Hamburg. Mit der 5,5 Millionen Euro teuren Yacht will der Hamburger Segler Boris Herrmann allein um die Welt. Das Abendblatt durfte an Bord.
Kaum hörbar wird das große dunkle Vorsegel abgerollt, ein leichter Ostwind vor der Elbphilharmonie lässt es leicht flattern, dann zieht der Wind an und die 18 Meter lange Hightechyacht „Malizia“ schiebt sich merklich voran. Skipper Boris Herrmann dreht sich kurz um und deutet auf die HafenCity: „Dahinten“, sagt er, „dahinten wohne ich“.
Der 37 Jahre alte Hamburger gilt als der derzeit wohl beste deutsche Hochsee-Sportler und ist sonst gut 100 Tage im Jahr weltweit unterwegs, um bei Regatten zu segeln. Doch diesmal ist er mit einer solchen Rennmaschine praktisch nach Hause gekommen, weil die große Atlantik-Regatta des Norddeutschen Regattavereins (NRV) zum 150. Jubiläum des Vereins in Hamburg endete. Die „Malizia“ war das erste Schiff, das die Ziellinie erreichte, nur zehn Tage nach dem Start in der Karibik. „Ein wunderbares Gefühl, dieses Schiff jetzt einmal zu Hause zeigen zu können“, sagt Herrmann, während die Landungsbrücken an dem Boot vorbeiziehen, das nahezu vollständig aus sehr leichtem aber hochfestem Carbon besteht.
5,5 Millionen Euro kostet das Yacht-Unikat
Ein Schiff, das nur für die härtesten Hochseeregatten gebaut wurde und schneller segelt als viele große Frachtschiffe fahren. Gut 5,5 Millionen Euro kostet ein solches Unikat, sagt Herrmann, der die Zeit mit solchen Fahrten vor der Hamburger Skyline auch nutzt, um auf sein wohl größtes Projekt aufmerksam zu machen und weitere Unterstützer zu finden: Herrmann will als erster Deutscher an einer legendären Vendée Globe teilnehmen, die wieder im November 2020 startet und vorwiegend in den einsamen Südmeeren um die Welt führt.
Völlig allein rasen die Hochsee-Athleten dabei in weniger als 100 Tagen um die Erde, als die härteste Regatta der Welt wird dieses Rennen auch bezeichnet, das bisher nur Franzosen gewonnen haben. „Man spricht auch vom Mount Everest der Meere“, sagt Herrmann und man sieht an seinen Gesichtszügen den Respekt, den er davor hat. Viele Rennen sind es bis dahin in der Vorbereitungszeit, mal mit Crew und mal alleine über den Atlantik. Alles sozusagen Gipfeltouren in den Alpen, um sich auf den Berg aller Berge vorzubereiten.
Doch wie lebt man auf einem solchen Rennschiff, was macht es sicher, wie schläft man, wenn man allein ist und wie hält es Herrmann mit der Angst? Das alles will er heute seinen Gästen bei einem Probeschlag mitten im Hafen zeigen: Der Blick ins Cockpit, auf seinen „Arbeitsplatz“ bietet zunächst einen verwirrenden Anblick voller Leinen und Rollen, mit denen Herrmann die bis zu 600 Quadratmeter große Segelfläche bedienen kann. Einer Fläche, die heute gut zwei Reihenhausgrundstücken entspricht. Leichte Werkstoffe, ein drehbarer Mast und aufgerollte Segel machen die Bedienung durch einen Segler aber möglich.
Der eigentliche technische Clou befindet sich indes am Rumpf. Zum einen kann Herrmann den Kiel des Bootes unter Wasser schwenken, sodass er noch besser als Gegenwicht zu nutzten und damit mehr Segelfläche als üblich zu tragen ist. Und dann sind da noch zwei seitliche, kleine rote Tragflügel, die eine solche Yacht ab einer gewissen Geschwindigkeit regelrecht etwas aus dem Wasser hebeln, wodurch weniger Rumpf im Wasser und das Schiff noch einmal schneller ist. Gut 35 Knoten (ca. 65 km/h) kann er so bei optimalen Bedingungen erreichen. Ein normaler Fahrtensegler spricht indes noch Wochen davon, wenn er mal mehr als zehn Knoten segeln konnte.
Mischung aus Teenagerbude und Raumschiff
Unter Deck hingegen ist nichts, aber auch gar nichts von der Gemütlichkeit gediegener Fahrtenschiffe zu sehen. Ein wenig sieht es dort aus wie eine Mischung aus Teenagerbude und Raumschiff: Ein im Seegang schwenkbarer Stuhl ist das Esszimmer, eine schmale wie eine Schaukel aufgehängte Koje das „Schlafzimmer“. Aber geschlafen wird auf einer Regatta nur kurz. „Vielleicht 15 Minuten am Stück, immer mal wieder“, so Herrmann. Auch der Rest unter Deck ist spartanisch und völlig offen, man krabbelt über Kabelschächte unzählige Segelsäcke und Ausrüstung.
Ein kleiner Gaskocher ist alles, was die Küche hergibt. „Mehr als Camping ist das nicht hier“, sagt Herrmann und grinst. Diese Sparsamkeit steht im völligen Gegensatz zu den Kosten eines solchen Rennens. Die jahrelange Vorbereitung nennt sich „Kampagne“ und kostet gut eine Million Euro im Jahr. Unterstützt wird Herrmann von Sponsoren und dem Yacht Club de Monaco und dort speziell vom Vizepräsidenten Pierre Casiraghi, dem Sohn von Prinzessin Caroline.
Und wie schafft er das mit der Einsamkeit auf See? Herrmann grinst. „Ich bereite mich mental darauf vor und außerdem habe ich Internet an Bord.“ Das reicht dann, um sich mit Face-Time bei der Freundin in Hamburg zu melden. Und Angst? „Ich fühle mich sehr sicher, habe viel trainiert und bereite mich mental mit einem Coach darauf vor“, sagt er. Das Schiff sei sehr seetüchtig, habe Schaumkerne und schwimme auch dann noch, wenn es völlig unter Wasser stehen würde, „Wovor ich wirklich Angst habe, ist etwas anderes“, sagt er nach einer Weile. „Davor, dass das Schiff irgendwie kaputtgeht, ich einen Fehler gemacht habe und die jahrelange Vorbereitung auf einen Schlag zunichte ist.“