Dohren. Vor 33 Jahren fuhren die Landwirte in Dohren noch mit dem Trecker zum Baseball-Training. Was vom Zauber des Anfangs geblieben ist.
Ein Dorf ohne Schule, Kneipe und Sporthalle, aber mit einem Erstliga-Baseball-Team – die Dohren Wild Farmers sind die Attraktion des kleines Örtchens vor den Toren Hamburgs. Von den 1300 Einwohnern haben sich an die Hundert dem US-amerikanischen Sport verschrieben und sind sogar äußerst erfolgreich.
In den Playoffs um die Deutsche Meisterschaft 2023 schieden die Niedersachsen erst gegen den hohen Favoriten Heidenheim Heideköpfe aus. Der Saisonetat für die Bundesliga-Mannschaft ist vergleichsweise bescheiden und beträgt ein Bruchteil dessen, was der sechsmalige Deutsche Meister aus Baden-Württemberg zur Verfügung hat.
Wild Farmers Dohren: Alles begann mit einem Kinobesuch in Hamburg
Auch in Dohren im Landkreis Harburg heben drei internationale Akteure das Niveau, sie bekommen aber lediglich ein Taschengeld und sind privat in Familien untergebracht. Morgens geben sie in der nächstgelegenen Schule auch Sportunterricht, für die Sechs- bis Zehnjährigen ist es das Highlight der Schulwoche.
Louis Davolio aus Boston hat sich in der letzten Partie der Saison den Finger gebrochen, kommt aber trotzdem mit Bandage zu jedem Training. „Zuerst war es ein Kulturschock für mich, so ein kleines Dorf“, sagt der 23-Jährige lachend. In sechs Monaten hat er passabel Deutsch gelernt und ist von der Gastfreundschaft in der Nordheide mehr als angetan: „Jeder ist superfreundlich, hat mich zum Essen eingeladen.“
Kinofilm als Initialzündung: „Indianer von Cleveland“ führte zur Gründung des Teams
Davolio wird weiterziehen, der Stamm der Mannschaft wie immer bleiben. Vor 33 Jahren, als die Abteilung gegründet wurde, trafen sich überwiegend junge Landwirte und fuhren mit Treckern zum Training. Sie kamen auf die Idee nach einem Kinobesuch in Hamburg mit dem US-Film „Indianer von Cleveland“, in dem sich nicht sehr sportliche Männer zu einer erfolgreichen Baseball-Mannschaft zusammenraufen. Das Autokennzeichen WL für Winsen/Luhe steht im Volksmund für „Wilde Landwirte“ – woraus die Wilden Farmer entstanden.
Mit Motorradhelmen und Tennisbällen wurde geübt, mit Sandsäcken die Anlaufpunkte auf dem Spielfeld markiert. Nach zehn Jahren Bundesliga ist vieles professioneller, aber immer noch sind drei Landwirte dabei und während der Matches fährt schon mal der Mähdrescher nebenan über das Feld.
Das kameradschaftliche Ambiente ist über die Jahre geblieben
„Wir sind fünfmal aufgestiegen“, berichtet der 34 Jahre alte Thies Brunckhorst. 15 Jahre habe er bei den Ersten Herren mitgespielt, nun wirkt er bei den Zweiten Herren in der 2. Bundesliga mit.
Das kameradschaftliche Ambiente ist über die Jahre geblieben: Zwei Baseballer entwarfen und bauten jüngst die elektrische Anzeigetafel, Arbeitsdienste gibt es für alle. Und an jedem Wochenende von Mai bis September ist auf dem Sportplatz etwas los, der Kuchen wird meist von den Angehörigen gebacken. Sieben Teams – von den Minis bis zur 1. Bundesliga-Mannschaft – machen das Heidedorf zu einer norddeutschen Baseball-Hochburg.
Coach Patico Fernandez Ruiz: Im Hauptberuf Maler und Lackierer
Für die gute Nachwuchsarbeit des SV Dohren steht Patico Fernandez Ruiz aus der Dominikanischen Republik, im Hauptberuf Maler und Lackierer. Die Ehefrau des 46-Jährigen kommt aus dem benachbarten Buchholz.
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Nach seiner aktiven Karriere baute er die Jugendarbeit auf, inzwischen übernahm er auch die 1. Herren. Sein elfjähriger Sohn Keylen ist mit Deutschlands U12-Auswahl Europameister geworden, zuletzt flog das Talent mit der Nationalmannschaft zur WM nach Taiwan.
Bereits im März 2014 war einem Abendblatt-Reporter bei der Teampräsentation ein zweijähriger Steppke aufgefallen, der nimmermüde Schlagübungen mit einer Baseballkeule vollführte, die größer als er selbst zu sein schien. Und doch traf der Junge erstaunlich oft den kleinen Gummiball, der am oberen Ende eines langen Stabes ruhte. „Das ist ganz normal“, verriet Mutter Nina dem Abendblatt seinerzeit. „Seit Keylen drei Monate alt ist, ist er ständig mit auf dem Platz.“