Hamburg. Im Podcast “Schmeckt’s?“ dreht sich alles um unser Essen. Zu Gast diesmal: Fleischerei-Chef Peter Radbruch aus Hamburg-Osdorf.
Fleisch ist sein Metier – und der vernünftige Umgang mit den Tieren, deren Fleisch er verkauft, liegt ihm am Herzen. Im kommenden Jahr feiert die Familienfleischerei Radbruch in Osdorf ihr 50. Jubiläum. Sie ist nach eigenen Angaben die letzte Hamburger Fleischerei, die noch selbst schlachtet – früher in Osdorf, heute in der Nähe von Kaltenkirchen, weil in der Region die Rinder und Schweine wachsen, die der Fleischer verarbeitet.
„Rind und Geflügel machen inzwischen etwa 80 Prozent der Nachfrage aus“, sagt Peter Radbruch, Juniorchef der Fleischerei und Gast beim Ernährungspodcast „Schmeckt’s?“ „Schweinefleisch wird vor allem von den Älteren verlangt. Die Jüngeren bevorzugen das proteinreichere Rind und Geflügel. Grilltrends unterstützen dies. Unter dem Strich haben solche Modeerscheinungen den größten Einfluss darauf, welche Produkte stark gefragt sind“, so Radbruch.
Geschlachtet werden nur Rinder, die auf der Weide standen
„Uns sind kurze Transportwege wichtig. In der Stadt zu schlachten wird immer schwieriger, da beschweren sich schnell zugezogene Nachbarn über den mit der Schlachtung verbundenen Geruch. Außerdem standen wir mit unserem Lkw auf der A 7 oft im Stau, was für die Tiere natürlich zusätzlichen Stress bedeutete. Deshalb haben wir uns mit einem Kollegen zusammengetan. Wir fahren montags dorthin zur Schlachtung und holen am Dienstag die kalten Tiere in unseren Betrieb. Von den Ställen im Bereich Quickborn, Kaltenkirchen, Hartenholm sind es nun nur noch fünf bis acht Kilometer bis zum Schlachtort“, sagt Radbruch, der zunächst Koch gelernt hatte, bevor er in die väterliche Fleischerei einstieg.
Immer mehr Kunden fragen im Geschäft nach Details zur Fleischproduktion, oftmals gehe es um die Haltung der Tiere, so Radbruch. Er arbeite mit den Landwirten, die seine Tiere erzeugen, eng zusammen und lege viel Wert auf eine vernünftige Haltung, versichert der Fleischer: „Rinder, die wir verarbeiten, standen zuvor nur auf der Weide. An 365 Tagen im Jahr. Nur wenn es mal richtig kalt wird, mit Temperaturen von minus 15 und darunter, dann kommen sie in den Stall. Wir fahren einmal im Monat zu unseren Bauern und schauen uns die Tiere an, die sie für uns reserviert haben. Wir suchen sie uns aus. Bei den Rindern nehmen wir dann Uwe oder Elke mit – die tragen alle einen Namen.“ Die Schweine leben in Freiluftställen mit Ausgang nach draußen – „das funktioniert ähnlich wie eine Hundeklappe“, sagt Radbruch. „Sie haben viel Stroh zum Spielen, eine Kratzbürste und fühlen sich pudelwohl. Unser Bauer hat 500 bis 700 Schweine. Er züchtet ausschließlich für uns, gibt aber einige Tiere auch an andere ab. Das ist ein kleiner süßer Betrieb, mit viel Auslauf und kleinen Ställen.“
"Weidetiere haben eine bessere Fleischqualität"
Die gute Haltung spiegele sich im Fleisch, betont Radbruch. „Weidetiere haben eine bessere Fleischqualität. Die Muskelstrukturen sind etwas fester, das Fleisch ist ein bisschen dunkler.“ Schnitzel, die in der Pfanne extrem schrumpfen, seien dagegen Folge eines Schlachtprozesses, bei dem die Tiere zu viel Stress hätten. Dadurch werde zu viel Adrenalin freigesetzt, das noch im Körper stecke.
Die Familie Radbruch setzt stattdessen auf eine „schonende“ Schlachtung, wobei das Wort „schonend“ ein wenig makaber klingen mag. Schließlich sind auch hier die Tiere am Ende tot. Immerhin sind sie kurz vor ihrem Tod entspannter. Denn sie wurden zwölf bis 48 Stunden zuvor bereits zum Schlachtbetrieb gebracht und konnten sich in Ställen vom Transport erholen. Mit Strom betäubt (Schweine) oder per Bolzenschuss hirntot (Rinder) gemacht, bekommen die Tiere vom tödlichen Schnitt nichts mehr mit, versichert Radbruch.
20 bis 25 Schweine und vier bis fünf Rinder verarbeitet die Osdorfer Fleischerei pro Woche. „Wir verarbeiten alles, was möglich ist“, sagt der Juniorchef. „Das Fell geben wir zum Gerben, das Fleisch verkaufen wir direkt im Laden oder verarbeiten einen Teil zu Wurst. Die Innereien landen in der Mülltonne. Es gibt aber auch Händler, die sie nach China schicken und die gereinigten Därme als Wurstdarm reimportieren. Schweineohren trocknen wir als Hundefutter. Der Rinderschwanz geht in die Suppe.“ Zudem wird ständig geräuchert. Schinken zumeist, aber auch saisonale Produkte. Radbruch: „Mitte September haben wir unsere ersten Speckseiten für Birnen, Bohnen und Speck in den Laden gehängt. Die kamen frisch aus dem Rauch und verbreiteten ihr köstliches Aroma. Wir gehen allmählich auf Weihnachten zu und haben die ersten Gänsebrüste gesalzen, um sie Anfang/Mitte November anbieten zu können.“
Die Leute kaufen wieder Niere, Steerte und Pfoten
Fernsehköche setzen neue Trends, auch Facebook, Instagram und die Barbecue-Szene, sagt der Fleischer. Tenderloin-Steak und andere Modeprodukte habe es aber immer schon gegeben, sie wurden nur anders benannt. „Das ist ja das Schöne: Gib dem Kind einen neuen Namen, und schon wird es wieder so aktuell wie vor 20 Jahren. Das gilt auch für Innereien. Jetzt kaufen die Leute wieder Nieren, Steerte und Pfoten. Einige stellen auch Wurst her. Wir verkaufen ab und zu leere Därme, und freuen uns darüber, dass andere das ausprobieren wollen. Besonders dann, wenn die Resonanz kommt, dass die selbst hergestellte Wurst gelungen ist.“
Einem anderen Trend will Radbruch jedoch nicht folgen – dem zu fleischloser Kost. Aus Umweltsicht wäre es sinnvoll, etwas weniger Fleisch zu essen, gibt er zu. Und ein Fleischangebot 24 Stunden rund um die Uhr an 365 Tagen brauche es auch nicht. Er empfiehlt, nicht wahllos einzukaufen, sondern auf die Qualität zu achten und Fleisch aus Massenställen zu meiden: „Wenn etwas weniger, dafür aber vernünftig erzeugtes Fleisch gekauft werden würde, dann würden sich Umwelt- und Klimaeffekte drastisch reduzieren.“ Ein Veggie-Tag pro Woche kommt für Peter Radbruch jedoch nicht infrage: „Dazu mag ich Fleisch – oder auch Fisch – zu gern. Ohne Fleisch kann ich nicht.“