Dohren. Sie sind zwölf Jahre alt, spielen Baseball in Dohren und träumen vom Profivertrag. Dafür verzichten zwei Schüler sogar auf Sommerferien.
Wozu sind Sommerferien in der Schule da? Um so lange zu schlafen, wie man will, um sich Hobbys zu widmen, zu denen sonst kaum Zeit ist, oder um mit Freundinnen und Freunden in der Sonne abzuhängen. Das würde wohl die meisten Schülerinnen und Schüler antworten. Nicht aber zwei junge Männer aus dem Landkreis Harburg. Für sie stehen die Schulferien ganz und gar im Zeichen ihres größten Hobbys, dem Baseball. Dafür nehmen sie viele Anstrengungen auf sich und stehen im Urlaub sogar um 6 Uhr morgens auf.
Baseball-Talente aus Dohren: Europameister mit der Nationalmannschaft
Die Rede ist von Keylen Fernandez Ruiz, zwölf Jahre als aus Buchholz, und Matthes Schwarcke, elf Jahre alt aus Tostedt, aus der Nachwuchsabteilung der Dohren Wild Farmers. In der regulären Saison spielen sie parallel in zwei Mannschaften Baseball: bei den U12-Schülern und den U15-Jugendlichen. In beiden Altersklassen geht es nach den Ferien im Duell mit Braunschweig um die Niedersachsenmeisterschaft. Doch das wäre nur ein kleiner Titel.
Denn Keylen und Matthes sind frisch gebackene Europameister. Kurz nach Ferienbeginn ging es für sie nach Paderborn, wo sich die U12-Nationalmannschaft auf die Titelkämpfe im eigenen Land vorbereitete. Bei der EM in den ersten Juli-Tagen wurde Deutschland seiner Favoritenrolle gerecht. Das Nationalteam um die beiden Talente aus Dohren gewann alle fünf Spiele: gegen die Ukraine (16:3), Frankreich (5:2), Tschechien (5:4), Italien (10:0) und im Finale gegen die Niederlande (5:0).
EM in Paderborn: Deutschland gewinnt alle fünf Turnierspiele
„Matthes und Keylen haben jedes Spiel gespielt und konnten im ganzen Turnier überzeugen“, sagte Wild-Farmers-Sprecherin Kirsten Dallmann. In Paderborn unterstützte sie mit Familien und Freunden – in Summe etwa 20 Personen aus der Nordheide – das deutsche Team. Beide Wild Farmers schlugen jeweils zwei Homeruns. Dazu bot Matthes Schwarcke im Finale eine bärenstarke Wurfleistung. „Matthes pitchte im Finale fünf Innings und setzte zehn Holländer per Strike-out auf die Bank zurück“, so Dallmann.
„Na klar haben wie gefeiert. Unseren Trainer haben wir ordentlich mit Wasser geduscht“, erzählt Keylen Fernandez Ruiz grinsend. Er ist Wiederholungstäter, gehörte schon 2023 zum deutschen U12-Team, das erst in Frankreich Europameister wurde und dann bei der Weltmeisterschaft in Taiwan den neunten Platz belegte – für Baseball-Deutschland eine sehr gute Platzierung. Seit diesem Jahr neu zum Kader der Nationalmannschaft gehört indes Matthes Schwarcke.
Matthes Schwarcke: „Fangen und werfen konnte ich schon immer gut“
Im Alter von sechs Jahren kam er über eine Baseball-AG an seiner Tostedter Schule erstmals mit Baseball in Berührung. „Mein Bruder hat Fußball gespielt. Mir hat es Spaß gemacht, mal eine andere Sportart auszuprobieren. Fangen und werfen konnte ich schon immer gut“, erzählt der heutige Schüler des Gymnasiums Tostedt. Unter den Fittichen des Trainerduos Pedro Fernandez Ruiz, dem Vater von Keylen, und Nils Oetken entwickelte sich Matthes Schwarcke sehr gut.
Zunächst gelang ihm der Sprung in die Niedersachsenauswahl. Aufgrund guter Leistungen beim Länderpokal wurden die Trainer der Deutschen Baseball Akademie (DBA), unter deren Dach die U-Nationalmannschaften organisiert sind, auf den Jungen aus dem Landkreis Harburg aufmerksam. Bald wurde Matthes zu Sichtungsmaßnahmen, sogenannten Try-outs, eingeladen und spielte im März in Barcelona bei einem Vorbereitungsturnier im Team Deutschland mit. EM-Gold ist natürlich sein größter Erfolg.
In der regulären Saison trainieren Matthes und Keylen viermal pro Woche
In normalen Wochen trainieren Matthes und Keylen viermal pro Woche im Ballpark am Kakenstorfer Weg in Dohren. Mittwochs und freitags mit ihrer Mannschaft, zusätzlich dienstags und donnerstags im Leistungstraining. Dann arbeiten sie zusammen mit Importspieler Ivan Andueza zum Beispiel an Wurfvarianten für das Pitching.
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Mit vier Trainingseinheiten pro Woche geben sich Keylen und Matthes für den Rest der Schulferien allerdings nicht zufrieden. Da erhöhen die 2012 geborenen Talente auf sechs Trainingstage, jeder ist sechs bis sieben Stunden lang. Am Mittwoch sind sie nämlich mit dem Flugzeug von Frankfurt (Main) aufgebrochen in die Dominikanische Republik, um drei bis vier Wochen lang in der „Ruiz Bull Academia de Baseball“ zu trainieren.
Für den Rest der Sommerferien in einer Baseball-Akademie in der Karibik
Weil sein Vater „Patico“ aus der „Dom Rep“ stammt und gemeinsam mit Georg Bull besagte Baseball-Akademie betreibt, war Keylen schon fünf- bis sechsmal in dem Karibikstaat. Für Matthes ist der lange Flug eine Premiere. „Ich wollte da auch mal hin und ausprobieren, wie es ist“, sagt der Elfjährige. Familie Schwarcke begleitet ihren jüngsten Sohn und macht dort Urlaub.
„Um 7 Uhr morgens findet das erste Training am Strand statt. Erst danach gibt es Frühstück“, erzählt Keylen. Insgesamt sechs Stunden pro Tag und sechs Tage pro Woche werden die Dohrener in einer kleinen Gruppe mit Elf- bis 14-Jährigen trainieren. „Sonntags ist frei, da fahren wir Quad“, hat sich Keylen vorgenommen. Zeit zum Ausruhen gibt es am späten Nachmittag und Abend, wenn die Jungs am Strand chillen oder mit der Luftmatratze aufs Meer paddeln.
Paul Hoff als gutes Beispiel: Zwölfjährige träumen vom Profivertrag
Das Training und gute Essen haben Keylen Fernandez Ruiz bei den ersten Aufenthalten in der Dominikanischen Republik am besten gefallen. Natürlich träumen er und Matthes Schwarcke von einer Karriere als Baseballprofi. „Wir wollen uns hocharbeiten und möglichst jung gescoutet und gesigned werden“, sind sie sich einig. „Gesigned“ bedeutet, dass eine Organisation der Major League Baseball (MLB) sie für mehrere Jahre vertraglich an sich bindet.
Dass man es aus Dohren zum Baseballprofi schaffen kann, zeigt das Beispiel von Paul Hoff, der im Januar einen MLB-Vertrag bei den Milwaukee Brewers unterzeichnet hatte. Damit bliebe aber noch weniger Zeit für Ferien, Urlaub und Freunde treffen.