Hamburg/Heidenheim. Heidenheims Trainer spricht als erster Zweitliga-Coach über einen möglichen Saisonabbruch wegen der immer zahlreicheren Corona-Fälle.
Auf sein freies Wochenende hätte Frank Schmidt gerne verzichtet. „Für uns ist die Spielabsage extrem bitter, wir hatten einen sehr guten Lauf“, sagt Heidenheims Trainer, als er sich wenige Tage vor dem Top-Spiel gegen den HSV am kommenden Sonnabend in seinem Büro im heimischen Giengen an der Brenz über Zoom mit dem Abendblatt verbindet.
Am vergangenen Freitag hatte Schmidt erst am Morgen erfahren, dass seine Partie gegen Holstein Kiel am Abend wegen vier Corona-Fällen im Team der Kieler abgesagt wurde. „Wir hätten das Spiel gerne gespielt. Holstein hatte zuletzt auch eine sehr hohe Belastung. Das hätte ein kleiner Vorteil für uns gegen spielstarke Kieler sein können“, sagt Heidenheims Cheftrainer, der sich aber nicht zu sehr mit Konjunktiven auseinandersetzen will. „Jetzt bereiten wir uns eben länger auf den HSV vor.“
Doch auch diese Partie steht angesichts des positiven Corona-Tests bei einem HSV-Profi auf der Kippe.
Schmidt: Saisonabbruch wegen Corona?
In der aktuellen Ausgabe des Abendblatt-Podcasts HSV – wir müssen reden wagt Schmidt angesichts der erneuten Häufung von Corona-Fällen in der Zweiten Liga auch einen sorgenvollen Blick in die Zukunft.
„Wenn man die letzten Ereignisse nimmt, dann könnte es mit dem Spielplan eng werden“, sagt der 47-Jährige, der als erster Zweitliga-Trainer sogar laut über einen Saisonabbruch nachdenkt: „Keiner kann garantieren, dass es die letzten Fälle waren. Wir sind froh, dass wir jetzt 39 Punkte haben und damit Planungssicherheit für die kommende Saison. Man weiß nicht, was bis zum Ende der Saison noch alles passieren kann.“
Heidenheim ist der HSV-Angstgegner
Mehr Spaß als der Blick in die Zukunft macht Schmidt dagegen der Blick in die Vergangenheit – besonders mit HSV-Bezug. „Früher kam der HSV zum Freundschaftsspiel bei uns vorbei. Mit der Geschichte des HSV war es für uns lange Zeit unvorstellbar, gegen den HSV um Punkte zu spielen“, sagt Heidenheims Coach, der mittlerweile aber großen Spaß daran gefunden hat, sich mit dem HSV zu messen.
Von bislang fünf Duellen in der Zweiten Liga hat der 1. FC Heidenheim lediglich das erste Duell äußerst unglücklich verloren, als Pierre-Michel Lasogga in der Schluss-Viertelstunde noch einen Hattrick erzielte. Es folgte ein 2:2 in Ostwürttemberg – und drei denkwürdige Heidenheim-Siege in den vergangenen anderthalb Jahren.
Schmidt verrät HSV-Kabinen-Geheimnis
Besonders an den bislang letzten Besuch im Volkspark am Nikolaustag vor zwei Jahren erinnert sich Schmidt gerne zurück. Nachdem der Trainer im Stadionmagazin „HSVLive“ gelesen hatte, dass seine Mannschaft „auswärts nicht gerade angsteinflößend“ sei, nutzte er den Artikel als Extra-Motivation bei seiner Ansprache in der Kabine direkt vor dem Spiel.
„Den Ball musste ich als Trainer aufnehmen. Unmittelbar vor dem Spiel habe ich das den Spielern vorgelesen. Wer vorher noch nicht auf Betriebstemperatur war, der war spätestens danach so richtig auf Betriebstemperatur“, erinnert sich Schmidt. „Das war eine Steilvorlage für uns. Das zeigte, dass wir noch immer unterschätzt werden.“
Heidenheims magischer HSV-Moment
Das Ende vom Lied: Heidenheim gewann 1:0 – und gab auch in den nächsten Spielen gegen den HSV wenig Grund, die Mannschaft aus der baden-württembergischen Provinz zu unterschätzen. Aus Hamburger Sicht in besonders schmerzhafter Erinnerung dürfte die 1:2-Niederlage am vorletzten Spieltag der vergangenen Saison sein, als Heidenheim die drittplatzierten Hamburger durch ein Last-minute-Tor überflügelte.
„Die Entstehung des Tors brauche ich mir nicht mehr angucken, die werde ich nie in meinem Leben vergessen“, sagt Schmidt – und wirft das Kopfkino an. „Die 94. Minute: Teuerkauf klärt den Ball, Kleindienst geht ins Kopfballduell. Schnatterer spielt den Ball diagonal mit links auf Schimmer, der wunderbar auf Kerschbaumer ablegt.“ Der Rest war: Jubel pur. „Jeder muss verstehen, was dieser Moment für uns bedeutet hat.“
Heidenheim zog in die Relegation ein – und dem HSV blieb das Tal der Tränen. Mit Ex-HSV-Trainer Dieter Hecking habe er später sogar über dieses traumatische Erlebnis gesprochen. „Für den HSV war es unvorstellbar, Heidenheim vorbeizulassen“, sagt Schmidt. Trotzdem habe Hecking Größe gezeigt. „Er sagte: ,Das gehört zum Fußball dazu.’“
Schmidt gönnt dem HSV den Aufstieg
Am Ende habe auch dieses Erlebnis wieder einmal gezeigt, wie nah im Fußball große Glücksgefühle mit unfassbarer Trauer zusammenliegen können. Der Lebenstraum Schmidts schien nach dem Sieg gegen den HSV zum Greifen nah – und wurde wenig später in der Relegation, als Heidenheim durch zwei Unentschieden gegen Werder Bremen ausschied, zum Alptraum.
„Wir mussten uns eine Nacht so richtig schütteln – und haben dann gesagt: jetzt erst recht.“ Wenige Tage später suchte Schmidt mit allen Spielern, die im Aufstiegsfall nach Heidenheim gekommen wären, das Gespräch. „Von den fünf Spielern, die kommen wollten, kamen immer noch vier.“
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Die waren auch in der Hinrunde dabei, als Heidenheim seinen Status als HSV-Angstgegner zementierte und ein 0:2 – erneut in der Nachspielzeit – in ein 3:2-Sieg umwandelte. Für die Heidenheimer sei das laut Schmidt ein Schlüsselmoment in dieser Saison gewesen.
Nun also das nächste Duell. Auch im 545. Spiel für Heidenheim will Schmidt dem HSV das Leben wieder schwermachen, wobei er den Hamburgern grundsätzlich den Aufstieg gönnen würde: „Der HSV hat nichts in der 2. Liga verloren“, sagt er.