Hamburg. Gerhard Delling verdankte seinen Durchbruch Ernst Happel. Die Zukunft des HSV sieht er kritisch, vor allem die Situation im Vorstand.

Gerhard Delling stand in der Spielwarenabteilung eines Kaufhauses im Wandsbeker Quarree, als er seine erste Begegnung mit dem HSV hatte. Sieben Jahre war er damals alt, und zwei Spielzeugautos hielt er in den Händen. Delling, der mit seinen Großeltern aus Büdelsdorf nach Hamburg gefahren war, konnte sich nicht entscheiden, welches er nehmen sollte. Doch dann stand plötzlich Uwe Seeler neben ihm. Seine Großmutter überzeugte ihn, den damaligen Nationalspieler und HSV-Stürmer anzusprechen.

„Uwe war ein Superstar, und ich war ziemlich scheu. Er hat aber ganz freundlich und offen reagiert und mir bei der Entscheidung geholfen“, sagt Delling, als er rund 55 Jahre später in der Abendblatt-Redaktion sitzt und im Podcast HSV – wir müssen reden über seinen langjährigen Lieblingsverein spricht. „Uwe hat mich mit seiner Art begeistert. Ich bin sicher, dass man so auch heute noch den Nachwuchs begeistern kann.“

Delling und Netzer – ein unvergessliches Duo

Delling, 61 Jahre alt und mittlerweile „pensionierter“ ARD-Moderator, sollte Jahre später an der Seite von Seelers Nationalelfkollegen Günter Netzer selbst zu einem TV-Star aufsteigen. 13 Jahre lang prägten die beiden im Ersten die Berichterstattung rund um die deutsche Fußball-Nationalmannschaft und schrieben mit ihrer preisgekrönten Moderation deutsche Fernsehgeschichte (sehen Sie hier ein Best of von Delling und Netzer bei YouTube).

„Es ist eine Auszeichnung, dass die Menschen das in guter Erinnerung haben“, sagt Delling, der vor einem Jahr im NDR-Sportclub seine letzte Sportsendung moderierte, als er den damaligen HSV-Trainer Hannes Wolf interviewte.

Wie der HSV Delling zu seinem Durchbruch verhalf

Dass Delling beim NDR einst der Durchbruch gelang, hatte schon damals mit dem HSV zu tun. Und eben auch mit Netzer. Der war Anfang der 80er-Jahre HSV-Manager und hatte auf Gespräche mit Journalisten ebenso wenig Lust wie Trainer Ernst Happel. Delling wurde im Oktober 1981 beim Spitzenspiel HSV gegen Bayern München als junger Reporter für Welle Nord vom NDR-2-Chef Armin Hauffe beauftragt, vor dem Spiel ein Interview mit Happel zu führen – eigentlich eine unmögliche Mission.

„Ich wusste, dass Happel knorrig war. Aber ich wusste nicht, dass er es abgelehnt hatte, überhaupt mit Journalisten zu sprechen“, erinnert sich Delling. Als er dann auf der Aschebahn stand, sich bei Happel vorstellte und von den Kollegen mit entsetzten Blicken beobachtet wurde, musterte Happel den jungen Delling von der Fußspitze bis zum Scheitel. Dann sagte der Österreicher: „Was wolln se wissen?“

Gerhard Delling (61) im Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“.
Gerhard Delling (61) im Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“. © HA | Marcelo Hernandez

Delling lacht noch heute, wenn er an den Moment zurückdenkt. „Happel muss gedacht haben, dem jungen Elend muss man helfen.“ Und das tat Happel. „Er hat mich in den Arm genommen, mir die Aufstellung verraten und erklärt, warum Franz Beckenbauer nicht spielt.“ Delling ging zurück zu seinem Chef und gab die Informationen weiter. „Er hat sich halb totgelacht. Aber dann merkte er, dass ich recht hatte. Damit war ich beim NDR ein gemachter Mann.“

Delling über den HSV: „Ein Dilemma“

Heute kümmert sich Delling um verschiedene Projekte. Er hat gerade seinen ersten Roman fertig geschrieben, mit seinem Schwager ein umweltfreundliches Reinigungsmittel auf den Markt gebracht und als Supervisor für den Bastian-Schweinsteiger-Film gearbeitet. Für seine wöchentliche Kolumne, die er aus Heimatverbundenheit für den Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag schreibt, beobachtet er aber auch immer noch das Geschehen rund um den HSV.

„Es ist ein Dilemma“, sagt Delling gleich, als es um die aktuelle Situation geht. „Ich habe den Abstieg schon als großen Verlust empfunden. Dass er jetzt erneut nicht aufgestiegen ist, empfinde ich als genauso schlimm“, sagt Delling, der als Kind zum HSV-Fan wurde. In Rendsburg wurde er geboren, in Büdelsdorf wuchs er auf. „Wenn hier im Norden etwas mit Fußball zu tun hatte, dann war es der HSV“, sagt Delling.

Mit 15 ging er das erste Mal ins Volksparkstadion. Hamburg gewann im November 1975 gegen Hertha mit viel Mühe 2:1. „Hinterher haben die Zuschauer ihre Sitzkissen auf den Rasen geschmissen. Aus Enttäuschung“, erinnert sich Delling. „So haben sich die Zeiten verändert.“

Delling: Jansen ist der wichtigste HSV-Mann

Der TV-Journalist ist heute nicht mehr Fan, sondern kritischer Beobachter des HSV. Delling wünscht sich im Volkspark eine neue Vision. „Der HSV braucht ein Leitbild, das von innen heraus kommt und nicht von einer externen Agentur gemacht wird. Es muss das oberste Ziel sein, eine eigene Identität zu schärfen.“

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Diese Aufgabe liege nun vor allem bei einem Mann: „Der wichtigste Mann beim HSV ist Marcell Jansen. Er ist der letzte Verbliebene, der mit ein wenig Macht ausgestattet ist“, sagt Delling über den Präsidenten und Aufsichtsratsvorsitzenden, der im Hintergrund gerade mit seinen Kollegen drüber debattiert, ob neben Frank Wettstein (Finanzen) und Jonas Boldt (Sport) ein weiterer Vorstand berufen wird.

Nicht nur Delling, auch HSV-Idol Uwe Seeler (r.) setzt auf den Präsidenten und Aufsichtsratschef Marcell Jansen.
Nicht nur Delling, auch HSV-Idol Uwe Seeler (r.) setzt auf den Präsidenten und Aufsichtsratschef Marcell Jansen. © WITTERS | Valeria Witters

Delling hat dazu eine klare Meinung. „Ich kann nicht verstehen, dass es keinen Vorstandsvorsitzenden gibt. In dieser Phase muss jemand da sein, der eine Vision entwickelt und den Leuten klarmacht, dass es sich lohnt, weiter ins Stadion zu gehen und in den HSV zu investieren.“

Was Delling über HSV-Investor Kühne sagt

Delling sieht in Hamburg weiterhin großes Potenzial, Finanzpartner zu finden. Nach dem Rückzug von Trikotsponsor Emirates und Stadionsponsor Klaus-Michael Kühne brauche der Club Führungspersönlichkeiten, die begeistern können. „Der HSV ist eine große, tolle Marke. Es sind Möglichkeiten da. Ich bin mir sicher, dass auch Herr Kühne sofort wieder einsteigen und mitmachen würde. Man braucht jetzt einen klaren Plan.“

Während der HSV angesichts der wirtschaftlichen Probleme einen neuen Kurs einschlagen und vermehrt auf junge Spieler setzen will, glaubt Delling an einen anderen Weg. „Man braucht auch Leute mit Namen, um große Ziele zu erreichen. Das wächst nicht aus einer jungen Mannschaft heraus.“ Der ganze Club müsse ein viel größeres Selbstbewusstsein vermitteln. „Dieses Selbstbewusstsein muss man bis in den kleinsten Verteidiger der E-Jugend reinbekommen.“

Delling ist bei Thioune skeptisch

Ob der neue Trainer Daniel Thioune der Mann sein kann, der beim HSV eine neue Mentalität entwickeln kann, will Delling noch nicht beurteilen. Noch überwiegt bei ihm die Skepsis. „Wenn man sich einen Trainer holt, der diese Situation noch nicht kennt, ist das ein Vabanque-Spiel. Das kann gut gehen und geht hoffentlich gut, muss aber nicht.“

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Delling wird den HSV auch ohne seine Arbeit als Sportmoderator weiter beobachten. Mit Uwe Seeler verbindet ihn nicht nur die erste Begegnung im Wandsbeker Quarree, sondern auch seine Arbeit als Vorstand in der Uwe-Seeler-Stiftung, zusammen mit dem früheren Aufsichtsratschef Udo Bandow und Ex-HSV-Torhüter Frank Rost.

„Der Anfang ist immer die Arbeit“, sagt Delling zum Abschluss. Das gilt für seine neuen Projekte – und eben auch für den Neustart seines HSV.