Hamburg. Ein Recherche-Team des NDR hat unglaubliche Vorgänge in einem internationalen Telegram-Netzwerk aufgedeckt und zitiert aus den Chats.
Eine Recherche von STRG_F (NDR/Funk) hat aufgedeckt, wie sich tausende User in internationalen Telegram-Gruppen über K.o.-Mittel und Vergewaltigungen austauschen. Auch Deutsche seien darunter. Demnach sollen sich die Nutzer mit detaillierten Beschreibungen versorgen, wie man in der Lage sei, Menschen für sexuelle Übergriffe bis hin zu Vergewaltigungen zu betäuben. Sehr erschreckend: Bilder und Videos der Vergewaltigungen sollen in den Gruppen geteilt werden – stellenweise auch live.
Zudem sollen die Mitglieder dieser Gruppen Erfahrungsberichte veröffentlichen und konkrete Fragen zu den Betäubungsmitteln formulieren. Einer schreibt laut der Recherche: „Irgendwelche starken Drogen, um diese Prinzessin in den Schlaf zu schicken und sie zu vergewaltigen?“ Offensichtlich kommen die meisten Frauen direkt aus dem Umfeld der User. Es soll sich um Schwestern, Mütter, Freundinnen oder Ehefrauen handeln.
Vergewaltigung nach Betäubung – Erschreckende Parallelen zu Pelicot-Prozess
Die erschreckenden Parallelen zum Fall von Avigon (Frankreich) werden deutlich. In dem idyllischen Örtchen in der Provence werden in einem aufsehenerregenden Vergewaltigungsprozess voraussichtlich am Donnerstag die Urteile gegen Dominique Pelicot und 50 weitere Angeklagte fallen. Die Staatsanwaltschaft hat 20 Jahre Haft für Pelicot gefordert. Der geständige Serienvergewaltiger hat seine Frau Gisèle fast zehn Jahre lang immer wieder mit Schlafmitteln betäubt und im Internet zur Vergewaltigung angeboten.
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Keiner der Mitangeklagten hatte ein Problem damit gehabt, dass die während der Taten mitunter sogar schnarchende Gisèle Pelicot offensichtlich nicht in der Lage war, ihre Zustimmung zum Sex zu geben. Die 72 Jahre alte Gisèle ist durch diesen Prozess zu einer Heldin der Frauenbewegung in Frankreich geworden: Sie hatte gefordert, das Verfahren nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit abzuhalten. Sie setzte sich ausdrücklich dafür ein, die Videos der Vergewaltigungen im Gerichtssaal zu zeigen, „damit die Scham die Seite wechselt“.
Das Recherche-Team von STRG_F hat weitere Nutzer-Beiträge veröffentlicht, die sich so lesen. „Es beginnt alles mit einem kleinen Glas Wodka und endet mit ein paar Schlaftabletten“, schreibt einer. Wenig später fährt er fort: „Sie ist jetzt sturzbesoffen und auf ein paar Schlafmedis. Ich sollte hoffentlich bald ein bisschen Spaß haben.“ Andere Nutzer geben sich begeistert: „Wow, fantastisch! Wie sieht sie aus?“ Der Nutzer schickt Fotos: „Gib mir “ne Minute. Mal sehen, in welchem Zustand sie ist.“
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Besitz von Vergewaltigungsaufnahmen nicht strafbar
Sexuelle Übergriffe gegenüber Bewusstlosen sind nach Paragraf 177 Absatz 2 des Strafgesetzbuches strafbar. Der Besitz von Aufnahmen von Vergewaltigungen erwachsener Personen hingegen nicht. Das Bundesministerium der Justiz erklärte dazu auf Anfrage des Recherche-Teams: „Kriminalpolitisch ist es nach derzeitiger Einschätzung des Bundesministeriums der Justiz nicht geboten, dies zu ändern.“
Bei den empfohlenen Betäubungsmitteln war laut STRG_F ein als Haar-Pflegeprodukt getarntes K.o.-Mittel. Dieses konnten die Rechercheure in einem Online-Shop kaufen. Anschließend ließen sie es im Universitätsklinikum Freiburg vom Toxikologen Prof. Dr. Volker Auwärter analysieren. Das Ergebnis: U.a. fand er Medetomidin, ein Tiernarkosemittel, Flualprazolam, ein Designer-Benzodiazepin, und Scopolamin, ein Medikament gegen Erbrechen. Auwärter ist laut STRG_F „schockiert“ gewesen. Eine solche Zusammensetzung sei bislang nicht bekannt. Deswegen sei in Standardtests nicht danach gesucht worden. Zudem bleibe ein Haarserum bei einer Hausdurchsuchung unentdeckt.