Esbjerg. Er prägte die letzte große Zeit beim HSV wie kein anderer. Ein Gespräch über Altherrenfußball, Kochkünste und Kinderwünsche.
Es ist noch früh in Esbjerg, als Rafael van der Vaart die Tür öffnet und durch das Treppenhaus ruft. „Ganz oben.“ Der 37-Jährige steht in blauem T-Shirt und grauer Jogginghose am Eingang seiner Dachgeschosswohnung in der dänischen Hafenstadt. „Komm rein. Willst du einen Kaffee?“, fragt van der Vaart und geht direkt zur Kaffeemaschine in die Küche.
Er ist schon seit 6 Uhr wach, hat seinen Sohn Damian in die Schule gefahren, seine Freundin Estavana Polman zum Friseur gebracht und mit seiner dreijährigen Tochter Jesslynn gespielt, die in dem großen Wohnzimmer vor dem Fernseher sitzt. „Ich bin jetzt Hausmann und Vater“, sagt van der Vaart und lacht.
Seit zwei Jahren lebt der Niederländer hier in der 72.000-Einwohner-Stadt an der Nordseeküste. Vor vier Wochen hat die Familie die Wohnung gewechselt. Sie brauchten mehr Platz, weil Damian von Hamburg nach Esbjerg zu seinem Vater gezogen ist. Auch deshalb schlug van der Vaart dem Abendblatt vor, die 50. Ausgabe des Podcasts HSV – wir müssen reden bei ihm zu Hause in der neuen Wohnung aufzunehmen.
HSV-Podcast: Van der Vaart wird melancholisch
„Lass uns anfangen. Ich bin schon gespannt“, sagt van der Vaart, als die Mikrofone an dem großen Holztisch in seinem Wohnzimmer aufgestellt sind und sich Jesslynn mit ihrer Großmutter, der früheren holländischen Nationalspielerin Winniefred Polman, zum Einkaufen verabschiedet. Neun Wegbegleiter aus van der Vaarts Karriere werden ihm im Laufe des Gesprächs, das am Ende mehr als eine Stunde dauern soll, ganz persönliche Grußbotschaften ausrichten und Fragen zu seiner langen Karriere stellen.
Schon bei der ersten Nachricht durch den früheren HSV-Stadionsprecher Lotto King Karl wird van der Vaart melancholisch. „Ich finde es so schade, dass er nicht mehr im Stadion singen darf. Für mich war das immer eines der Highlights. Man hat die Emotionen im Stadion gespürt.“
Thomas Doll erinnert an härteste Vorbereitung
Sechs Jahre lang spielte van der Vaart für den HSV. Zum ersten Mal von 2005 bis 2008. Es waren die Jahre, mit denen viele HSV-Fans die letzte große Zeit verbinden, als die Hamburger noch in der Champions League spielten und van der Vaart mit seinen Traumtoren begeisterte. 2012 kehrte der Holländer zum HSV zurück und blieb bis 2015.
Es war die Zeit, als sich der Club Jahr für Jahr dem Abstieg näherte und sich van der Vaart Saison für Saison von seiner früheren Form entfernte. Trotzdem ist er bis heute der letzte internationale Topstar, der für den HSV spielte. Mit seinen Toren und seinen Frauen bestimmte er in Hamburg die Boulevard-Schlagzeilen.
Heute lebt er in Esbjerg ein ganz normales Leben. Seine Wohnung liegt mitten in der Fußgängerzone. Am Hausschild stehen die Namen. Polmann und van der Vaart. In Hamburg wäre das undenkbar. In Esbjerg ist das kein Problem. „Ich genieße es, hier auf der Straße ohne Cappy herumzulaufen. Das andere habe ich nie gebraucht. Natürlich was es toll, wenn die Leute glücklich waren und dich als Fußballer geliebt haben. Aber ich vermisse dieses Leben nicht. Es war auch nicht immer einfach.“
Van der Vaart erinnert sich an jedes Tor
In van der Vaarts Wohnung liegen überall Spielsachen, die meisten in Rosa. Es wird schnell klar, wer hier seinen Alltag bestimmt. „Meine kleine Prinzessin hält mich fit.“ An den Wänden hängen viele Bilder. Alle zeigen ihn mit seiner Freundin oder seinen Kindern. Kein einziges aus seiner Zeit als Fußballer beim HSV, Real Madrid, Ajax Amsterdam, Tottenham Hotspur oder der niederländischen Nationalmannschaft, für die er 109 Länderspiele machte.
„Ich lebe nicht in der Vergangenheit. Mein Leben ist jetzt ein anderes. Im Kopf ist das alles drin. Aber ich bin nicht der Typ, der mit dem Laptop hier sitzt und sich seine eigenen YouTube-Highlights anguckt.“
Dass van der Vaart noch jedes einzelne Tor seiner Karriere erinnert, wird klar, als das Abendblatt ihm einen Originalkommentar vorspielt. „20 Meter, halbrechte Position, wie gemalt für ihn“, sagt der Kommentator. „Bielefeld“, antwortet van der Vaart in Sekundenschnelle. „Das habe ich an der Atmosphäre erkannt.“
Van der Vaart: „Das Spiel war scheiße"
Es war im August 2005, Bielefelder Alm, sein erstes Bundesligator für den HSV. Ein Freistoß. „Wir haben 1:0 geführt. Elfmeter Barbarez. Dann kommt ein langer Ball auf Jarolim. Er hat wie immer eine Schwalbe gemacht (lacht). Es war die letzte Minute. Bielefelds Zehner Fatmir Vata stand auf der Linie. Der Ball ging über ihn hinweg. Weißt du nicht mehr, oder?“
Der Torschütze weiß es noch genau. Es war der Moment, als van der Vaart beim HSV in Fahrt kam. Für fünf Millionen Euro hatte ihn Dietmar Beiersdorfer im Sommer aus Amsterdam geholt. Ein echter Transfercoup, der in Holland für großes Unverständnis sorgte. Van der Vaart galt als kommender Superstar. Und so einer geht zum HSV? Auch der Ajax-Spielmacher selbst konnte sich einen Wechsel nach Hamburg zunächst nicht vorstellen.
„Als mein damaliger Berater Sören Lerby mir erzählte, dass sich Beiersdorfer gemeldet hat, habe ich nur gesagt: Ich gehe doch nicht zum HSV. Dann sind wir nach Hamburg gefahren, Heimspiel gegen Mönchengladbach. 0:0. Das Spiel war scheiße, aber das Stadion war super. Da habe ich schon gemerkt, dass der HSV eine Möglichkeit sein kann. Dann habe ich Thomas Doll getroffen. Er hatte so viel Energie. Er hat mich begeistert. Für mich gab es danach nur eine Antwort. Ich wollte für diesen Trainer spielen.“
Als dann auch noch die Frau des damaligen Clubchefs Bernd Hoffmann seine damalige Frau Sylvie Meis bei einer Shoppingtour von einem Umzug nach Hamburg überzeugte, war der Wechsel perfekt. „Wir haben die Stadt von Anfang an geliebt. Hamburg war ein Paradies. Für mich ist sie immer noch die schönste Stadt der Welt.“
Weniger gute Erinnerungen hat van der Vaart an seine erste Vorbereitung beim HSV. „Erzähl‘ doch mal von den Sprüchen, die du dir damals anhören musstest“, sagt Thomas Doll 15 Jahre später in seiner Sprachnachricht an seinen einstigen Mittelfeldregisseur.
Als der HSV dank van der Vaart in München gewann
Van der Vaart verzieht noch heute das Gesicht, wenn er an seine ersten Leiden in Deutschland denkt. „Die Vorbereitung war ein Albtraum, eine Strafe. Ich bin in Holland mit dem Ball aufgewachsen. Nach zehn Tagen habe ich gefragt: Gibt es hier auch Bälle? Khalid Boulahrouz hat sich totgelacht. Ich war schlank, aber die Deutschen haben alle ausgesehen wie Maschinen. Ich war so eine Vorbereitung nicht gewohnt. In dem Moment habe ich Fußball gehasst, ich habe Thomas gehasst, ich habe Deutschland gehasst. Godverdomme“, sagt van der Vaart. Gottverdammt. „Aber vielleicht war das mein wichtigstes Jahr. Genau das habe ich gebraucht, um ein Topspieler zu werden.“
48 Tore machte der Linksfuß in seinen ersten drei Jahren in allen Wettbewerben für den HSV. Nach seinem schönsten in dieser Zeit fragt ihn im Podcast sein Landsmann und zweiter Trainer in Hamburg, Huub Stevens. Und auch da muss van der Vaart nicht lange überlegen. Münchner Allianz Arena, 28. April 2007. Der HSV kämpft noch um den Klassenerhalt und liegt bei den Bayern 0:1 zurück. Auch diesen Moment hat van der Vaart noch genau vor Augen.
„71. Minute, 22 Meter vor dem Tor. „Es war gefühlt 40 Grad heiß. Sorin spielt mich an. Eigentlich eine schlechte Ballannahme für meine Qualität(lacht). Aber ich treffe den Ball perfekt, er geht genau in den Winkel. Dass Oliver Kahn im Tor stand, macht es natürlich noch schöner. Es war unfassbar. Am Ende hatten wir das zweite Mal in Folge in München gewonnen.“
Van der Vaarts besondere Beziehung zu Labbadia
Als van der Vaart 2012 von Tottenham Hotspur für eine Ablöse von 13 Millionen Euro zum HSV zurückkommt, sollten die Spiele bei den Bayern anders ausgehen. 2:9. 1:3. 0:8. Hätte der HSV im April 2015 nicht Bruno Labbadia geholt, er wäre wahrscheinlich schon drei Jahre früher abgestiegen. „Bruno war genau der richtige Mann in diesem Moment. Er war sehr ehrlich zu uns. Auch zu mir.“
Zusammen fahren sie zweimal nach Malente ins etwas andere Kurztrainingslager. Luftgewehrschießen. Kanufahren auf dem Kellersee. Lagerfeuer. Labbadia versucht alles, um die Mannschaft wieder zusammenzubringen.
Die Entscheidung über den Klassenerhalt fällt im Relegationsrückspiel in Karlsruhe. Kurz vor Schluss steht es 1:0 für den KSC. Im Wildpark bereiten sich die Zuschauer auf die Aufstiegsparty vor. Van der Vaart steht auf dem Rasen und guckt auf die Ränge. „Als ich die Polizei im Fanblock gesehen habe, dachte ich: Oh, scheiße, kommen wir hier wieder heil raus? Wir waren so dominant, haben mit viel Eiern gespielt, der Druck war unheimlich groß. Ich hatte das Gefühl, alles zu verlieren. Ich wäre schuld gewesen.“
Hat Díaz wirklich gesagt „tomorrow my friend“?
In der 90. Minute pfeift Manuel Gräfe einen umstrittenen Freistoß nach einem Handspiel von Jonas Meffert. Van der Vaart und Marcelo Díaz stehen bereit. Alle rechnen mit van der Vaart. Doch Díaz schießt. Und trifft. Der HSV rettet sich in die Verlängerung. Und gewinnt am Ende durch das Tor von Nicolai Müller.
Die berühmte Geschichte um den Freistoß begleitet van der Vaart noch heute. „Stimmt es wirklich, dass Marcelo Díaz zu dir gesagt hat „tomorrow my friend“?“, will Labbadia fünf Jahre später in seiner Podcast-Frage wissen. „Das habe ich dich noch nie gefragt. Ich will das jetzt unbedingt wissen nach so vielen Jahren.“ Die angebliche Pointe von 2015 gehört nicht zu van der Vaarts Lieblingsgeschichten. Schon häufiger hat er etwas dazu gesagt.
So deutlich wie an diesem Tag wurde er aber bislang nicht. „Marcelo hat es nicht gesagt. Er war schließlich ein respektvoller Mensch. Es war schon respektlos genug, dass er den Freistoß geschossen hat“, sagt van der Vaart und lacht. „Es ist eine schöne Geschichte. Die soll auch so bleiben. Und am Ende bin ich ihm ewig dankbar. Wahrscheinlich hätte ich ihn nicht gemacht.“
Als Labbadia van der Vaart fast das Bein brach
Nach dem Schlusspfiff rennt Labbadia auf den Rasen und will van der Vaart in die Arme springen. Doch der Trainer rutscht aus und grätscht seinem Kapitän in die Knöchel. Dann liegen sie übereinander auf dem Rasen. „Er hätte mir auch das Bein brechen können, das wäre egal gewesen in dem Moment. Am Ende haben wir alle geweint. Es war eine geile Nacht, ein geiler Morgen. Ich war so betrunken, ich weiß gar nicht mehr, wo wir geendet sind.“
Die Antwort: Bei Erikas Eck. Um 5.30 Uhr morgens saß van der Vaart mit Mediendirektor Jörn Wolf, Labbadia, Beiersdorfer und deren Frauen bei Schnitzel und Bratkartoffeln in der Schanzenkneipe. Es war das Ende einer langen, unvergesslichen Nacht.
Van der Vaart über seinen Trikot-Skandal
Wenn van der Vaart heute über das emotionalste Spiel seiner Karriere spricht, denkt er aber an einen anderen HSV-Moment. Es war das Spiel eins nach seinem versuchten Wechsel zum FC Valencia, den er 2007 mit der legendären Trikot-Präsentation provozieren wollte. Der Transfer scheiterte, und van der Vaart wurde bei den Fans zu „van der Verrat“.
Am zweiten Spieltag steht er gegen Bayer Leverkusen aber wieder für den HSV auf dem Platz. „An diesem Tag kam alles zusammen. Die Fans haben mich gehasst. Die Wut war groß. Zu Recht. Ich hatte etwas Blödes gemacht. Dann kommt der Elfmeter. Bis dahin habe ich ein super Spiel gemacht.“
Van der Vaart sollte später erzählen, dass er den Elfmeter für einen Moment am liebsten auf die Nordtribüne geschossen hätte, dann aber an seinen Sohn Damian gedacht habe. Also schoss er den Elfer ins Tor, Bayer-Keeper René Adler, der später beim HSV sein Mitspieler wurde, hatte keine Chance. „Danach haben mich wieder alle geliebt. Ich war jung und dumm.
Aber das gehört dazu, solche Tiefpunkte muss man erlebt haben.“
Van der Vaart: Family first
Im Hintergrund ist zu hören, wie seine Tochter Jesslynn und ihre Großmutter Winniefred vom Einkaufen zurückkommen und sich in das Spielzimmer zurückziehen.
Van der Vaarts Leben hier in Esbjerg dreht sich heute fast ausschließlich um die Familie. Seine Freundin Estavana ist niederländische Handball-Nationalspielerin. Seit 2013 spielt sie für Esbjerg. Ihretwegen ist er nach Dänemark gezogen. Vor vier Wochen hat sich Estavana das Kreuzband gerissen. Van der Vaart ist jetzt ihr Fahrer.
Auch seinen Sohn Damian bringt er mehrmals die Woche zum Training. Er spielt jetzt in der U 15 von Esbjerg fB. Dem Verein, bei dem er selbst im November 2018 im Alter von 35 Jahren seine lange Karriere beendete. „Ich gucke jedes Training von Damian. Ich habe so viele Jahre verpasst. Das hat oft wehgetan. Jetzt hole ich das alles nach und genieße es unglaublich. Ich bin sehr stolz auf ihn“, sagt van der Vaart senior.
Welchen Weg schlägt van der Vaarts Sohn Damian ein?
In Hamburg stand Damian fast schon ähnlich unter Beobachtung wie sein berühmter Vater. Ob er es auch einmal in den Profifußball schafft, ist für den Papa nicht wichtig. Als ihn sein ehemaliger HSV-Kollege Collin Benjamin im Podcast fragt, für welchen Verein sich Damian bei zwei Angeboten von Betis und dem FC Sevilla entscheiden sollte, bleibt er daher auch ganz gelassen.
„Jeder fragt nach Damian. Er hatte schon so viel Druck. Ich lasse ihn daher total frei in seiner Entscheidung. Wenn er morgen kommt und sagt, er hört auf, dann ist das auch prima. Aber er hat so viel Spaß, deswegen bin ich froh, dass er jetzt hier ist. Hier kann er ganz ungestört an sich arbeiten. Und wenn er irgendwann wieder in Hamburg beim SC Victoria spielt, werde ich auch jedes Spiel gucken. Hauptsache, Damian ist glücklich.“
Van der Vaart selbst wurde als Fußballer nicht mehr richtig glücklich, nachdem er den HSV 2015 Richtung Betis Sevilla verlassen hatte. Nur noch 33 Spiele machte er in drei Jahren für die Spanier sowie die dänischen Clubs FC Midtjylland und Esbjerg fB. Der Körper wollte nicht mehr so, wie er es 2005 nach der Vorbereitung mit Thomas Doll noch konnte.
„Es ging nicht mehr, mein Kopf war nicht mehr frei. Es war auch nicht mehr meine Zeit des Fußballs, nicht mehr mein Stil. Das Wichtigste ist, dass du im Kopf bereit bist aufzuhören. Man muss einfach akzeptieren, dass es vorbei ist, und einen Schlussstrich ziehen.“
Van der Vaart: Ärger mit dem HSV verflogen
Als Dennis Aogo in seiner Sprachnachricht fragt, was er ihm denn für die Zeit nach dem Karriereende empfehlen würde, um fit zu bleiben, antwortet van der Vaart ehrlich. „Ich habe vom einen auf den anderen Tag nicht mehr trainiert. Ich genieße jetzt andere Sachen. Wenn ich jetzt noch spiele, dann nur noch aus Spaß am Spiel.“
Van der Vaart läuft jetzt noch ab und an für die Alten Herren von Esbjerg auf. Training gibt es keines. Getroffen wird sich eine Viertelstunde vor dem Spiel. Danach wird in geselliger Runde zusammen getrunken. Seine Jeans von früher, auf die ihn René Adler in seiner Frage anspricht, passt ihm schon lange nicht mehr. „Die trägt jetzt Damian“, sagt er im Spaß. Und im Ernst: „Du darfst nicht mehr denken, dass du noch der Rafael von früher bist.“
Vor einem Jahr standen Damian und Rafael im Volksparkstadion zum ersten Mal gemeinsam vor Zuschauern auf dem Platz. Es war sein letzter großer Auftritt vor den HSV-Fans bei seinem Abschiedsspiel in Hamburg. Rund 30.000 Fans waren gekommen. Van der Vaart ist noch etwas enttäuscht vom HSV, der ihn in den Wochen vor dem Spiel nicht unterstützen wollte. Doch der Ärger ist verraucht. „Der HSV wird immer in meinem Herzen sein“, sagt van der Vaart.
Kontakt hält er beim HSV nur noch mit seinem Landsmann Rick van Drongelen. Der Innenverteidiger will in seiner Podcast-Frage wissen, wer der beste holländische Fußballer aller Zeiten sei. Für van der Vaart gibt es nur eine Antwort: Johan Cruyff. „Er war der Größte.“ Auch wenn dieser damals seinen Wechsel zum HSV öffentlich kritisierte.
Van der Vaart setzt auf Hrubesch beim HSV
Den Hamburger Weg verfolgt van der Vaart in Esbjerg noch genau. Die Idee, mehr Wert auf die Entwicklung eigener Talente zu legen, gefällt ihm.
„Wenn der HSV den Weg geht, den ich mir erhoffe, mit jungen Spielern, dann ist er spätestens in drei Jahren wieder da, wo er hingehört. Es nervt mich, dass es kaum Talente aus der eigenen Jugend schaffen. Mit Horst Hrubesch hat man nun einen sehr guten Mann. Er kann sehr wichtig sein. Beim HSV hast du schnell das Gefühl, dass du der beste Spieler der Welt bist. Daher brauchst du jemanden, der mit den Jungs redet und sie an die tägliche Arbeit erinnert. Ich hatte das Glück, dass meine Eltern mich auf dem Boden gehalten haben.“
Van der Vaart hat Trainerpläne verworfen
Zum Abschluss des Gesprächs darf sich van der Vaart daher auch über eine Nachricht seines Vaters freuen. „Ich bin sehr stolz auf dich und deine erstaunliche Karriere“, sagt Ramon van der Vaart in einer persönlichen Botschaft und stellt ihm die Frage nach der schönsten gemeinsamen Erinnerung in ihrer Fußballzeit. Rafael muss nicht lange nachdenken, als ihm die Nachricht auf dem Handy vorgespielt wird. Er erinnert sich sofort an den Moment, als sein Fußballstern in Amsterdam aufging.
Die van der Vaarts wohnten damals in einfachen Verhältnissen in einem Wohnwagenpark. Mama Lolita, Papa Ramon, Rafael und sein jüngerer Bruder Fernando. Rafael war 17 Jahre alt und spielte in der A-Jugend von Ajax Amsterdam, als ihn im April 2000 sein Trainer John van ’t Schip zu sich bat und ihm mitteilte, dass er bei den Profis trainieren und zwei Tage später von Anfang an spielen werde.
20 Jahre ist das mittlerweile her. Wenn Rafael van der Vaart von dieser Erinnerung spricht, könnte man meinen, es wäre gestern gewesen. „Ich habe sofort meinen Vater angerufen und ihm gesagt: Papa, ich werde für die Profis spielen. Da war Stille in der Leitung. Mit einem Mal wurde der große Traum wahr. Für den Vater und für den Sohn.“
Als van der Vaart sein schönstes Tor schoss
Fünf Jahre spielte van der Vaart für Ajax. In der Amsterdam-Arena schoss er 2003 gegen Feyenoord Rotterdam das „schönste Tor seiner Karriere“. Mit der Hacke im Fallen. „Das Tor ging um die Welt. Es war das einzige Tor, bei dem ich sofort wusste, dass ich so eines in meinem Leben nie wieder schießen werde.“ Und er sollte noch viele schöne Tore schießen. Immer mit einer Mission im Kopf: „Für mich war es immer das Wichtigste, meine Familie stolz zu machen.“
Heute ist van der Vaart selbst stolzer Familienvater. Das Podcast-Gespräch ist bereits vorbei, als er mit seiner Tasse Kaffee auf der Terrasse sitzt und auf die Nordsee blickt. Er erinnert sich gerne an die alten Zeiten. Sein neues Leben ist ein anderes. „Ich bin glücklich mit dem, was ich jetzt mache“, sagt er. Sein Job als TV-Experte in Holland reicht ihm. Die Idee, Trainer zu werden, verfolgt er nicht mehr. „Fußball ist für mich Unterhaltung. Ich spiele lieber 3:3 als 0:0. Daher wäre ich ein ganz schlechter Trainer.“
Stattdessen trainiert er jetzt so oft es geht mit Damian. Und geht seinen neuen Pflichten als Hausmann nach. „Ich muss heute noch kochen“, sagt van der Vaart. Lachs im Ofen gehört zu seinem Repertoire. Oder der typische niederländische Brei. Den isst auch die kleine Jesslynn gerne. Und geht es nach Estavana, ist die Familienplanung noch nicht abgeschlossen. „Sie ist noch jung und will gerne noch ein zweites Kind. Sie hat ja jetzt erst einmal viel Zeit. Vielleicht wäre das ein guter Zeitpunkt.“
Da ist es wieder, van der Vaarts schelmisches Grinsen. Dann steht er auf und zieht sich die Schuhe an. „Estavana wartet schon beim Friseur auf mich.“ Und Damian muss er auch noch aus der Esbjerg International School abholen. „Tschüs“, sagt van der Vaart zum Abschluss. „Und grüß mir mein Hamburg.“