CDU und SPD wollen nach Sondierungsgesprächen weiter über eine große Koalition verhandeln. Doch es gibt viele programmatische Hürden.
Düsseldorf. Hannelore Kraft im Brautkleid mit Blumen - Jürgen Rüttgers als stolzer Bräutigam. So stehen der Regierungschef von Nordrhein-Westfalen und seine Herausforderin am Donnerstag vor dem Düsseldorfer Tagungshotel, in dem die schwarz-rote Polit-Ehe angebahnt werden soll – allerdings nur in Gestalt von maskierten Umwelt-Aktivisten. Bevor sich die beiden Landesparteichefs von CDU und SPD tatsächlich näher kommen können, müssen aber viele programmatische und persönliche Hürden aus dem Weg geräumt werden.
Immerhin wissen beide schon nach gut drei Stunden, dass sie das probieren wollen. „Wir sind bereit, dies anzugehen mit dem Willen, alles zu versuchen, dass die Gespräche erfolgreich sind“, versichert Rüttgers nach dem ersten Sondierungsgespräch. Bei der Bewertung des Auftakts lässt der Regierungschef der Dame den Vortritt. Die Gespräche seien in sachlicher und offener Atmosphäre geführt worden, berichtet Kraft. Die Linkspartei hatte vor einer Woche schon die erste Runde in Krafts Sondierungsreigen nicht überstanden.
Zu Beginn haben sich die 21 Verhandlungsspitzen von CDU und SPD eine Annäherung nicht mit den schwierigsten Themen verbaut. Beide Seiten seien sich einig, dass die Kommunen Unterstützung bräuchten, sagt Kraft. Auf dem Feld einer ökologischen Wirtschafts- und Industriepolitik macht sie „gemeinsame Zielformulierungen, aber auch Differenzen“ aus.
Die dicken Brocken werden zunächst ausgespart: Wird es Gemeinschaftsschulen geben in NRW? Werden die Studiengebühren wieder abgeschafft? Welche Partei stellt den Ministerpräsidenten? „Das wurde gar nicht angesprochen“, berichten beide. Offen angesprochen werden aber zwei andere wunde Punkte: Wie sage ich es meiner Basis? Und: Wie können beide Seiten die Verletzungen aus dem Wahlkampf überwinden?
Da hatte es in den vergangenen Monaten Einiges an Zumutungen gegeben: Die CDU versuchte, per Video-Beobachtung Kraft im Wahlkampf beim Tritt ins Fettnäpfchen zu ertappen. Ein enger Vertrauter von Rüttgers musste sich bei ihr für eine in die Öffentlichkeit geratene E-Mail entschuldigen. Dort hatte er über sie geschrieben: „Das geschieht der Alten recht – immer auf die Omme (Hochdeutsch: Jemandem einen Schlag versetzen)“. Und Rüttgers attestierte Kraft vom Landtags-Rednerpult: „Sie sind eine Derzeit-Politikerin. Sie haben nicht die Statur, Ministerpräsidentin in diesem Land zu werden.“ Eine „Kraftilanti“-Schmäh-Kampagne sollte der SPD-Frontfrau zudem nachweisen, dass diese den Wähler beim Umgang mit der Linkspartei belüge. Dafür fühlte sich die CDU von der SPD über ein Weblog verfolgt, das im Wahlkampf ausführlich über die Sponsorenaffäre der NRW-CDU („Rent-a-Rüttgers“) und andere Peinlichkeiten berichtete. „Eine Schmutzkampagne mit gefälschten Dokumenten“ gespickt und im Dienste von Sozialdemokraten, mutmaßte die CDU. Auch Kraft teilte kräftig gegen Rüttgers aus, bezeichnete ihn als „Sozialschauspieler, der links blinkt und rechts abbiegt“.
Nun säßen sich zwei Parteien gegenüber, die im Wahlkampf noch nicht an gemeinsame Koalitionsgespräche gedacht hätten, sagt Rüttgers ernst. Beiden sei aber klar: „Wenn es dazu kommt, dass eine Koalitionsvereinbarung unterschrieben wird, dass es dann auf einer Plattform geschieht, die von Vertrauen geprägt ist.“
SPD und CDU müssen nun nach jahrzehntelangem Gegeneinander in NRW und viel gegenseitigem Hohn und Spott ihre Basis dazu bringen, eine große Koalition zu akzeptieren. „Das wird noch ein erhebliches Stück Arbeit werden in den kommenden Wochen“, ist Rüttgers sicher. Immerhin gebe es das gemeinsame Ziel, „stabile Verhältnisse in Nordrhein-Westfalen in den kommenden Jahren zu haben.“
Von Neuwahlen will der Ministerpräsident nichts wissen. „Die Wähler haben so entschieden, dass die große Koalition der Weg ist, zu einer Regierung zu kommen“, sagt er schon vor Beginn des Gesprächs in die Mikrofone. „Ich finde, dass wir uns der Verantwortung stellen sollten, damit wir in den nächsten fünf Jahren eine handlungsfähige Regierung haben.“
Neuwahlen wären vor allem für das schwarz-gelbe Lager hoch riskant. Mit insgesamt 41,3 Prozent der Stimmen waren CDU und FDP bei der Landtagswahl am 9. Mai deutlich weiter von einer Regierungsmehrheit entfernt als Rot-Grün mit zusammen 46,6 Prozent.