Hamburg. In der Studentischen Poliklinik im CaFée mit Herz bieten angehende Ärzte kostenlose Beratung für Bedürftige an.
Es ist eine ganz besondere Sprechstunde, freitags im CaFée mit Herz an der Seewartenstraße. Die Patienten: Obdachlose, Geflüchtete, Abhängige – allesamt Kranke ohne Versicherung. Die (angehenden) Ärzte: Studierende der Asklepios Medical School, wie Anna Schuster und Sebastian Apweiler.
Beide sind zu Gast in einer Spezial-Folge der „Digitalen Sprechstunde“, dem Podcast von Hamburger Abendblatt und Asklepios, in der es, so kurz vor Weihnachten, ausnahmsweise einmal nicht um ein konkretes Krankheitsbild geht, sondern um die Medizin und die Ärzte von morgen. „Niemand von uns geht nach den zwei Stunden in der Studentischen Poliklinik wieder so raus, wie er ins CaFée mit Herz reingegangen ist“, sagt Anna Schuster. Man lerne Demut und Dankbarkeit. Und viel über das Schicksal der Patienten.
Patienten im CaFée mit Herz kommen aus 33 Nationen
„Einer ist gerade aus dem Gefängnis entlassen worden, hat noch überhaupt keine sozialen Kontakte in Freiheit“, erzählt Sebastian Apweiler. Andere sprächen kaum Deutsch. Aus 33 Nationen, das haben die Studierenden gerade erhoben, kommen ihre Patienten, viele aus den Staaten Osteuropas. „Durch die Sprachbarriere ist das Gespräch oft schwierig, aber wir nehmen uns Zeit, locker 20 Minuten pro Patient“, sagt Sebastian Apweiler. „Das kann ein Hausarzt beim besten Willen nicht leisten.“
Der Podcast
- „Die digitale Sprechstunde“ ist die Gesundheits-Gesprächsreihe von Hamburger Abendblatt und Asklepios. Jede Woche erklärt ein Experte im Gespräch mit Vanessa Seifert ein Krankheitsbild. Diese Folge und jede weitere Episode hören Sie auf www.abendblatt.de/digitale-sprechstunde/
- In der nächsten Folge klärt Prof. Dr. Jens Eduard Meyer, Chefarzt für HNO-Heilkunde an der Asklepios Klinik St. Georg, über Mund-Rachen-Krebs auf.
- Anregungen? Schreiben Sie an sprechstunde@abendblatt.de
Vor ihrem ersten Einsatz sei sie schon ein bisschen aufgeregt gewesen, gibt Anna Schuster zu. „Weil es Menschen sind, die man zwar auf der Straße sieht, mit denen man im Alltag aber sonst kaum Berührungspunkte hat.“ Die Erkrankungen seien die gleichen wie in jeder anderen Praxis. „Jetzt in der kalten Jahreszeit kommen viele mit Erkältungs- und Grippesymptomen zu uns“, sagt die 23-Jährige, die sich gut vorstellen kann, später einmal als niedergelassene Hausärztin zu praktizieren.
Allerdings könne es für einen Obdachlosen eben schnell lebensgefährlich werden, wenn sich eine Lungenentzündung entwickle. „Insofern fragen wir dann schon: Wo schläfst du heute Nacht? Und wenn zum Beispiel dringend ein Bett gebraucht wird, dann geben wir das an die unglaublich engagierten Sozialarbeiter vor Ort weiter.“
Studentische Poliklinik wurde im Februar 2018 gegründet
Sich mit 18 Kommilitonen in der Studentischen Poliklinik, die im Februar 2018 gegründet wurde, zu engagieren, sei für sie „völlig selbstverständlich“, sagen beide Studenten. Lange habe sie gedacht, sie müsse mit „Ärzte ohne Grenzen“ nach Afrika gehen, um zu helfen, berichtet Anna Schuster. „Dann habe ich gesehen, dass es auch ganz viel Leid bei uns vor der Haustür gibt.“
Eine Erfahrung, die Sebastian Apweiler schon nach dem Abitur während eines Freiwilligen Sozialen Jahres in einer Erstaufnahme für Flüchtlinge in seiner Heimat im Taunus gemacht hat. „Wir haben uns beide nicht für den Beruf entschieden, weil wir eines Tages viel Geld verdienen wollen“, sagt der 22-Jährige. „Ich möchte ein Arzt sein, der viel Ahnung hat, aber der auch zuhört und auf die Bedürfnisse des Patienten eingeht.“ Apweiler möchte Viszeralchirurg werden. Dass allein der Numerus clausus über die Zulassung zum Medizinstudium entscheidet, halten beide für zu kurz gegriffen. „Was sagt die Abiturnote schon darüber aus, ob jemand für den Arztberuf geeignet ist?“
Beide haben die ersten zwei Jahre in Ungarn studiert
Beide haben zunächst zwei Jahre lang in Ungarn studiert, denn die als gemeinnützig anerkannte Asklepios Medical School arbeitet seit 2008 mit der staatlichen ungarischen Semmelweis Universität zusammen. Nach dem Physikum haben sich beide dann in Hamburg beworben, wo auf dem Asklepios Campus nur rund 60 Studierende pro Jahr angenommen werden. „Der Vorteil ist, dass wir in kleinen Gruppen lernen, direkt am Patienten sind und auch wirklich Kontakt haben zu den lehrenden Chefärzten“, sagt Anna Schuster, die in ihrer Freizeit gern singt und fotografiert.
Und, wie sieht sie nun aus, die Medizin der Zukunft? „Klar, die Digitalisierung schreitet voran, der technische Fortschritt ist enorm“, sagt die gebürtige Essenerin. „Ich glaube und hoffe aber, dass all diese wunderbaren Hilfsmittel niemals ersetzen können, dass ein Arzt den Patienten ganzheitlich betrachtet.“
„Dr. Google“ schüre manchmal leider auch Panik
Es sei gut, dass Patienten viel aufgeklärter seien. Aber „Dr. Google“ schüre auch Panik, sagt Sebastian Apweiler, der in diesem Jahr den Hamburg Marathon gelaufen ist. Er erinnert sich an einen Fall als Rettungssanitäter. „Wir wurden zu einem 16-Jährigen gerufen, der davon überzeugt war, einen Herzinfarkt zu haben. Zum Glück falscher Alarm.“ Beide Studenten hoffen, dass ihre künftigen Patienten nach einem Termin sagen: „Das war gut – gern wieder.“ Die Patienten im CaFée tun das schon jetzt.