München/Berlin. Auch Deutschland hat ein „Stonehenge“. Unser Archäologie-Experte berichtet, welche überraschende Entdeckung dort gemacht wurde.
Pünktlich zur Sommersonnenwende gehen Nachrichten über Stonehenge rund um die Welt – allerdings nicht wegen des alljährlichen Lichtschauspiels, sondern wegen einer aufsehenerregenden Aktion der Klimaaktivisten von „Just Stop Oil“. Diese haben das Unesco-Weltkulturerbe mit oranger Farbe – wohl auf der Basis von Maisstärke – besprüht. Der Schock hatte zahlreiche Reaktionen und Statements zur Folge – und meine personalisierte „Für Dich“-Seite bei Instagram war voll mit diesen Beiträgen.
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Wie die Aktion zu bewerten ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Persönlich bemerkt habe ich allerdings: Fast keiner ist sich im Klaren darüber, dass das Weltkulturerbe häufig dem Vandalismus ausgesetzt ist.
Stonehenge: Schmierereien keine Seltenheit
Vor allem bei esoterischen Zusammenkünften kommt es immer wieder zu Schmierereien an den oder sogar Gravuren in die historisch bedeutsamen Steine. Letzteres kann logischerweise nicht einfach wieder abgewaschen werden. Beim weiteren Nachdenken über diese Thematik fiel mir ein, dass wohl auch die wenigsten hierzulande über die Ringheiligtümer in Deutschland Bescheid wissen. Dabei handelt es sich in Wahrheit um ein großes und spannendes Thema!
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Wie passend, dass erst kürzlich neue Erkenntnisse aus Pömmelte veröffentlicht wurden. Dabei handelt es sich um das bekannteste Ringheiligtum Deutschlands. Beginnen wir aber erstmal mit dem Fundplatz: Pömmelte gehört zur Stadt Barby und liegt in Sachsen-Anhalt. Erst 1991 aus der Luft entdeckt, wurde dort im Jahr 2006 besagte Anlage ausgegraben. Recht schnell war die Rede vom „kleinen Stonehenge“.
„Kleines Stonehenge“ in Deutschland: Archäologe erklärt, was dahintersteckt
Allerdings wurde das Pömmelte-Fundstück aus Holz errichtet – und sollte eher mit Woodhenge verglichen werden, welches nur gut drei Kilometer vom berühmten Stonehenge entfernt liegt. Auch zeitlich passt hier der Vergleich gut: Wir befinden uns am Ende der sogenannten Jungsteinzeit (Neolithikum) und in den Anfängen der Bronzezeit – also grob Mitte des 3. Jahrtausends bis Mitte des 2. Jahrtausends vor Christus. Typisch für diese Bauwerke ist auch in Pömmelte der astronomische Kontext.
So viel zum bisher Bekannten – aber was ist jetzt eigentlich neu?
Ausgrabungen von 2018 bis 2022 offenbarten eine bemerkenswerte Zahl von 140 Hausgrundrissen im direkten Umkreis der Kreisgrabenanlage. Diese Zahl muss man aus Archäologie-Sicht erstmal wirken lassen. Dieses Jahr kamen nochmals drei weitere Hausgrundrisse hinzu. Somit liegen insgesamt zwölf Häuser der sogenannten Glockenbecherzeit vor – die größte Siedlung dieser Zeit in Mitteldeutschland.
Deutsches Stonehenge aus Holz: Riesige Siedlung in der Nähe ausgegraben
Erbaut wurde sie um 2400 vor Christus auf etwa 39.000 Quadratmetern, was etwa fünfeinhalb Fußballfeldern entspricht. Aus der Epoche davor, der Schnurkeramik, sind keine Wohnhäuser, aber insgesamt beachtliche 78 Getreidesilos bekannt, die Tonnen an Getreide lagern konnten. Hochrechnungen kommen so auf eine Zahl von 780 Erwachsenen, die problemlos ein Jahr lang ernährt werden konnten.
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Archäobotanische Ergebnisse zeigen, dass dort Gerste, Dinkel und vor allem Weizen eingelagert wurden. Untersuchungen an den Keramikscherben belegen aber, dass es sich um keine vegetarisch oder vegan lebenden Menschen handelte, da sich Fettreste von Schweinen und Rindern erhalten haben. Drei ausgegrabene Skelette der Aunjetitzer Kultur belegen für die frühe Bronzezeit in Pömmelte aber auch Individuen mit einer Vorliebe für fleischarme oder fleischlose Kost.
Ich denke, man sieht eindrucksvoll, was aktuell wissenschaftlich möglich ist, und noch dazu, welche kulturellen Schätze auch in Deutschland schlummern.
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Da der Sommer jetzt endlich da ist (Stichwort: Sommersonnenwende), lohnt natürlich absolut ein Besuch im 2016 rekonstruierten Ringheiligtum in Pömmelte, welches imposant in der Landschaft steht. Also: Fedora aufgesetzt und nichts wie raus zu neuen archäologischen Abenteuern!
Unser Experte
Ägyptische Pyramiden, entdeckte Schätze, der Alltag der alten Römer und Griechen: Archäologie fasziniert viele Menschen. Konstantin Kárpáty hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Der Münchener ist nach seinem Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) seit Kurzem Doktor der Archäologie. Was er in seinem Job erlebt und was die wichtigsten Neuigkeiten aus der Welt der Archäologie sind, erzählt er für uns regelmäßig aus ganz persönlicher Sicht. Außerdem betreibt er die Social-Media-Kanäle „Excavation Time“ und den Podcast „Ausgegraben“.