John Neumeier erklärt Bischöfin Kirsten Fehrs das Wunder seiner Kreation. Außerdem: Die Macht der Worte im Magazin Himmel & Elbe.

Es wird sofort klar nach dem ersten Satz: Kirsten Fehrs und John Neumeier kennen und mögen sich. So fragt der Ballettintendant die Bischöfin gleich zu Anfang des Podcasts Blind Date charmant: „Wie kannst du in deiner Position so freundlich und fröhlich zu einem Katholiken wie mir sein?“ Worauf Fehrs schlagfertig antwortet: „Bei der Ökumene bin ich äußerst geschwisterlich, Konfession spielt für mich keine Rolle.“ Religion und Berufung zu vereinbaren, das ist für die Bischöfin Programm – genauso wie für den Chef des Hamburg Balletts. Er zeigt seinen tiefen Glauben gern durch sakrale Tanzkreationen, gilt als Experte auf dem Gebiet.

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Das fing bei ihm schon an der Hochschule an: „Ich war auf einer katholischen Universität in Amerika, und mein wichtigster Ansprechpartner war ein Jesuit, der das Unitheater geleitet hat. Wir haben damals zusammen einige Projekte gemacht, die um Tanz und religiöse Themen gingen. Ich habe oft den Christus getanzt. In den USA ist das nicht ungewöhnlich.“

In Hamburg hingegen bezeichneten etliche Musikwissenschaftler und Journalisten John Neumeiers „Matthäus-Passion“ 1981 als Sakrileg. Zur Musik von Johann Sebastian Bach erzählt das Stück nach dem Evangelium von Matthäus die Leidensgeschichte Jesu Christi, wobei sich die Tänzer unter das Publikum mischen.

„Es war ein Skandal“, erinnert sich der Choreograf. „Ich habe das Stück auf dem Kirchentag gesehen und war begeistert von der Tiefe der Tanzsprache“, hält Bischöfin Fehrs dagegen. „Der Tanz ist dabei eine Sprache des Glaubens geworden. Und wir waren Teil dieser Inszenierung, denn die Tänzer gingen durch die Gänge und zwischen den Menschen hindurch.“ Inzwischen wurde das Stück mehr als 200 Mal auf Bühnen in der ganzen Welt aufgeführt – die „Matthäus-Passion“ gilt als eines der Schlüsselwerke im Schaffen von Neumeier.

Weitere religiös inspirierte Werke wie Mozarts „Requiem“, Händels „Messias“ und Bachs „Weihnachtsoratorium“ folgten. Neumeier freut sich, dass die Mitglieder seiner Compagnie, die aus Christen, Muslimen und Nichtgläubigen besteht, gern bei diesen Stücken mitmachen und sich von der Musik inspirieren lassen.

Seine Arbeit gebe ihm Energie, es dränge ihn, immer Neues zu schaffen, sagt der Tänzer und Choreograf, als Fehrs ihn fragt, woher er mit 80 Jahren die Kraft nehme, täglich auf der Bühne zu stehen. Und es ist schön zu hören, mit welcher Leidenschaft John Neumeier im Podcast über seine Recherchen zu jedem Stück spricht, wie er tief eintaucht in die neue Materie, dann zum Probenraum geht und „die Bewegung in mir hochkommt, spontan, ohne zu denken. Das sind die besten Stücke“. Wie sein „Wunder der Kreation“ entsteht, hören Sie im Podcast unter: www.abendblatt.de/blinddate