Handeloh. Landwirtin Teresa-Marie Pelka zu Gast beim Abendblatt-Podcast „Schmeckt’s?“. Von der Freude, fröhliche Gänse zu züchten.
Der St. Martinstag ist gefeiert, die ersten Gänsebraten verzehrt, die kurze Saison für das Geflügel – sie geht bis zum Weihnachtsfest – hat begonnen. Doch in diesem Jahr stehen viele Landwirte, die das Festtagsgeflügel großzogen, vor einer neuen Herausforderung: Die Gastronomie, die gewöhnlich schon im November einen Großteil der Tiere abnimmt, ist weitgehend geschlossen.
„Wir halten 1500 Gänse in diesem Jahr. Das ist etwas weniger als 2019, weil wir im Mai schon ahnten, dass das Corona -Thema bis Weihnachten nicht durch sein wird. Wir haben aber nicht damit gerechnet, dass es uns so massiv und langwierig verfolgt“, sagt Teresa-Marie Pelka, die mit ihrem Bruder Friedrich Voß in der 14. Generation den Cassenshof in der Lüneburger Heide betreibt. Sie spricht im Abendblatt-Podcast „Schmeckt‘s?“ über ihr Lieblingsgeflügel.
Die meisten Weihnachtsgänse an die Gastronomie
Etwa zwei Drittel der Gänseschar gehen in normalen Jahren an die Gastronomie, so Pelka. „Wir haben nicht geahnt, dass es so schwierig wird – zum Glück gibt es einige Restaurants, die Gänsebraten außer Haus anbieten. Das ist eine tolle Idee. Teilweise fahren die Kellner mit der Gans los und tranchieren sie bei den Kunden am Tisch. Dann gibt es ein Gänseessen wie in der Gaststätte, natürlich mit allen Beilagen. Und der eigene Ofen bleibt sauber.“
Dennoch seien die Vorbestellungen natürlich deutlich zurückgegangen, bedauert Pelka. Als im Mai 1500 flauschige Eintagsküken auf den Hof kamen, ebbte die erste Corona-Welle gerade ab. Die kleinen Gänse kamen zunächst in den Pferdestall (die Pferde standen auf Weiden oder in Reitställen).
Pelka: „In jeder Box haben wir eine runde Fläche abgeteilt, in der die Küken herumlaufen, damit sie sich nicht in den Ecken drücken können. Eine Heizung heizt den Stall auf 30 bis 35 Grad. Zusätzlich gibt es Wärmelampen. Viel Stroh ist ausgelegt. Das haben wir plattgetreten, bevor die Gänse kommen, denn es wäre ein riesiger Haufen für die kleinen Tiere gewesen.“
Eine Freude, fröhliche Gänse zu züchten
Die Kleinen wachsen enorm schnell. Es sei faszinierend zu erleben, wie sie innerhalb von zehn Tagen ihr Gewicht verdoppeln, sagt die zweifache Mutter. „Man kann dabei zusehen, wie aus den gelben Küken allmählich so etwas wie – gefühlt – hässliche Entlein werden. Sie sind dann gräulich, die ersten Federn kommen.“ Dann baut sich allmählich das Gefieder auf, und sie kommen im Alter von drei Wochen das erste Mal raus. Sie dürfen dann nicht nass regnen, weil das schützende Federkleid noch nicht komplett ist.
Pelka: „Wir holen sie vor jedem Regen in den Stall. Aber sie können schon einmal die Weide erleben. Nach und nach kommen sie länger mehr raus, bis sie irgendwann rund um die Uhr draußen bleiben.“ Die schneeweißen Vögel wachsen etwas schneller als Wildgänse, aber auch die wilde Verwandtschaft – und generell Geflügel – wird relativ zügig groß. Es gilt, möglichst schnell fliegen zu lernen und selbstständig zu werden, um sich vor dem Hauptfeind, dem Fuchs, retten zu können.
Pelka schwärmt von ihren Tieren: „Gänse sind total clever. Es ist toll zu sehen, wie sich die ganze Schar mäandernd über die Weiden bewegt. Da entsteht eine Gruppendynamik. Und die Tiere sind immer sehr, sehr wachsam.“ Enten seien dagegen nichts für sie und ihren Bruder: „Das haben wir ein, zwei Jahre lang ausprobiert. Sie liegen viel rum, fressen nur – da passiert gar nichts auf der Weide. Irgendwie ist bei der Ente der Funke nicht übergesprungen.“ Dennoch sind beim Cassenshof auch Enten zu haben. „Sie kommen von einem Partnerbetrieb, den wir gut kennen.“
Gänse: Was die Fettverteilung aussagt
Ihre Tiere sind nur im Hofladen in Inzmühlen erhältlich, doch Weide- oder Freilandgänse werden auch in Supermärkten angeboten. Die Produkte hält Pelka für vertrauenswürdig: „Bei einer deutschen Gans denke ich, dass die Angaben stimmen.“ Anders sehe es bei Importgänsen aus, meint Pelka. Das sind mehr als 80 Prozent der in Deutschland angebotenen Gänse; sie kommen meist aus Polen und Ungarn. Pelka: „Das deutsche Rechtssystem ist sicherer, wir haben hier gute Kontrollen – wer weiß, was in anderen Ländern passiert. Bei einer deutschen Freilandgans ist man auf der sicheren Seite. Allerdings ist sie deutlich teurer als die polnische Gans.“
Und sie schmeckt anders. „Man merkt, wie schnell eine Gans gewachsen ist, etwa an der Fettverteilung“, sagt die Landwirtin. „Bei einer schnell gewachsenen Gans sitzt das Fett als Schicht um das Fleisch herum, weniger im Muskelfleisch selbst. Das ist durchaus geschmacksgebend.“ Sie esse Gans am liebsten klassisch und bevorzuge die Brust. Am besten werde diese, wenn sie langsam, über viele, viele Stunden gegart werde. „Man muss sich Zeit nehmen, immer mal wieder angießen. Ich mag gerne Orangennoten, etwas Fruchtiges dazu“, sagt Pelka. „Dazu Rot- und Rosenkohl. Und Salzkartoffeln aus der Heide.“
Gänse sind eher ein Nischenprodukt, sehr viel mehr werden in Deutschland Masthähnchen verspeist. Sie machen mehr als 60 Prozent des Geflügelkonsums aus. Weitere 30 Prozent sind Puten. Beide Arten wachsen meist zu Zehntausenden, zu Hunderttausenden in engen Ställen auf. Ein Umstand, den viele Verbraucher beklagen und nach Alternativen suchen.
Muss die Gans am Ende in die Gefriertruhe?
Auf dem Cassenshof, mit 50 Mitarbeitern ein erweiterter Familienbetrieb, sind Hühner und Puten indes nicht zu finden. „Wir haben nicht mehr viele Flächen“, sagt Pelka. „Wir sind schon mit den Gänsen ein bisschen am Limit. Man muss sich auf etwas konzentrieren und sich sagen: Was wir machen, das machen wir gut.“
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Die Gänsevermarktung werde dieses Jahr noch stärker als sonst auf die Tage vor Weihnachten hinauslaufen, prognostiziert die Landwirtin. „Wir haben uns umstrukturiert, wobei das nicht einfach ist. Denn wir haben die Schlachttermine bereits im Februar festlegen müssen. Wir hoffen, dass wir bis dahin alle Tiere verkaufen können. Denn nach Weihnachten wird kaum mehr Gans gegessen.“
Das sei eigentlich schade, denn die Gänse würden noch einmal gut zunehmen, wenn es wirklich kalt wird, so Pelka. Es sei kulturell bedingt, dass Gänse so stark mit Weihnachten verbunden werden. Als letztes Mittel bleibe die Gefriertruhe: „Ich habe vergangenes Jahr von meiner Schwiegermutter einen Gänsebraten zu Ostern bekommen. Der hat wunderbar geschmeckt.“