Berlin. Am Gardasee soll ein neuer Rundweg für Fahrräder entstehen. Dafür muss vielerorts Platz geschaffen werden – zum Ärger der Anwohner.

„Schluss mit dem Massaker der Zypressen am Gardasee“: Mit diesem Slogan protestieren Einwohner gegen die Fällung von 150 uralten Zypressen, um Platz für den Radweg „Ciclovia del Garda“ zu schaffen, der die Radumfahrung des Sees ermöglichen soll. Die Rodung der über 100 Jahre alten Bäume hat bereits begonnen.

Das „Komitee zum Schutz des Gardasees“, das gegen die Abholzung zugunsten des Radweges protestiert, scheiterte mit seinen Plänen, die Rodung zu stoppen. Der Grund: In der autonomen Provinz Trentino gibt es keine Denkmalschutzbehörde, an die sich das Komitee wenden könnte, um die Fällung der Zypressen zu verhindern. Auch die spontane Vegetation an der Steilküste werde dem Plan des Radwegs geopfert, beklagen die Einwohner.

Karte Radweg Gardasee
Der Radweg soll einmal um den gesamten Gardasee führen. © Koordinierungsstelle zum Schutz des Gardasees | Koordinierungsstelle zum Schutz des Gardasees

Wegen Radweg am Gardasee: Protestler außer sich vor Wut

„Der Schaden ist nicht nur ökologisch, sondern auch landschaftlich. In der Tat werden wunderbare Zypressen an einer der schönsten Straßen der Welt gefällt“, betont Mauro Mazza, Sprecher des „Komitees zum Schutz“ des Gardasees gegenüber unserer Redaktion. Und weiter: „Diese wunderbare Straße droht jetzt unwiederbringlich ausgelöscht zu werden, um den extrem invasiven Metallelementen für einen Radweg Raum zu schaffen. Das müssen wir unbedingt verhindern.“

Ausbau des Radwegs wird gnadelos fortgesetzt

Die Provinz Trient hat gerade neue Abschnitte des Radwegs in Auftrag gegeben und setzt die Arbeiten fort. Doch die Realisierung des Projekts im bergigen Norden des Sees, wo die Felswände über dem Wasser steil abfallen, gestaltet sich als besonders schwierig. Der Radweg soll entlang der Felswand auf Stegen verlaufen und im Felsen verankert werden, was den Zustand der Hänge irreversibel verändern würde.

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Diese Art „Hängebrücken“ über dem See drohen die „Falesie“ zu ruinieren, die fragilen und wunderschönen Felsen, die diesen Uferbereich des Gardasees prägen. Angesichts häufiger Erdrutsche in dem Areal sei die Sicherheit des Radweges keinesfalls garantiert. Anstelle des Radwegs fordert das Komitee eine Fährverbindung mit umweltfreundlichen Schiffen, die Radfahrer auf die andere Seite des Sees im nördlichen Teil führen soll.

Jetzt soll der Europarat eingreifen

Da das Komitee mit seinen Einwänden bei den Trentiner Behörden nicht weiterkommt, will es sich jetzt an den Europarat wenden. Mithilfe italienischer EU-Parlamentarier wollen die Mitglieder des Komitees Europa auf die Schäden aufmerksam machen, die wegen der Radweg-Pläne entstehen. „Wir hoffen auf Hilfe der Umweltschützer in anderen europäischen Ländern, darunter Deutschland“, meint Mazza.

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Das Radweg-Projekt soll Radfahrern aus aller Welt eine Tour rund um den gesamten Gardasee ermöglichen. Die Planer versprechen den „schönsten Radweg der Welt“ mit einer Strecke von rund 140 Kilometern – ein Vorhaben mit enormem wirtschaftlichem und touristischem Potenzial. Seit einigen Jahren schon wird an dem Rundweg gebaut, 2026 soll er endlich komplett fertig sein. Doch je weiter die Planung voranschreitet, desto größer wird der Widerstand von Umweltschutz- und Bürgerinitiativen.

Hoteliers und Tourismusveranstalter, die anfangs den Radweg stark befürworteten, hätten inzwischen begriffen, dass es mehr negative Auswirkungen als Vorteile gebe, meinen die Gegner des Projekts. Die hohen Kosten sind ein weiterer wunder Punkt: Die 2021 auf 344 Millionen Euro veranschlagten Ausgaben haben sich inzwischen auf 1,3 Milliarden Euro vervierfacht.