Hamburg. Im Podcast Entscheider treffen Haider gewähren Turnierdirektorin Sandra Reichel und Vater Peter tiefe Einblicke hinter die Kulissen.
Sie sind momentan das interessanteste Vater-Tochter-Gespann Hamburgs: Peter-Michael (66) und Sandra Reichel (48), die neuen Chefs am Rothenbaum. Sie: Die Turnierdirektorin und Chefin der Reichel Business Group, dem Unternehmen, das für die nächsten fünf Jahre vom Deutschen Tennis-Bund den Zuschlag für das traditionsreiche Turnier erhalten hat. Er: Der Firmengründer und Visionär, ein Mann hinter den Kulissen. „Wir haben das klar getrennt“, sagen beide in einer Spezial-Ausgabe des Abendblatt-Podcasts „Entscheider treffen Haider“.
Während sich Sandra Reichel um das Tagesgeschäft kümmert und deswegen aktuell maximal vier Stunden Schlaf pro Nacht bekommt, ist Peter-Michael Reichel mit seinen Gedanken schon beim Turnier im nächsten Jahr.
Einblicke in Arbeit und Vater-Tochter-Verhältnis
Im Gespräch mit Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider geben die beiden Österreicher tiefe Einblicke in ihre Arbeit, das Vater-Tochter-Verhältnis – und räumen mit einem Vorurteil auf.
Peter-Michael Reichel erzählt dabei zum ersten Mal ausführlich, wie es ihm gelungen ist, den Hamburger Tennisstar Alexander Zverev zurück an den Rothenbaum zu holen. Das war vielleicht die größte Überraschung des diesjährigen Turniers, zumal die Reichels lange Zeit so getan haben, als ob Zverev nicht kommen würde.
„Wir wollten keine falschen Erwartungen wecken“, sagt Reichel. „Insgeheim habe ich allerdings schon länger gehofft, dass Alexander kommt.“ Und weiter: „Das erste Mal habe ich mit ihm im Mai 2018 in Madrid über den Rothenbaum gesprochen, danach bestimmt noch fünfmal. Und bei jedem Treffen hat er gesagt, dass er unbedingt in Hamburg spielen will. Dieser Satz war ständig in meinem Hinterkopf.“
„Viele glauben, dass wir Zverev mit Geld zugeschüttet haben"
Dass es dann tatsächlich bereits in diesem Jahr mit Zverev und dem Rothenbaum geklappt hat, hätte nichts mit einem gewaltigen Startgeld für den Topspieler zu tun: „Viele glauben, dass wir ihn mit Geld zugeschüttet haben. Das ist überhaupt nicht der Fall“, sagt Peter-Michael Reichel. „Es war keine finanzielle Frage, wir haben einen ganz speziellen Deal, der sich über Jahre hinziehen soll. Ich habe ihm angeboten, Partner des Turniers in seiner Heimatstadt zu werden. Er hat mir angeboten, mit zu Sponsoren, zu Politikern zu gehen.“ Langfristig könne er sich auch vorstellen, dass Zverev in die Organisation des Turniers einsteigt: „Er muss sich ja irgendwann auch überlegen, was er nach seiner Karriere macht.“
Die Organisation des Turniers ist jetzt noch Familiensache. Die Reichels führen ein kleines Unternehmen mit zehn Mitarbeitern, neben Vater und Tochter ist auch die Schwiegertochter dabei: „Sie ist für das ganze Design und Interieur verantwortlich, meine Frau hat sich lange Zeit um die Gästebetreuung gekümmert“, sagt Peter-Michael Reichel.
Und: „Insgesamt sind wir eine sehr gut zusammenarbeitende Familie, die auch froh ist, gemeinsam Urlaub zu machen.“ An dieser Stelle unterbricht Sandra Reichel: „Papa, welcher Urlaub?“ Vater Reichel grinst: „Bei uns ist ein verlängertes Wochenende schon Urlaub…“.
"Mein Vater war ein Diktator, ein Patriarch"
Dass Peter-Michael Reichel seiner Sandra, die früher selbst professionelle Tennisspielerin war, die Leitung des Unternehmens schon sehr früh übergeben und sich aus dem täglichen Geschäft zurückgezogen hat, hat einen Grund: „Mein Vater war auch Unternehmer, unsere Familie hatte seit dem 19. Jahrhundert ein Textilunternehmen. Mein Vater war ein Diktator, ein Patriarch. Genau das wollte ich nicht sein. Ich wollte meiner Tochter von Anfang an viel Freiraum geben.“ „Papa hat mich machen lassen, nur so geht das auch“, sagt Sandra Reichel dazu. „Er ist der, der die meisten Ideen hat, ich bin die, die sie umsetzt. Manchmal muss ich meinen Vater bremsen, aber die Wahrheit ist: Er ist nicht zu bremsen.“
Die grundsätzliche Idee für Hamburg ist klar: „Der Rothenbaum soll mehr als ein Tennisturnier sein“, sagt Sandra Reichel. Nach dem erfolgreichen Eröffnungskonzert mit Max Giesinger und den Hamburger Goldkehlchen am vergangenen Sonntag, zu dem rund 5000 Zuschauer kamen, will sie deshalb auch in den nächsten Jahren „große Musiker auf die Anlage holen, am besten solche, die selber Tennis spielen“.
Marius Müller-Westernhagen kommt an diesem Wochenende schon mal als normaler Zuschauer vorbei, die Jungs von Revolverheld sind, zumindest teilweise, auch begeisterte Tennisspieler. Revolverheld-Gitarrist Kristoffer Hünecke war als Jugendlicher einer der besten Tennisspieler Deutschlands – solche Kontakte helfen, wenn man den Sport modern und jünger präsentieren will. Außerdem hoffen die Reichels auf ein Event in der Elbphilharmonie, vielleicht ein Tennisspiel auf der Plaza? Oder im großen Saal, eine Mischung aus Kunst und Sport?
Dominic Thiem hat für dieses und das kommende Jahr zugesagt
Warum nicht – Intendant Christoph Lieben-Seutter ist schon mal ein Landsmann der Reichels. Das schadet sicher nicht, bedeutet aber auch nicht automatisch, dass alles so wird, wie es sich die Reichels vorstellen: „Die Frage nach dem Österreich-Bonus wird uns häufig gestellt, wenn es um Dominic Thiem geht“, sagt Turnierdirektorin Sandra Reichel. Österreichs derzeit größter Tennisstar, einer der besten Sandplatzspieler der Welt und in Hamburg an Nummer eins gesetzt, hat sowohl für dieses als auch für das nächste Jahr zugesagt. „Aber es ist blauäugig zu glauben, dass Dominic das nur tut, weil er wie wir aus Österreich kommt. Kostenlos spielt so ein Mann natürlich nicht.“
Womit wir bei den wirtschaftlichen Perspektiven des Tennis am Rothenbaum wären. „Heuer“ werden die Reichels mit dem Turnier bei einem Umsatz von 5,5 Millionen Euro kein Geld verdienen, künftig soll „im Idealfall eine kleine Marge erzielt werden“, sagt Peter-Michael Reichel. „Reich wird man mit Tennisturnieren sicher nicht.“ Es sei denn, man ist Spieler...
Während der Vater in den verbleibenden Tagen bis zum Finale Gespräche mit möglichen Sponsoren führt, hofft Tochter Sandra, dass sich künftig gerade Hamburger Unternehmer stärker engagieren werden: „Wir brauchen sie, um das Turnier weiterzuentwickeln“, sagt sie. Und: „Es kann nicht sein, dass immer nur jemand wie Alexander Otto in Hamburg in den Sport investiert. Dafür wollen wir ein Bewusstsein schaffen, und dabei sind wir auf einem guten Weg.“
"Wir wollen 2020 mit dem DTB über eine Verlängerung sprechen"
Ein Weg, der, wenn es nach den Reichels geht, ein langer werden soll: „Unsere Perspektive ist nicht auf fünf Jahre ausgerichtet. Wir wollen schon 2020 mit dem Deutschen Tennis-Bund über eine Verlängerung unseres Vertrags sprechen“, sagt Peter-Michael Reichel. In dieser Zeit soll es auch gelingen, das Turnier – so weit das eben möglich ist – unabhängig von einzelnen Spielern zu machen.
Einerseits wissen die Reichels, dass Profis wie Zverev und Thiem mehr Zuschauer und damit mehr Einnahmen bringen. Andererseits wollen sie die Marke Rothenbaum „wieder so stark machen, dass wir davon nicht abhängig sind“. Zumal, so Sandra Reichel, sich die Hamburger eben nicht nur für große Namen, sondern vor allem für großes Tennis interessieren.
Das Wetter dürfe dabei auch gern in den nächsten Jahren so sonnig sein wie aktuell, so Peter-Michael Reichel, „26 oder 27 Grad reichen in der Spitze allerdings auch“. Und dann sagt der Mann einen Satz, der so gar nicht zum „normalen“ Hamburger Sommer zu passen scheint: „Beim Umbau des Stadions muss man sich vielleicht doch einmal Gedanken über die eine oder andere Klimaanlage machen...“.