Hamburg. Im Abendblatt-Podcast erzählt Klaus Püschel von einem der schwersten Unglücke im Hamburger Hafen. Ein Schicksal lässt ihn nicht los.
Ein bisschen, sagt eine Frau, ist es „wie die Titanic im Kleinen“ gewesen. Das Heck einer Barkasse hat sich kurz aufgebäumt, dann ist das Schiff in der Elbe versunken, sekundenschnell. 19 Menschen sterben an diesem tragischen Tag bei einem Schiffsunfall im Hamburger Hafen. Damit ist der Untergang der Barkasse „Martina“ am 2. Oktober 1984 eines der schwersten Unglücke auf der Elbe. Die Katastrophe ist überraschend über die Menschen hereingebrochen, die einen 40. Geburtstag gefeiert haben. Es hätte ein fröhlicher Tag werden sollen. Es wird eine Katastrophe.
Es hat mit einem unheilvollen Knirschen begonnen, einem Splittern, einem Knall und dem plötzlichen Eindringen von Wassermassen. Es sind Zufälle, die in solchen Momenten über Glück und Unglück entscheiden können, über Leben und Tod. Eine Frau steht so nah an einem Fenster, dass sie durch einen Sprung hindurch vor dem Untergang des Schiffes entkommen kann. Sie ist die einzige, die von der Barkasse nicht mit unter Wasser gezogen wird und in den Wellen Zeugin des Untergangs wird. „Und mit einem Mal herrschte absolute Stille“ sagt sie später. „Es war unwirklich. Ein böser Traum.“
Sehr kaltes Wasser lässt Menschen erstarren
In ihrem „Crime“-Podcast „Dem Tod auf der Spur“ befassen sich Rechtsmediziner Klaus Püschel und Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher mit diesem schweren Schiffsunglück im zwölf Grad kalten Wasser der Elbe. „Sehr kaltes Wasser führt zu Reflexvorgängen und bewirkt damit, dass jemand nicht beginnt zu schwimmen, auch wenn er eigentlich schwimmen kann“, erklärt Püschel. „Und überhaupt kann niemand lange bei solchen Temperaturen im Wasser überleben.“ Einige Tote wurden seinerzeit erst Tage nach dem Unglück geborgen. Manche sind nie wieder aufgetaucht.
Die, die gefunden wurden, wurden in der Rechtsmedizin untersucht. „Ich erinnere mich an eine besonders tragische familiäre Geschichte“, erzählt Püschel. „Ich hatte auch den Leichnam eines jungen Mannes zu untersuchen, der mit seinen beiden kleinen Kindern im Schiff eingeschlossen war. Die Frau hatte sich gerade eben noch an die Wasseroberfläche retten können und musste später erfahren, dass sie ihren Mann und ihre zwei Töchter verloren hatte.“
Barkasse unter Wasser gedrückt
Zu dem Untergang der „Martina“ war es gekommen, als die Barkasse in der Dunkelheit zwischen einen Schlepper und eine Schute und unter ein zwischen ihnen führendes Schleppseil geriet. Nur Sekunden später wurde die Barkasse von der Schute überlaufen und unter Wasser gedrückt. Im Fall des tragischen Unglücks urteilte das Seeamt später, die Unfallursache sei gewesen, „dass die Barkasse ihrer Ausweichpflicht gegenüber dem vorschriftsmäßig beleuchteten und vorfahrtsberechtigten Schleppzug nicht nachkam."
Der Vorsitzende Richter der Verhandlung sagte auch: „Seit 60 Jahren fahren die Leute mit der ,Martina' sicher wie in Abrahams Schoß durch den Hafen. Nie ist etwas annähernd Vergleichbares geschehen." Es handele sich um ein tragisches Versehen, „das jedem passieren kann – das aber nur einmal eine solch unabsehbare Katastrophe zur Folge hat."
Leichenteile in Gewässern gefunden
Für Hamburger Rechtsmediziner spielen Tote im Wasser insgesamt eine ganz herausragende Rolle. Insbesondere die Elbe bringt viele Wasserleichen hervor. Die Todesfälle ereignen sich in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen. Überwiegend sind es Unglücksfälle, bei denen Menschen in ihrer Freizeit oder auch bei der Arbeit ins Wasser stürzen, vom Ufer aus oder von Schiffen.
Manchmal aber geht es auch um Mord, so wie im Fall einer Prostituierten, die zuletzt am Hansaplast in St. Georg gearbeitet hat und von der nach und nach immer wieder Leichenteile in unterschiedlichen Hamburger Gewässern gefunden wurden. Gruselig, dieser Fall. Und er wurde immer noch nicht aufgeklärt.