Maschen. Aktive Schule Heureka: In Seevetal lernen Schüler selbstbestimmt bis zur 10. Klasse. Warum am Ende aber viele Prüfungen anstehen.
Seit fast fünf Jahren gibt es die freie Schule Heureka in Seevetal im Landkreis Harburg, jetzt hat die erste Oberschülerin dort ihren Abschluss gemacht. Von der 1. bis zur 10. Klasse lernen die Kinder an der Schule in altersgemischten Gruppen, sie können frei entscheiden, womit sie sich beschäftigen und auf welche Weise sie lernen wollen. Noten oder Zensuren gibt es nicht, stattdessen Lernentwicklungsberichte.
Die Aktive Schule Heureka war als Grundschule mit 15 Kindern in Egestorf gestartet, hatte dann übergangsweise ein Gebäude in Ohlendorf bezogen und ist seit zwei Jahren als Grund- und Oberschule an ihrem nun dauerhaften Standort in Maschen. Dort hat sie einen Großteil des bisherigen Naturfreundehauses direkt am Waldrand gemietet.
In der freien Grund- und Oberschule Heureka in Seevetal lernen Kinder selbstbestimmt
Im Erdgeschoss wird an diesem Tag gerade das Mittagessen vorbereitet. Auf mehreren Tellern stapeln sich bereits zahlreiche Vollkornpfannkuchen, zwei Mädchen sorgen am Herd für Nachschub. Daneben steht Marie Krüger, Gründerin der freien Schule und Vorstandsmitglied des Trägervereins Entfaltungsräume. Hier in der offenen Küche verbringt sie die meiste Zeit, in ihrem Büro im Obergeschoss spielen gerade zwei Kinder auf dem Fußboden vor dem Sofa.
Auf dem Weg zwischen Küche und Büro liegen mehrere Räume, in denen die Schule verschiedene Angebote nutzen können. Es gibt einen Raum zum Lesen, einen zum ruhigen Lernen, einen mit vielen Kisten Playmobil und einen anderen mit Lego. In einem Raum steht ein Klavier, nebenan üben zwei Jungen an Schlagzeug und Mikrofon. In einem Zimmer drängen sich mehrere Kinder um einen flachen Tisch, vertieft in ein Gesellschaftsspiel. Überall im Haus stehen große Regale mit dem Spiel- und Lernmaterial, im Flur stapeln sich die bunten Rucksäcke der Kinder, und an der Tür zur Terrasse sind viele Paar Schuhe aufgereiht.
Lehrer begleiten die Schüler an der Aktiven Schule Heureka bei ihren Aufgaben
In den Räumen und auf dem dicht bewachsenen Gelände lernen zurzeit 78 Grundschüler und 48 Oberschüler. Zehn Lehrer, Lehrerinnen und pädagogische Kräfte begleiten sie im Schulalltag, den die Kinder und Jugendlichen nach ihren eigenen Interessen und Bedürfnissen selbst gestalten können. Ihre Eltern zahlen dafür ein Schulgeld von derzeit 335 Euro, vom kommenden Schuljahr an 350 Euro pro Monat.
Da das Haus mit etwa 450 Quadratmetern für alle Schüler etwas zu klein ist, wird zurzeit ein daneben liegendes Gebäude grundlegend saniert. Künftig sollen die Oberschüler der demokratischen Schule dort in den obereren beiden Stockwerken ihren eigenen Bereich zum Lernen erhalten. Bis zum Herbst soll die Erweiterung fertiggestellt sein, wenn die Kinder und Jugendlichen bei schlechtem Wetter wieder mehr Zeit im Haus verbringen werden.
Im Sommer sind die Schüler viel draußen, sie lernen, basteln und spielen
Jetzt im Sommer sind sie die meiste Zeit im Freien. Auf der Terrasse sind mehrere Pavillonzelte aufgebaut, Kinder basteln mit buntem Papier, beim Filzen quillt sehr viel weißer Schaum auf den Steinboden. Die Schule hat auch das angrenzende Gelände gepachtet, auf einem sandigen Fußballplatz im Tal unter dem Haus versammeln sich Schüler und Mitarbeiter jeden Tag zum Morgen- und zum Abschlusskreis. Schmale Wege führen durch den Wald und zum Schulgarten.
Auch Svea Staegemann hat ihren Lieblingsplatz draußen auf einer versteckten Bank zwischen grün wuchernden Pflanzen und Blaubeersträuchern. „Ich liebe den Wald“, sagt die 16-Jährige aus Buchholz. Im vergangenen Jahr ist sie von einer Waldorfschule auf die Heureka-Schule gewechselt. Dass sie keine Noten für ihre Leistungen erhält, ist sie gewohnt. Vieles ist an der freien Schule dennoch neu für sie gewesen.
16-Jährige macht ihren Abschluss nach der 10. Klasse
Vor allem das selbstständige Arbeiten liegt ihr. „Wenn man aus eigenem Antrieb lernt, kommt mehr dabei raus“, sagt die Zehntklässlerin. „Das Lernen ist hier etwas ganz anderes, es geht viel leichter, und es herrscht nicht so ein Druck.“ Sie ist überzeugt, in diesem Jahr mehr gelernt zu haben, als es an einer anderen Schule möglich gewesen wäre. Dass hier alle Kinder gemeinsam den Tag verbringen können und nicht in Altersgruppen getrennt sind, gefällt ihr. „So kann man mit den Menschen zusammensein, mit denen man auf einer Wellenlänge ist.“
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Die Naturwissenschaften und Geschichte interessieren Svea Staegemann besonders. „Aber am liebsten mag ich Mathe“, sagt sie. Für den erweiterten Realschulabschluss hatte sie mehrere Termine in der Oberschule Meckelfeld. Dort musste sie wie alle anderen Abschlussschüler auf der Grundlage von zentral vorgegebenen Aufgaben Prüfungen in den drei Hauptfächern Deutsch, Mathe und Englisch ablegen, außerdem ließ sie sich in Biologie prüfen.
Für ihre Abschlussprüfung erhalten Heureka-Schüler zum ersten Mal Noten
Eine Prüfungskommission aus ihrem jeweiligen Fachlehrer und dem stellvertretenden Meckelfelder Schulleiter bewertete die Ergebnisse. Hinzu kamen Prüfungen in Chemie, Erdkunde und Geschichte, da die Heureka-Schülerin keine Noten aus dem Schuljahr vorlegen konnte. Jetzt ist alles geschafft, nur das offizielle Gesamtergebnis steht noch aus. „Die Prüfungen waren sehr dicht aneinander“, sagt sie. „Aber der Stoff war nicht so schwierig.“
Vorbereitet hat sie sich gründlich. „Ich kann mich gut selbst motivieren“, sagt Svea Staegemann, die beim Lernen in der Schule oft auch Gesellschaft von anderen Schülern hatte. Nur manchmal sei es schwierig gewesen, ein Gleichgewicht aus Lernen und Pausen zu finden. Denn an der Schule bestimmt sie selbst, wann und wie sie den Stoff vertiefen will. „Wenn mich ein Thema fesselt, dann kann ich den ganzen Tag damit verbringen.“
Erste Absolventin der freien Schule Heureka in Seevetal will kreativen Beruf ergreifen
Wie es für sie nach der Schule weitergehen wird, weiß die 16-Jährige noch nicht ganz genau. Als erstes wird sie ein Freiwilliges Ökologisches Jahr machen. „Wahrscheinlich geht es nach Sansibar zu einer Stiftung, die mit einem Dorf zusammenarbeitet und dort zum Beispiel Lehmhäuser baut.“ Beruflich will Svea Staegemann gern etwas Kreatives machen. „Ich arbeite gern mit meinen Händen, vielleicht gehe ich ins Handwerk oder in die Kunstbereich. Ein Bürojob wird es wohl eher nicht.“
Vielleicht geht sie auch weiter zur Schule und macht ihr Abitur, das wäre in der Region allerdings nur an einer normalen Schule mit Notenvergabe möglich. „Das kann ich mir auch vorstellen“, sagt die Schülerin. „Aber nur, wenn ich ein klares Ziel habe und weiß, wofür ich das mache.
An der Aktiven Schule Heureka wird es erst einmal keine Oberstufe geben. „Dort müssen immer Noten vergeben werden, das ist für uns bisher nicht denkbar“, sagt Marie Krüger. Nach der 10. Klasse seien die Jugendlichen jedoch so gefestigt, dass sie auch den Sprung an eine Regelschule schaffen können. „Es geht uns darum, den Kindern in den frühen Jahren, wenn sie diesen starken Bewegungsdrang haben und spielerisch lernen wollen, diese Freiheit auch zu geben.“