Jork. Die Fleischerei Röhrs in Jork ist in finanziellen Schwierigkeiten. Wie es für den Familienbetrieb bei Hamburg nun weitergeht.
Norddeutschlands älteste Schlachterei ist insolvent: Die Fleischerei Röhrs aus Jork bei Hamburg ist in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und musste einen Insolvenzantrag stellen, wie die zuständige Sozietät FRH in einer Pressemitteilung am vergangenen Donnerstag mitteilte. Dr. Hendrik Heerma, Partner der Sozietät FRH – Fink Rinckens Heerma Rechtsanwälte Steuerberater – wurde als vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt.
Das Jorker Traditionsunternehmen mit Wurzeln bis ins Jahr 1709 soll weitergeführt werden; Heerma hat den Auftrag, die Fleischerei Röhrs finanziell zu restrukturieren. „Das Unternehmen wird durch Heerma vollumfänglich fortgeführt“, heißt es in der Pressemitteilung.
„Das Familienunternehmen Röhrs bleibt als mittelständischer Betrieb mit 28 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Mittelpunkt des Ortszentrums von Jork erhalten. Das operative Geschäft wird durch die aktuellen Entwicklungen nicht beeinträchtigt“, bestätigt der Insolvenzverwalter. Bei der Sanierung der Fleischerei Röhrs gehe es um den Schutz des Mittelstandes.
Hauptgrund für die wirtschaftliche Schieflage des Familienbetriebs? Die allgemeine Teuerung
Die Fleischerei Röhrs ist mit ihrer über 300-jährigen Geschichte in Jork und darüber hinaus eine Institution. Hauptgrund für die wirtschaftliche Schieflage des Familienbetriebs ist die allgemeine Teuerung, so Heerma: „Röhrs hat in eine sehr moderne Produktionsstätte investiert, die aufgrund der aktuellen Entwicklungen im Baugewerbe und der daraus resultierenden gestiegenen Kosten deutlich teurer wurde als geplant“, sagt Heerma. Damit meint er den Bau der neuen Schlacht- und Produktionshalle zur Herstellung von Fleisch- und Wurstwaren im Gewerbegebiet im Ostfeld.
„Die bereits getätigten Investitionen sollen langfristig die Region stärken, hier stehen wir in engem, konstruktivem Austausch mit unseren Finanzierern“, so der Junior-Unternehmer und Fleischermeister Daniel Röhrs. Er führt das Unternehmen in sechster Generation seit fünf Jahren gemeinsam mit seinem Vater Friedrich, der dem Betrieb seit inzwischen mehr als 30 Jahren vorsteht. „Wir stehen in unserem Handwerk für das Tierwohl und die hohe Qualität unserer Ware“, so Daniel Röhrs.
Die „Fleischerjungs“ in Buxtehude sind nicht vom Insolvenzverfahren betroffen
Der Juniorchef betreibt auch die „Fleischerjungs“, ein Fleischerfachgeschäft in Buxtehudes Altstadt. Die Fleischerjungs Verwaltungs GmbH ist laut einer Sprecherin des Insolvenzverwalters nicht von der Insolvenz betroffen.
Die Fleischerei Röhrs ist bereits seit 1709 ein Teil von Jork und vor allem für regionales Fleisch aus artgerechter Haltung bekannt. „Durch die enge Zusammenarbeit mit den Landwirten aus dem Umkreis wissen wir über die Futterqualität der Tiere und deren Aufzucht bestens Bescheid. So können wir für eine hohe Fleischqualität, artgerechte Haltung und Nachhaltigkeit sorgen“, heißt es auf der Homepage des Familienunternehmens. Die Schlachttiere würden in der neuen Produktionsstätte in Jork geschlachtet, zerlegt und zu Fleisch- und Wurstprodukten verarbeitet.
Wichtig sei dem Unternehmen, dass „die Schlachtung ordnungsgemäß und ohne Qual für das Schlachttier“ durchgeführt wird: „Durch diesen Umgang mit dem Tier und der Herstellung der Produkte wissen wir jederzeit, was mit den Tieren passiert und welche Schritte bei der Schlachtung und Produktion der Fleischwaren unternommen wurden.“
Röhrs hat außer am Dienstag und am Freitag nur noch vormittags geöffnet
Nun liegen die Hoffnungen auf der renommierten Sozietät und dem Insolvenzverwalter. Schwerpunkt von FRH sei es, restrukturierungsfähige Unternehmen fortzuführen: „Die Partner verstehen sich als Unternehmer auf Zeit. Dabei haben sie immer das Ziel vor Augen, erhaltungsfähige Betriebe wieder wettbewerbsfähig zu machen, möglichst viele Arbeitsplätze zu sichern und zugleich bestmögliche Ergebnisse für die Gläubiger zu erzielen“, so Heerma.
Die besondere Kompetenz von FRH liege in der Erstellung von Insolvenzplänen, mit deren Hilfe „mehrfach signifikante Quoten zugunsten der ungesicherten Gläubiger erzielt werden konnten“. Unter Ausschöpfung betriebswirtschaftlicher und rechtlicher Instrumentarien führe FRH umfassende Umstrukturierungs- und Sanierungsmaßnahmen durch, so dass sich bisher verlustbringende Einheiten operativ positiv entwickeln – immer im Interesse der Unternehmen und deren Gläubiger. „Die Liquidation eines Betriebs betrachtet FRH erst als letzte Maßnahme“, so Heerma.
Im vergangenen November hatte es die Fleischerei Lissewski in Hittfeld erwischt
Besonders kleine und mittelständische Schlachtereien und Fleischereien sind deutschlandweit in ihrer Existenz bedroht. Neben den steigenden Betriebskosten und einem Absatzeinbruch während der Corona-Zeit ist es vor allem auch der Personalmangel, der ihnen zu schaffen macht. Es fehlen Metzger und Fachpersonal für den Verkauf. Im vergangenen November hatte es die Fleischerei Lissewski in Hittfeld erwischt – sie musste nach 72 Jahren schließen.
Viele Betriebe mussten deshalb bereits die Öffnungszeiten anpassen. Auch das Fleischerfachgeschäft von Röhrs am Fleet in Jork hatte außer am Dienstag und am Freitag nur noch vormittags geöffnet. Nach Zahlen des Bundesverbands des Fleischerhandwerks von 2019 hat sich die Zahl der Metzgereien in Deutschland in den vergangenen dreißig Jahren von 27.000 auf 12.000 mehr als halbiert. Corona hat diesen Trend weiter befeuert.