten sich daraufhin hunderte Männer in einem Park im Zentrum Talokans. Aufgebrachte Demonstranten riefen Parolen gegen die USA und die afghanische Regierung. Die Demonstration wurde gewalttätig, als ein Mob Poster von Präsident Hamid Karsai zerriss und Steine auf das Polizei-Hauptquartier und das deutsche Lager warf. An mehreren Stellen in der Stadt waren Schüsse zu hören. (dpa/abendblatt.de)