Hamburg. Der Wimbledonsieger spricht im Podcast über seine Stiftungsarbeit, sein Faible für Malerei und welche Bedeutung Geld für ihn hat.
Mit dem Wimbledonsieg 1991 hat sich Michael Stich (50) ein sportliches Denkmal gesetzt. Schon drei Jahre später begann sich der Tennisstar für HIV-infizierte oder an Aids erkrankte Kinder zu engagieren. Anlässlich des 25. Geburtstags der Michael Stich Stiftung treten am 3. November Künstler wie Sasha, Johannes Strate, Max Mutzke, Stefanie Kloß, die Gruppe Frida Gold und viele weitere im Großen Saal der Elbphilharmonie beim Benefizkonzert „Voices For Children“ auf.
Im Podcast „Entscheider treffen Haider“ spricht Michael Stich über …
… seine Sorge, immer nur mit Tennis in Verbindung gebracht zu werden:
„Die klassische Frage ist: Wie war das, als Sie im Wimbledonfinale den Matchball verwandelt haben? Ich sage dann immer: Ich habe keine Ahnung, wie das war, das ist so lange her. Wenn ich mich mein Leben lang nur über meine Tenniserfolge identifizieren würde, hätte ich doch etwas falsch gemacht. Es ist ein wichtiger Teil meines Lebens, für den ich sehr dankbar bin und weswegen mich auch die meisten Menschen kennen. Aber all das, was danach gekommen ist, hat inzwischen für mich eine viel größere Bedeutung.“
… die richtige Art, mit dem Profisport Schluss zu machen:
„Ich habe 1997 selbst entschieden, meine Karriere zu beenden, nach meinem Halbfinal-Aus in Wimbledon. Und ich habe danach ganz bewusst fünf Jahre lang keinen Tennisschläger angefasst. Mir war klar: Wenn ich etwas anderes als Tennis kennenlernen will, muss ich mich komplett davon lösen. Als ich damals ans Aufhören dachte, sagte mein Manager zu mir, dass ich mir das gut überlegen solle – schließlich werde es nie wieder eine Sache geben, bei der ich die Nummer zwei in der Welt werden würde. Darüber habe ich lange nachgedacht. Und dann ist mir klar geworden: Ja, mein Manager hat recht, es wird nie wieder etwas geben, bei dem ich zu den Besten der Welt gehören werde. Aber ich werde etwas finden, was mich persönlich genauso befriedigt, wie Tennis das getan hat. Die Stiftungsarbeit und mein unternehmerisches Engagement vermitteln mir heute die gleichen Glücksgefühle, wie Tennis das früher getan hat.“
… die Zeit als jüngster Stifter Deutschlands:
„Mir war während meiner aktiven Zeit klar, dass dies nur ein kurzer Teil meines Lebens sein wird – und dass nach dem Tennis das reale Leben anfängt. Es gibt kein Handbuch dafür, wie man als Sportprofi mit dieser Situation umgeht. Ich habe aus zwei Gründen schon während meiner aktiven Zeit meine Stiftung gegründet. Ein Journalist hatte mich nach einem Turnier, bei dem ich ein hohes Preisgeld gewonnen hatte, gefragt: Was machst du eigentlich im Bereich Charity? Das hat bei mir etwas ausgelöst. Ich wollte etwas von dem Glück, das ich hatte, an Menschen zurückgeben, denen es nicht so gut geht. Weil ich wusste: Wenn du mal eines Tages aufhörst, hast du eine Aufgabe, die dich ausfüllt und dir Befriedigung gibt. Daraus ist die Idee einer eigenen Stiftung entstanden. Damals war ich mit 25 der jüngste Stifter Deutschlands.“
… die Suche nach dem richtigen Zweck für seine Stiftung:
„Ich hatte mich mit vielen Stiftungszwecken beschäftigt. Ich wollte nichts mit Sport machen, weil mir das zu nah an meinem Beruf dran war, und ich wollte unbedingt etwas mit Kindern machen, weil sie unsere Zukunft sind. Letztlich gab es beim Thema HIV und Aids keine Stiftung, die sich ausschließlich um Kinder kümmerte. Ich hatte damals all die Vorurteile, die auch heute noch viele Menschen im Umgang mit der Krankheit haben. Mir war es wichtig zu lernen, wie ich persönlich damit umgehe.“
… die Schwierigkeiten, Geld für gute Zwecke loszuwerden:
„Das Schwierigste war, ein Netzwerk aufzubauen, mit dem meine Stiftung zusammenarbeiten konnte. Auf der einen Seite hast du Geld zur Verfügung, auf der anderen Seite brauchst du Menschen, die es von dir haben wollen. Die zu finden war in den ersten zwei Jahren gar nicht so leicht. Mittlerweile arbeiten wir mit allen großen Universitätskliniken und Aids-Hilfen Deutschlands zusammen.“
… Ratschläge an Menschen, die Stiftungen gründen wollen:
„Man muss sich darüber im Klaren sein, dass eine Stiftung eine Lebensaufgabe ist. Man muss deshalb sehr gut überlegen, welcher Stiftungszweck am besten zu einem passt. Die Suche eines Themas sollte man abgeschlossen haben, bevor man eine Stiftung gründet. Und man braucht ein gutes Netzwerk, um wirklich Hilfe leisten zu können. Es nutzt nichts, viel Geld zu haben, wenn man nicht die richtigen Projekte kennt, die es wirklich benötigen. Seit einigen Jahren gibt es das Unternehmen Stiftungsführer, welches ich mitgegründet habe. Dieses Unternehmen bietet eine Datenbank an, die allen Interessierten im Bereich Stiftungen einen guten Überblick verschafft, welche Stiftungen es in Deutschland gibt und wofür sie sich einsetzen.“
… sein Interesse an Kunst:
„Ein guter Freund hat mich an die Kunst herangeführt. Ich finde die Malerei interessant, weil es eine ganz andere Möglichkeit ist, Gedanken und Emotionen auszudrücken. Ich male selber auch und nutze dieses Medium, um etwas loszuwerden. Und natürlich fängt man dann irgendwann auch an, Kunst zu sammeln. Zurzeit stelle ich mir aber die Frage, was ich mit den Bildern mache, die ich aus Platzgründen nicht mehr hängen kann. Es ist irgendwie auch schade, dass sie nur im Lager stehen.“
… Charity-Events:
„Wenn man ein Charity-Event besucht, dann sollte man auch wissen, warum man dabei ist. Es geht ja nicht darum, umsonst zu essen oder sich kostenlos ein Konzert anzusehen, sondern darum, etwas Gutes zu tun. Soll heißen: um Geld zu spenden. Die meisten Hamburger wollen übrigens gar nicht öffentlich Geld für eine gute Sache spenden, sondern machen das lieber im Stillen und so, dass ihr Name nicht auftaucht. Ich denke, es ist Hanseaten nicht so wichtig, im Vordergrund zu stehen.“
Michael Stich im Abendblatt-Fragebogen
Was wollten Sie als Kind werden und warum?
Ich glaube Polizist.
Was war der beste Rat Ihrer Eltern?
Mein Vater hat mir schon früh gesagt: „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert.“
Wer war beziehungsweise ist Ihr Vorbild?
Im Tennis war es immer Jimmy Connors. Im normalen Leben waren es meine Brüder, denen ich nacheifern wollte.
Was haben Ihre Lehrer über Sie gesagt?
Dass ich die Schule nicht immer so wichtig genommen habe, wie sie es sich gewünscht hätten. Stattdessen war Sport immer das wichtigste. Und dass ich mich immer für andere eingesetzt habe.
Wann und warum haben Sie sich für den Beruf entschieden, den Sie heute machen?
Ich habe Spaß an vielen Themen und bin immer neugierig. Ich denke, genau das beschreibt das Wort Unternehmer. Und dies setze ich in vielen Projekten um.
Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?
Aufs Leben bezogen ohne Frage meine Eltern. Sie haben sehr viel auf sich genommen, um mir vieles zu ermöglichen. Im Tennissport in der Anfangsphase meiner Profikarriere sicherlich Niki Pilic.
Auf wen hören Sie?
Auf meine Frau als Erstes. Ich habe während unserer Ehe sehr viel von ihr gelernt. Meine beiden Brüder sind meine besten Freunde und wichtige Ratgeber in meinem heutigen Leben. Und es gibt ein, zwei Freunde, die sehr dicht an mir dran sind und deren Rat ich ungemein schätze.
Was sind Eigenschaften, die Sie an Ihren Chefs bewundert haben?
Ich hatte nie einen Chef, da ich immer mein eigener Chef war. Aber mir sind Loyalität und Ehrlichkeit extrem wichtig.
Was sollte man als Chef auf keinen Fall tun?
Ein Chef muss immer ein offenes Ohr für seine Mitarbeiter haben. Außerdem sollte er immer voll hinter seinen Mitarbeitern stehen, auch wenn sie mal einen Fehler machen und niemals einen Mitarbeiter gegenüber einem Dritten bloßstellen. Ein Chef darf niemals respektlos sein!
Was sind die Prinzipien Ihres Führungsstils?
Vertrauen, uneingeschränkte Loyalität, Respekt und Teamwork. Nach meiner Erfahrung ist dies eine gute Basis für gemeinsamen Erfolg.
Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?
Geld ist ein wichtiger Faktor, um ein Maß an Sicherheit zu haben. Es gibt mir Möglichkeiten, einen Lebensstil zu führen, der mir gefällt. Es gibt mir auch die Möglichkeit, damit Gutes zu tun wie durch meine Stiftung.
Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern?
Ich erwarte von meinen Mitarbeitern Loyalität, Ehrlichkeit, Respekt und selbstständiges Arbeiten.
Worauf achten Sie bei Bewerbungen?
Nur zu einem kleinen Teil auf die Zeugnisse. Das persönliche Gespräch ist viel wichtiger. Und mir persönlich ist es wichtig, ob jemand mal im Ausland war. Denn das bedeutet für mich, dass man offen für Neues und auch bereit ist, sich neuen Situationen zu stellen. Damit habe ich immer gute Erfahrungen gemacht.
Duzen oder siezen Sie?
Ich bin eher der Siezer, oft aber auch Sie in Verbindung mit dem Vornamen. Ich finde, dass es immer noch eine andere Form des respektvollen Umgangs ermöglicht.
Was sind Ihre größten Stärken?
Ich finde es immer schwierig, so eine Frage über sich selbst zu beantworten. Ich denke, ich bin kreativ, und wenn ich ein Ziel habe, dann verfolge ich es, bis es erreicht ist.
Was sind Ihre größten Schwächen?
Ich beschäftige mich manchmal mit zu vielen Dingen gleichzeitig. Das lässt einen den Fokus verlieren.
Welchen anderen Entscheider
würden Sie gern näher kennenlernen?
Ich kenne viele Entscheider und erfolgreiche Manager. Ich würde sehr gerne Clint Eastwood kennenlernen. Er ist mein Schauspielidol. Und Gerhard Richter, den Maler. Da ich mich sehr für Kunst interessiere, wäre das spannend.
Wann haben Sie zuletzt einen Fehler gemacht?
Ich denke, ich mache jeden Tag mindestens einen Fehler!
Welche Entscheidung hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?
Immer ganz viel Input von außen zu bekommen, aber immer die eigene Entscheidung zu treffen. Niemals Entscheidungen aus der Hand zu geben.
Wie gehen Sie mit Stress um?
Stress ist ein schwieriges Wort, finde ich. Mein Lebensmotto ist: Stress hat nur der, der sich welchen macht. Ich denke, es ist eine Frage der Einstellung, ob man Stress empfindet. Ja, es gibt Zeiten in denen man das Gefühl hat, dass einem alles zu viel wird. Aber wenn man es erkannt hat, dann kann man auch etwas dagegen tun.
Wie kommunizieren Sie?
Ich bin jemand, dem das gesprochenen Wort sehr wichtig ist. Natürlich nutze ich die neuen Medien. Aber ein Gespräch kann durch nichts ersetzt werden. Nur in einem Gespräch kann man neben den Worten auch Emotionen und Gesten wahrnehmen.
Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?
Gehe auf jeden Fall mal ins Ausland, wenn möglich. Das erweitert den Horizont sehr.
Tickets
für „Voices of Children“ zu 55,05 bis 160,05 Euro (zzgl. Gebühren) gibt es im exklusiven Vorverkauf noch heute in der Geschäftsstelle des Hamburger Abendblatts, Großer Burstah 18–32; über die Abendblatt-Ticket-Hotline (040 30309898) und über die Abendblatt-Ticketshops. Alle Einnahmen aus dem Konzert kommen der Stiftung zugute.