Hamburg. Anästhesie-Chefarzt Prof. Dr. Dr. Christian Weber klärt über Besonderheiten der Vollnarkose auf und berichtet von Notarzt-Einsätzen.
Die komplizierte Herzoperation einfach „verschlafen“ oder nach dem Eingriff am offenen Bauch aufwachen, als sei nichts gewesen. Es klingt angenehm, doch viele Patienten hätten nach wie vor große Angst vor einer Vollnarkose, sagt Professor Dr. Dr. Christian Weber in einer neuen Folge der „Digitalen Sprechstunde“, dem Podcast von Hamburger Abendblatt und Asklepios. „Man gibt natürlich für ein paar Stunden die Kontrolle über sich und seine lebenswichtigen Organe an die Anästhesisten ab. Diese Vorstellung macht vielen Patienten Sorgen“, so der Chefarzt, der an der Asklepios Klinik Wandsbek die Abteilung für Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin leitet.
Gelegentlich treten unangenehme Nebenwirkungen auf
Dabei gilt die Vollnarkose, bei der eben ein Koma eingeleitet wird und der Patient temporär bewusstlos ist, als „sehr sicher“. Dennoch, und das dürfe man nicht verschweigen, könne diese Allgemeinanästhesie, wie es offiziell heißt, auch gelegentlich unangenehme Nachwirkungen haben. „20 bis 30 Prozent der Patienten leiden danach an Übelkeit, die bis zu zwei Tage andauern kann. Junge Frauen sind häufiger betroffen“, sagt der habilitierte Mediziner, der in Jena und Lübeck studiert hat.
Zudem sei es so, dass der Narkosearzt während der OP den Patienten beatme. „Wir führen einen Beatmungsschlauch ein, der eventuell die Stimmbänder reizen und nach dem Aufwachen zu Halsweh führen kann. Dann freuen sich die Patienten im Aufwachraum am meisten über ein schönes Eis.“
Manche Patienten sind nach der Narkose verwirrt
Eine weitere Folge der Vollnarkose kann das sein, was man früher gern als „Durchgangssyndrom“ bezeichnete. Heute spricht man vom „postoperativen Delir“, die Symptome sind die gleichen: „Der Patient wacht auf, ist verwirrt und halluziniert“, so der Experte. Erhöht sei das Risiko bei Kindern und älteren Menschen.
„Es gibt zahlreiche Studien dazu, aber noch keine echte Erkenntnis, wie oft und warum das auftritt“, sagt der Anästhesist, der mit einer Kardiologin verheiratet und Vater von zwei kleinen Töchtern ist. Es gebe nur Indizien, dass die Dauer des Eingriffs eine Rolle spiele. „Am Ende ist es ein Zusammenspiel aus der Konstitution des einzelnen Patienten, der Art der OP und dem Medikament.“
So viel wie möglich in Regionalanästhesie operieren
Eben wegen dieser möglichen Begleiterscheinungen versuche man, so viel wie möglich mit der sogenannten Regionalanästhesie zu operieren. „Dazu gehört zum Beispiel die PDA, die man aus dem Kreißsaal kennt. Die Erleichterung im Gesicht einer werdenden Mutter zu sehen, wenn man ihr diesen unglaublichen Wehenschmerz nimmt, das ist für mich jedes Mal ein toller Moment“, sagt der gebürtige Ostfriese, der als Sohn einer Lehrerin und eines Bischofs („Theologie kam für mich nie infrage!“) im Frankfurter Raum aufwuchs.
Überhaupt verstünden sich die meisten Anästhesisten als Dienstleister. „Wir sind absolut wichtig, stehen aber eben nicht immer in der ersten Reihe.“ So wüssten viele Patienten gar nicht, dass der Anästhesist ein Arzt sei, der auch bis zu 13 Jahre Ausbildung hinter sich habe.
Notarztwagen fast zu 100 Prozent mit Anästhesisten besetzt
Dabei trifft man gerade hier in Hamburg sehr oft auf Anästhesisten, sind doch die Notarztwagen fast zu 100 Prozent mit den Narkosespezialisten besetzt. „Das ist hier historisch gewachsen“, sagt Professor Weber, der selbst auch schon Einsätze gefahren ist. „In Frankfurt, wo ich vorher tätig war, setzte sich das das Team der Notärzte aus Medizinern verschiedener Disziplinen zusammen.“
Als Notarzt habe man meist mit Herzinfarktpatienten zu tun – und mit den Opfern von Verkehrsunfällen. „Das kann heftig sein, es gibt Fälle, die hängen mir lange nach.“ Am liebsten entspannt der Mediziner selbst auf dem Motorrad. „Ich weiß“, sagt er sofort. „Ein nicht ungefährliches Hobby. Aber gerade weil ich schon viel gesehen habe, fahre ich vorsichtig – würde ich jedenfalls über meinen eigenen Fahrstil sagen.“
Gesundheits-Podcast mit Asklepios
Die "Digitale Sprechstunde" ist die Gesundheits-Gesprächsreihe von Hamburger Abendblatt und Asklepios. Jede Woche erklärt ein Experte im Gespräch mit Vanessa Seifert ein Krankheitsbild und gibt Auskunft über Vorsorge und Therapie.
Nächste Folge: Professor Dr. Ansgar Chromik vom Asklepios Tumorzentrum Hamburg über Bauchspeicheldrüsenkrebs.
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