Berlin. ARD und ZDF setzen immer mehr auf Frauen als Kriegsreporter. Was es mit dem Wandel auf sich hat – und wie eine Reporterin den Job erlebte.

  • Sophie von der Tann, Katharina Willinger, Hanna Resch – all diese Journalistinnen berichten aus Kriegsgebieten
  • Der Job des Kriegsreporters scheint längst nicht mehr nur Männern vorbehalten
  • Warum Medien immer häufiger auf die weibliche Perspektive setzen, erklärt eine Expertin

Sie dokumentieren, analysieren und klären auf und das unter oftmals lebensbedrohlichen Umständen: Kriegskorrespondenten. Lange haben diesen Job vor allem Männer gemacht. Doch wer die aktuelle Berichterstattung über den Nahostkonflikt oder den Ukrainekrieg verfolgt, kann feststellen: Große deutsche Medienanstalten setzen vor allem auf junge Korrespondentinnen, um aus Krisengebieten zu berichten.

Ob Sophie von der Tann, Katharina Willinger oder Hanna Resch – die jungen Frauen lieferten den ARD-Zuschauern in den vergangenen Monaten oft jeden Tag Bilder und Live-Schalten aus dem Nahen Osten. Katrin Eigendorf versorgt das ZDF bereits seit 2022 mit Berichten aus dem Ukraine-Krieg.

„Lange war es so, dass Frauen eher über Lokales, Kultur oder Vermischtes berichtet haben und Männer über Wirtschaft, Ausland, Sport oder Politik“, sagt Martina Thiele, Medienwissenschaftlerin an der Universität Tübingen. Inzwischen seien Frauen aber deutlich stärker in den traditionellen Männerressorts tätig. Doch woher kommt dieser Wandel?

Kriegskorrespondentinnen: Was sich in den letzten 20 Jahren getan hat

Journalistin Sophie von der Tann, die zurzeit als Auslandskorrespondentin für die ARD aus Israel berichtet, sagte letztes Jahr in einem Interview mit der Seite journalist.de: „Also für mich macht es wirklich keinen Unterschied, von dort als Frau oder Mann zu berichten.“ Dass sich viele so für den Umstand interessierten, werfe bei ihr die Frage auf, warum es in der deutschen Medienlandschaft immer noch als Ausnahme wahrgenommen werde.

„Wir müssen aber unterscheiden zwischen der höheren Sichtbarkeit von Kriegsberichterstatterinnen auf dem Bildschirm und den Geschlechterverhältnissen in den jeweiligen Redaktionen“, sagt Thiele. Chefredakteurs- und Ressortleiterstellen seien nach wie vor überwiegend männlich besetzt. Das zeigt auch ein Studie des Reuters Institut von 2024: Demnach waren im Jahr 2023 in Deutschland rund 20 Prozent der Top-Redakteursstellen in den untersuchten Märkten, darunter das ZDF, weiblich besetzt. Die USA mit 44 Prozent oder Finnland mit 36 Prozent sind da schon etwas weiter.

Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin Martina Thiele
Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin Martina Thiele forscht zu Geschlechterdiversität in den Medien an der Eberhard Karls Universität Tübingen. © privat | Alex Kühr

Verlässliche Zahlen dazu, wie viele Frauen weltweit als Kriegskorrespondentinnen arbeiten, gebe es nicht. „Es ist also eher ein Eindruck, dass es nun mehr weibliche Korrespondentinnen in Kriegsgebieten gibt“, erklärt Thiele. Eingestellt habe sich der durch die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten. Die Wissenschaftlerin betont allerdings auch: „Im Vergleich zur Kriegsberichterstattung vor 20 oder 30 Jahren lässt sich der Eindruck aber auf alle Fälle erhärten.“ Da hätten fast nur Männer vor der Kamera gestanden.

Ehemalige Kriegsreporterin: „Ich habe alle Bedenken erfüllt“

Das kann Andrea Bähner aus eigener Erfahrung bestätigen. Bähner hat als Auslandsreporterin für das ARD Europamagazin, ARTE und SWR Blickpunkt Europa gearbeitet und sich dabei auf Kriegsberichterstattung spezialisiert. Sie berichtete aus Bosnien und Kosovo während der dortigen Konflikte in den 1990er Jahren und aus Kairo über die Golfkriege. „Damals war es kein Selbstläufer, als junge Journalistin in Kriegsgebiete zu gehen“, erzählt die 58-Jährige.

Das habe man vielen Frauen nicht zugetraut und bekannte Vorbilder habe es nur wenige gegeben. Sie war damals Anfang 30, hatte zuvor Politik des Nahen Ostens in Haifa studiert. Bähner merkt an: „Und trotzdem habe ich erst einmal alle Bedenken erfüllt, die mein Chef hatte: eine weiße, blonde, junge Frau – die kann man doch nicht ausgerechnet nach Kairo schicken.“ Sie durfte gehen. Vor Ort habe sie nur positive Erfahrungen gemacht.

Andrea Bähner ist ehemalige Kriegsreporterin.
Andrea Bähner ist ehemalige Kriegsreporterin. Damals war sie als weibliche Journalistin noch eine Ausnahme. © Peter Jülich | Staatskanzlei RLP

In ihrem Team in Ägypten sei sie bis auf die Redaktionsassistentin die einzige Frau gewesen. „Sonst waren das alles Männer – und alle älter als ich.“ Das sei jedoch nie ein Problem gewesen: „Es war immer klar, dass man sich draußen im Kriegsgebiet aufeinander verlassen muss und dass wir einander brauchen. Das war immer auf Augenhöhe“, sagt die ehemalige Journalistin.

Berichten über Krieg: Frauen werden sichtbarer

„Anders war das, wenn abends Journalisten von verschiedenen Sendern zusammenkamen“, erinnert sich Bähner. „Da ging‘s dann schon mal ziemlich breitbeinig zu, wo sich manch einer verwundert zeigte, dass auch ich Kriegsreporterin bin.“ Man könne auf jeden Fall festhalten, dass Kriegsreporterinnen Ausnahmen waren.

Heutzutage beobachte Bähner, dass Frauen in dem Bereich sichtbarer werden. „Es ist eine neue Generation von jungen, qualifizierten Frauen da, die selbstbewusst ist und Bock auf den Job hat – das finde ich super“, betont sie. „Doch es gibt auch immer noch einige Menschen, die sagen, wie will denn diese junge Frau die Welt erklären?“, stellt die ausgebildete Journalistin fest. Das sei weiterhin ein Prozess.

Die ehemalige Kriegsreporterin findet es wichtig, dass nicht nur Männer aus Kriegsgebieten berichten, „weil Männer das nicht besser können als Frauen“, so die 58-Jährige. Im Gegenteil, sie findet sogar: „Frauen berichten oftmals etwas unaufgeregter über Krieg und nehmen sich vielleicht auch ein bisschen weniger wichtig.“ Dafür stellten sie die Menschen hinter den Geschichten stärker nach vorn.

Mehr Frauen in den Auslandstudios – das sagt die ARD

Tatsächlich hätten frühere Studien belegt, dass Journalistinnen im Krieg oft einen anderen Zugang zu Themen wählten als Männer, bestätigt Medienwissenschaftlerin Martina Thiele. In Interviews hätten viele Journalistinnen vor allem gesagt, es sei ihnen wichtig, auch Folgen des Krieges zu zeigen, statt den Krieg nur rein militärisch und analytisch zu beschreiben. „Sie sprechen mit der Zivilbevölkerung, mit den Menschen, die unter dem Krieg leiden. Gespräche mit den Mächtigen und irgendwelchen Warlords sind ihnen weniger wichtig“, so die Expertin.

„Dass Frauen diese andere Perspektive mitbringen, kann ein Grund sein, warum Medienhäuser auf weibliche Kriegskorrespondentinnen setzen“, vermutet Thiele. Die Gründe für die Entwicklung seien aber insgesamt sehr vielfältig und nicht allein auf das Geschlecht zurückzuführen. Die Wissenschaftlerin bekräftigt: „Qualifikation ist ebenso entscheidend.“

Sophie von der Tann
Als Korrespondentin für die ARD berichtet Sophie von der Tann regelmäßig live aus Israel und Gaza. © Screenshot | Ard

Das gibt auch der Bayrische Rundfunk (BR) als Grund an. Der BR, für den Katharina Willinger, Sophie von Tann und Hanna Resch berichten, gehört zur ARD. „Bereits seit Jahren zeigt sich bei der Ausbildung von Nachwuchs, dass sich hier überdurchschnittlich viele Frauen qualifizieren, etwa für das Volontariat im BR“, sagt eine Pressesprecherin. Ein Volontariat ist eine journalistische Ausbildung.

Verein teilt Eindruck: „Journalismus zunehmend weiblicher“

Thiele zufolge sei es erstaunlich, dass sich Journalistinnen wie Sophie von der Tann, für ihr Alter und ihr Geschlecht rechtfertigen müssten und es offenbar längst noch nicht normal sei, dass hochqualifizierte Journalistinnen über Krisen und Konflikte berichten.

Corinna Cerruti, Vorstandsvorsitzende vom Verein ProQuote Medien e.V., der sich für mehr Geschlechterdiversität in den Medien einsetzt, sagt: „Wir begrüßen es sehr, dass immer mehr Frauen als Korrespondentinnen auch in der Kriegs- und Krisenberichterstattung sichtbar sind – so auch in der ARD.“ Dass Journalistinnen wie Sophie von der Tann, Katharina Willinger und Hanna Resch vermehrt in der Live-Berichterstattung präsent seien, zeige, dass der Journalismus zunehmend weiblicher werde.