Berlin. Der Landesarchäologe von Rheinland-Pfalz soll Funde jahrelang bewusst falsch datiert haben. Das Ausmaß des Schadens wird nun untersucht.

Der Fund sei eine Sensation, vielleicht einer der bedeutendsten der Nachkriegszeit – so urteilten Wissenschaftler über den sogenannten „Neandertaler von Ochtendung“. 1997 hatte der spätere Landesarchäologe von Rheinland-Pfalz in einem Vulkankrater nahe der Ortschaft Ochtendung Schädelfragmente gefunden. Dabei soll es sich um Knochen eines Neandertalers gehandelt haben, menschliche Überreste aus dem Paläolithikum – eine wissenschaftliche Sensation.

Seit einiger Zeit weiß man es besser: Der angebliche Neandertaler-Schädel ist Untersuchungen mit der Radiokarbonmethode (C14) zufolge 160.000 bis 170.000 Jahre jünger als angenommen und stammt aus dem frühen Mittelalter. Von dem vermeintlichen Sensationsfund ist nichts geblieben.

Eine Schlacht, die es wohl nie gegeben hat

Dass der Schädel überhaupt noch einmal wissenschaftlich untersucht wurde, liegt an einem mutmaßlichen Manipulationsskandal, dem wohl größten in der jüngeren Geschichte der deutschen Archäologie. Unter Verdacht steht der Landesarchäologe von Rheinland-Pfalz. Der Mann soll über Jahre hinweg Funde bewusst falsch datiert und zu wissenschaftlichen Sensationen aufgeblasen haben. Es geht um mindestens 21 bewusst falsch datierte Schädel sowie zahlreiche andere Fälschungen, wie das zuständige Innenministerium in Mainz mitteilte. Gegenüber über dem „Spiegel“ ließ der Archäologe alle Vorwürfe über seinen Anwalt zurückweisen. Allerdings läuft schon seit einiger Zeit ein Disziplinarverfahren wegen des Vorwurfs der bewussten Manipulation gegen ihn.

Der angebliche Neandertaler ist nach bisherigen Erkenntnissen aber nur die Spitze des Eisbergs. Alle Verdachtsfälle würden systematisch abgearbeitet, erklärte die Mainzer Staatssekretärin Simone Schneider. Ein weiterer Verdachtsfall betrifft das vermeintliche „Schlachtfeld von Riol“. Dort, im Moseltal, soll sich im 1. Jahrhundert nach Angaben des Beschuldigten eine Schlacht zwischen einem germanisch-keltischen Stamm und römischen Legionären zugetragen haben. Als Beweis präsentierte der Archäologe den Helm eines Legionärs, in dem ein rostiger Nagel steckt. Er deutete sie als Trophäe der Kelten. Eine Überprüfung durch einen Schlachtfeldexperten ergab nun, dass es für einen größeren Kampf in der Gegend keine ausreichende archäologische Datenbasis gebe.

Bereits Manipulationen in der Doktorarbeit nachgewiesen

Aufgrund konkreter Anhaltspunkte, der Archäologe habe geschichtsträchtige archäologische Funde bewusst manipuliert, war die Aufklärung mit externer Unterstützung und Beratung angestoßen worden. Diese solle das genaue Ausmaß der betroffenen Funde klären.

Auslöser der Überprüfungen war früheren Angaben zufolge eine vertrauliche Anfrage einer nicht genannten Universität aus dem vergangenen Jahr. Dort seien Zweifel an der schon viele Jahre alten Dissertation des Mannes aufgekommen. Wie der „Spiegel“ berichtet, soll der Beschuldigte auch dort manipuliert haben und auf angebliche Funde der Landesbehörde verwiesen haben, die gar nicht existieren. „Da stimmte so gut wie nichts“, zitiert der „Spiegel“ den stellvertretenden Landesarchäologen Ulrich Himmelmann.

tok mit dpa