Landkreis Stade. Als Soldat, als Krankenschwester und als Überbringer von Hilfsgütern aus Stade: Wie Grischa Kaflowskys Familie die Ukraine unterstützt.
Er pendelt unermüdlich zwischen dem Landkreis Stade und seinem Zuhause in Kiew: Der Ukrainer Grischa Kaflowsky ist längst zum Gesicht der Hilfe für sein vom russischen Angriffskrieg gebeuteltes Heimatland geworden. Auch zweieinhalb Jahre nach dem Beginn der russischen Invasion organisiert er regelmäßig Spendenaktionen und kümmert sich persönlich darum, dass die Hilfsgüter auch dort ankommen, wo sie benötigt werden. Während eines Besuches seines Sohnes in der Frontstadt Charkiw erfuhr Kaflowsky jetzt wieder aus erster Hand, wie ernst die Lage ist.
Sohn und Tochter des Mannes aus Stade sind seit Kriegsbeginn freiwillig im Einsatz
Grischa Kaflowsky war Oberstleutnant der Sowjetarmee, seit den 1990er-Jahren ist er im Osteuropa-Geschäft für Firmen aus dem Westen tätig. Seither hat er gute Kontakte in den Landkreis Stade, floh nach Kriegsbeginn mit seiner Frau und den Enkelkindern ins Kehdinger Dörfchen Assel. Sein Sohn, ein IT-Spezialist, meldete sich freiwillig für den Militärdienst. Seine Tochter, eine gelernte Kosmetikerin, hilft seit Kriegsbeginn in einem Krankenhaus aus.
Diesmal im Gepäck: 100 mobile Notstrom-Aggregate
Jetzt war Kaflowsky wieder in der Ukraine unterwegs – im Dienste der guten Sache, wie schon so häufig. Diesmal nutzte seine internationalen Geschäftsbeziehungen, um Stromaggregate aus China zu importieren. „Die Russen greifen vor allem die Energieinfrastruktur an“, sagt Kaflowksy. Viele Menschen in der Ukraine hätten bereits jetzt Angst vor dem Herbst und dem Winter, auch wenn die Temperaturen derzeit sommerlich warm seien. Um die Einsatzfähigkeit von Feuerwehr, Rettungsdienst und Kliniken zu gewährleisten, sind viele Standorte auf Notstrom angewiesen. 100 mobile Aggregate konnte Kaflowsky beschaffen – und unter anderem an Feuerwachen in Kiew und Lwiw verteilen. Mit einem Sattelzug wurde die insgesamt knapp acht Tonnen schwere Fracht im Land ausgeliefert. Bei der Verteilung der Spenden arbeitet Kaflowsky meist mit örtlichen Hilfsfonds zusammen.
Westliche Militärhilfen kommen offenbar an
Während seiner Reisen durch die Ukraine sah der ehemalige General der Sowjetarmee, der nach wie vor in Militär und Behörden bestens vernetzt ist, viele Militärkonvois – auch mit Lieferungen dringend benötigter Fahrzeuge und Ausstattung aus dem Westen. „Die Hilfe kommt“, freut sich Kaflowsky. Er konnte bei seiner jüngsten Reise beobachten, dass die westlichen Militärhilfen auf den Autobahnen und an Bahnstrecken des Landes sichtbar werden. „Sie sind derzeit in großer Zahl unterwegs“, berichtet der Ukrainer.
Sohn wäre fast einem Drohnenangriff zum Opfer gefallen
Wie dringend die Hilfe gebraucht wird, erlebte Grischa Kaflowskys Sohn Sascha vor Kurzem am eigenen Leib. Der Drohnenspezialist kämpft derzeit an der Front bei Charkiw. Dort hat ihn Kaflowsky mit der Schwiegertochter Lesja und dem Enkelkind Grischa Junior vor kurzem besuch - und war glücklich, ihn gesund und unversehrt vorzufinden. „Beinahe wäre mein Sohn einem russischen Drohnenangriff zum Opfer gefallen“, berichtet Grischa Kaflowsky. Mit weiteren Soldaten habe Sascha in einem Wald Stellung bezogen. Glücklicherweise hätten die ukrainischen Soldaten die über ihnen kreisende Drohne rechtzeitig bemerkt und das Einsatzfahrzeug gerade noch schnell genug verlassen können. Das bestens getarnte Fahrzeug sei beschossen worden und in Flammen aufgegangen, so Kaflowsky. „Glücklicherweise kamen die Soldaten mit dem Schrecken davon. Die Russen haben das Zeitfenster der stockenden Militärhilfe ausgenutzt“, ist Kaflowsky überzeugt. Sein Sohn Sascha hatte zu Kriegsbeginn das Regierungsviertel in Kiew verteidigt, später war er unter anderem in der Region Bachmut eingesetzt. Er hat ebenfalls eine enge Verbindung nach Niedersachsen, machte eine IT-Ausbildung in Hannover.
Angriffe mit Dutzenden Toten gehören zum Alltag
Inzwischen gebe es an der Front wieder Fortschritte, berichtet Kaflowsy. In Charkiw gehe das alltägliche Leben unterdessen weiter. Die Geschäfte und Restaurants haben geöffnet, die Menschen üben sich in Normalität. „Russische Angriffe, wie zuletzt auf den Baumarkt in Charkiw mit Dutzenden Toten, gehören zum Alltag“, sagt Kaflowsy: „Die Russen versuchen, uns zu entmutigen, doch das schaffen sie nicht. Der Kampfgeist der Ukrainer ist ungebrochen.“
„Auch die westliche Ukraine ist nicht mehr sicher“
Dass keine Region in der Ukraine mehr sicher sei, hätten die jüngsten Angriffe auf Lwiw im Westen des Landes nahe der Grenze zu Polen gezeigt. Auch in seiner Heimat in einem Vorort von Kiew erlebte Kaflowsky immer wieder, wie nah die Gefahr kommt. „Beinahe jeden Tag ist Luftalarm“, erzählt er. An das Heulen der Sirenen hätten sich die Menschen bereits gewöhnt. In einem Haus auf der anderen Straßenseite von seinem Grundstück seien unlängst russische Raketen iranischer Bauart eingeschlagen. Die Brandmeister der Feuerwache aus Kaflowskys Nachbarschaft seien im Einsatz beschossen worden. Die Bilanz: zwei verletzte Kameraden und ein Löschfahrzeug mit Totalschaden.
Der nächste Hilfstransport wird bereits vorbereitet
In wenigen Tagen wird Kaflowsky wieder in den Landkreis Stade zurückkehren. Er nutzt vor Ort seine engen Beziehungen nach Niedersachsen, um Hilfsaktionen auf die Beine zu stellen. Im Landkreis Stade fand er nach seiner Flucht im Februar 2022 schnell Unterstützung – vor allem bei Landrat Kai Seefried, den er inzwischen einen „Freund“ nennt. Seefried stellte den Kontakt zu Feuerwehren und Hilfsorganisationen her und übernahm die Schirmherrschaft für die Spendenaktionen.
Die Hilfsbereitschaft im Landkreis Stade ist groß
Ehrenamtliche Einsatzkräfte aus dem Landkreis übernahmen inzwischen mehrere Hilfstransporte, brachten Fahrzeuge für Feuerwehr und Rettungsdienst und dringend benötigtes medizinisches Equipment an die polnisch-ukrainische Grenze. Hier übernahmen dann Kaflowsky und seine Partner die Konvois. Bei den Vorbereitungen der Hilfstransporte wird der Landkreis Stade auch vom Generalkonsulat der Ukraine in Hamburg unterstützt.
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In drei Wochen ist es wieder soweit, dann starten die Freiwilligen aus den Feuerwehren und Hilfsorganisationen im Landkreis Stade erneut an die polnisch-ukrainische Grenze. Als Einsatzleiter wird abermals der Leiter der Feuerwehr- und Rettungsleitstelle des Landkreises Stade und stellvertretende Stader Stadtbrandmeister Wilfried Sprekels fungieren. „Wir sind mitten in den Vorbereitungen“, sagt Kaflowsky.
So kann die Ukraine-Hilfe unterstützt werden
Mehr als 15.000 Euro konnten an Spenden bereits eingeworben werden, berichtet Landkreis-Sprecher Daniel Beneke. Auch diesmal sollen wieder gebrauchte Einsatzfahrzeuge für Feuerwehr und Rettungsdienst und weiteres Equipment überführt werden. Seit Kriegsbeginn wurden auf diesem Weg bereits Hilfsgüter im Wert von mehr als 100.000 Euro in die Ukraine gebracht. „Ich bin den Menschen im Landkreis Stade für ihre Unterstützung unendlich dankbar. Mit ihrer Hilfe konnten wir in der Ukraine schon viele Leben retten“, sagt Kaflowsky.
Spendenkonten
Spenden können unter dem Stichwort „Ukraine-Hilfe Landkreis Stade“ auf folgende Konten eingezahlt werden:
· DRK-Kreisverband Stade Flüchtlingshilfe gGmbH, IBAN: DE 91 2419 1015 1009 3346 00
· Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. – Regionalverband Bremen-Verden, IBAN: DE 16 3702 0500 0004 3107 18