Auf ihrem Parteitag am Wochenende in Husum versuchten sich Schleswig-Holsteins Grüne als sebstbewusste Oppositon zu profilieren.
Husum. Vor der Landtagswahl im letzten September schien für Schleswig-Holsteins Grüne eine Koalition mit CDU und FDP zum Greifen nahe – doch zumindest derzeit haben sie mit „Jamaika“ nichts am Hut. Scharf grenzten sie sich auf ihrem Parteitag am Wochenende in Husum von der schwarz-gelben Koalition ab. Zugleich rüsteten sie sich inhaltlich für eine Rückkehr in die Regierung – ob früher oder später - und suchten Antworten auf Zukunftsfragen. Ihr selbstbewusster Anspruch: „Wir füllen aus der Opposition das Vakuum, das die Regierung hinterlässt“.
Zum Teil einstimmig beschlossen die Grünen Positionspapiere zu Bildung, Haushalt, norddeutscher Kooperation, Gesundheitswesen oder Mindestlohn, von alter Zerstrittenheit keine Spur. Dies machte es der neuen Führung leicht, ihre Bewährungsprobe nach dem Wechsel der alten Parteispitze um Robert Habeck in die Landtagsfraktion zu bestehen. Kein Rettungs-„Frosch“ für Schwarz-Gelb
Die seit einem halben Jahr mit Co-Parteichefin Eka von Kalben amtierende Landesvorsitzende Marlene Löhr warf der Koalition von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) Versagen auf der ganzen Linie vor. „Wir werden nicht der grüne Frosch sein, der die schwarz-gelbe Tigerente aus dem Dreck zieht.“ Ihre Partei werde sich „nicht billig in eine Regierung einkaufen lassen“. Die Landesregierung, die sich im Parlament nur auf eine Ein-Stimmen- Mehrheit stützen kann, sei konzeptionslos, gebe ein armseliges Bild ab und werde sogar vom Unternehmerverband kritisiert. Wenn die an einem Sparpaket arbeitende Haushaltsstrukturkommission versage, könne das schwarz-gelbe Projekt getrost für gescheitert erklärt werden, sagte Löhr am Vorabend der wichtigen Landtagswahl in NRW.
Das sieht auch der Fraktionschef so: Habeck, von Hause aus Schriftsteller, titulierte seinen Rechenschaftsbericht „Das bürgerliche Trauerspiel“, vorgelegt in schwarz-gelbem Einband. Besonders scharf kritisierten die Grünen Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP), dem sie mehrere „Rollen rückwärts“ bescheinigten. Mit seinen Plänen für die Gymnasien, unter anderem dem Festhalten am „langen“ Abitur nach neun Jahren, richte Klug Chaos an. Außerdem wolle er mit einer Salamitaktik die Gemeinschaftsschulen zerstören. Bildungsexpertin Anke Erdmann forderte den Regierungschef auf, die Schulreform zu stoppen. „Grüne Gerechtigkeit“ Unter das Motto „Gerechtigkeit grün gestalten“ stellten die Grünen Konzepte für Bildung, Haushalt und Gesundheit. Ganz nebenbei und zunächst wohl eher unbewusst besetzten sie mit der Gerechtigkeit ein Thema, das eigentlich die SPD für sich „gebucht“ hat. Einstimmig beschloss der Parteitag ein Papier zur Bildung. Demnach soll für die Kindergärten eine landesweit einheitliche Sozialstaffel eingeführt werden, bezahlt mit einer höheren Grunderwerbsteuer.
Vehement bekannten sich die Grünen zu den gerade erst eingeführten Gemeinschaftsschulen. Sie müssten so ausgestattet werden, dass gemeinsames Lernen zum Erfolg und nicht zum Auslaufmodell wird. Die Grünen sind bereit, notwendige Einsparungen mitzutragen. Sie betonten aber: „Für eine konzeptionslose Kahlschlagpolitik nach dem Rasenmäherprinzip stehen wir nicht zur Verfügung.“ Einstimmig ging ein Konzept durch, das Einnahmen und Ausgaben des Staates wieder in Übereinstimmung bringen soll. Die Grünen machten die Arbeit der Regierung, sagte Finanzexpertin Monika Heinold. „Der Ministerpräsident versteckt sich zurzeit hinter dem Busch – er ist überhaupt nicht zu sehen.“
Auch Nordstaat im Blick Die Grünen machten klar, dass nach ihrer Ansicht auf Bundes- und Landesebene Steuern erhöht werden müssen, um einen Kahlschlag in der Bildung und eine Abkehr vom Sozialstaat zu verhindern. Auch einen Nordstaat halten sie für denkbar, stellen dies aber in den Kontext einer grundsätzlichen Länderneugliederung in Deutschland. Außerdem wollen sie die Interessen des Landesteils Schleswig gewahrt wissen, damit dieser nicht der Sogkraft der Metropolregion Hamburg zum Opfer fällt, und mit den Grünen in Dänemark kooperieren.
Ihre Partei habe konkrete Vorschläge zum Regierungshandeln mit inhaltlich-visionären Debatten verknüpft, bilanzierte Landeschefin Löhr. „Es war schön, diese große Debattenfreude zu erleben.“