Neu Wulmstorf. Neu Wulmstorferin Angelika Poppe verlor mit 22 ihr Augenlicht. Schließlich wagte sie sich in die „Höhle der Löwen“ – mit Erfolg.

  • Angelika Poppe verlor im Alter von 22 Jahren durch einen Schicksalsschlag ihr Augenlicht. Doch unterkriegen ließ sie sich davon nicht
  • Stattdessen gründe sie ein Unternehmen und ging mit dem „Frau Poppes“ zur Vox-Sendung „Die Höhle der Löwen“
  • Dort begann für sie ein neues Leben

Auferstanden – nein, das ist Angelika Poppe eigentlich nicht. Dafür hätte sie ja irgendwann einmal so richtig am Boden liegen müssen. Lag sie aber nicht. Sie ist keine Frau, die sich unterkriegen lässt. Trotz eines schweren Schicksalsschlages: Angelika Poppe verlor mit 22 Jahren ihr Augenlicht.

Damals war sie mit dem Auto unterwegs von Rade nach Moisburg, wo sie früher wohnte. Schnee fiel, als ein betrunkener Autofahrer in ihr Fahrzeug raste. Sie überlebte nur knapp, musste viele Operationen über sich ergehen lassen. Und dennoch verlor sie ihr Sehvermögen.

Angelika Poppe musste als Blinde weiterleben. Sich in den neuen Alltag tasten. Mit der nie mehr weichenden Dunkelheit zurechtkommen. Lernen, wie das geht. Sie musste sich um ihren Mann kümmern, der mit ihrem Schicksal nicht zurechtkam und begann zu trinken. Ihre kleine Tochter großziehen. Den Haushalt schmeißen. Und warten – auch wenn sie es selbst noch nicht wusste – auf den einen Augenblick in ihrem Leben, der sie dann doch irgendwie nach oben zog. Sie auferstehen ließ.

In der Höhle der „Löwen“ erlebte Angelika Poppe einen Neustart

Und der kam tatsächlich – wenn es auch mehr als 40 Jahre dauerte. Der Tag, an dem sie in der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ für Gänsehautmomente sorgte, wurde zum „Gamechanger“ für Angelika Poppe. Es war dieser Auftritt vor einem Millionenpublikum, der sie für die Menschen sichtbar machte. Sie stand auf mit 68 Jahren – in einem Alter, in dem manch Gleichaltrige sich vom Leben zurückziehen, zu verblassen scheinen und sich fast unsichtbar fühlen.

Gesicht der Neu Wulmstorferin ziert das Logo des Unternehmens

Ralf Dümmel (von links), Thomas Leiendecker und Angelika Poppe mit
Ralf Dümmel (von links), Thomas Leiendecker und Angelika Poppe mit "Frau Poppes"-Produkten.  © HA | Frau Poppes

Spätestens seit diesem Tag ist Angelika Poppe vor allem auch „Frau Poppe“: Die Frau, die dem Unternehmen „Frau Poppes“ aus Neu Wulmstorf ihren Namen gab und deren Konterfei mit der dunklen Brille das Firmenlogo ist. „Das war einer der aufregendsten Momente in meinem Leben“, sagt die heute 70-Jährige in Erinnerung an die Situation, als sie gemeinsam mit ihrem Schwiegersohn Thomas Leiendecker zu Gast in der Vox-Erfolgsshow war, in der Erfinderinnen, Unternehmensgründer und Menschen mit cleveren Geschäftsideen die Chance auf Unterstützung durch bekannte Investoren erhalten.

Die beiden präsentierten dort im Herbst 2021 ihre Würzmischungen für Frikadellen, die nach Angelika Poppes Rezept hergestellt wurden, und erzählten die Geschichte, die hinter der Unternehmensgründung stand: 2019 war Thomas Leiendecker mit seiner damaligen Freundin und jetzigen Frau Sandra, der Tochter von Angelika Poppe, bei deren Mutter zum Abendessen eingeladen. Es gab Frikadellen.

Der gelernte Koch und Produktentwickler war sofort begeistert von Angelika Poppes Kochkünsten. Ihr waren die köstlichen Buletten wortwörtlich blind gelungen. „Gute Frikadellen zu machen, ist wirklich schwierig. Aber Angelikas waren der Hammer. Geschmacklich super, locker und fluffig. Ich habe sie sofort gefragt, wie sie das hinkriegt“, erinnert sich Leiendecker. Von da an schwirrte die Idee im Kopf des Vertriebsprofis: eine fertige Würzbasis mit Weißbrotwürfeln, mit der Frikadellen und Co. im Handumdrehen zubereitet werden können.

Geschichte von Angelika Poppe rührte die Löwen zu Tränen – und Millionen Zuschauer

Die Geschichte der Unternehmensgründung und vor allem die von Angelika Poppe und wie sie ihr Leben meistert, rührte nicht nur die Löwen zu Tränen, sondern auch Millionen Zuschauer. Zwei „Löwen“ wollten investieren, Poppe und Leiendecker entschieden sich für Investor Ralf Dümmel, der ihnen 150.000 Euro für 20 Prozent ihres Start-ups angeboten hatte und zu dem beide nach wie vor als mittlerweile eigenständiger Lieferant für den Verkaufssender QVC regelmäßigen Kontakt pflegen.

Dieser Auftritt in der „Höhle der Löwen“ hat das Unternehmen mit Lagerräumen und Büros in Elstorf nicht nur geschäftlich nach vorn katapultiert. Mittlerweile sind „Frau Poppes“-Produkte für klassische Frikadellen, italienische Hackbällchen, würzige Cevapcici und vegetarische Bratlinge in etlichen Märkten zu finden. Auch Gewürze gehören inzwischen zum Angebot. Sie werden in Buxtehude abgefüllt. In der Hansestadt gibt es neuerdings am Kaufhaus Stackmann auch einen Imbiss, bei dem Frau Poppes Sortiment probiert werden kann und wo unter anderem Kartoffelsalat nach Angelika Poppes Rezept angeboten wird.

Das auf ihrer Kochkunst basierende Unternehmen ist die Tür in ein neues Leben

Der Deal mit Ralf Dümmel hat nicht nur den Abverkauf von Frau Poppes Würzmischungen enorm gesteigert, sondern auch das Leben von Angelika Poppe extrem bereichert. „Ich habe immer um Anerkennung kämpfen müssen“, sagt sie. Das auf ihrer Kochkunst basierende Unternehmen ist für sie die Tür in ein neues Leben geworden und vor allem ein großer Schritt in die Selbstständigkeit. „Mir hat jahrelang die Bestätigung gefehlt. Immer wieder habe ich Sätze zu hören bekommen wie ,Lass’ mal, das kannst du nicht’ oder ,Das ist zu gefährlich für dich’“, erinnert sich die Neu Wulmstorferin.

Dabei hatte Angelika Poppe nach ihrem Unfall schnell lernen müssen, die Welt um sich herum anders wahrzunehmen und sich auf ihre gesunden Sinne zu verlassen – was blieb ihr auch übrig als Mutter einer kleinen Tochter.

„Sie ist meine Inspiration – nicht nur, wenn es um neue Rezepte geht“

Durch „Frau Poppes“ erhielt ihr Alltag aber noch einmal einen ganz neuen Twist. „Sie ist viel lebensfroher geworden“, sagt Thomas Leiendecker. Seit ihrem emotionalen „Löwen“-Auftritt ist die 70-Jährige viel häufiger unter Menschen. Sie ist bei Verkostungen dabei, absolviert öffentliche Auftritte, meistert Fernseh-Aufzeichnungen und fährt zu Messen. Mit ihrem Schwiegersohn und Geschäftspartner, der nur wenige Kilometer von ihr entfernt in Schwiederstorf lebt, tauscht sie sich täglich aus. „Sie ist meine Inspiration – nicht nur, wenn es um neue Rezepte geht“, sagt Leiendecker: „Angelika ist eine große Bereicherung.“

Die Firma sei ein Geschenk für sie, sagt Angelika Poppe, die von ihrem Glück etwas zurückgeben möchte und deshalb zusammen mit ihrem Schwiegersohn über den Verkauf von „Frau Poppes“-Produkten den Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. (DBSV) unterstützt. Der Verband setzt sich mit zahlreichen Projekten für mehr gesellschaftliche Teilhabe von blinden und sehbehinderten Menschen ein.

„In Deutschland kommen jährlich etwa 1000 Kinder blind oder stark sehbehindert zur Welt. Jedes dieser Kinder steht vor der Herausforderung, die Welt mit allen verfügbaren Sinnen zu begreifen, um das Leben selbstbestimmt leben zu können“, weiß Angelika Poppe. Sie eindrucksvoll bewiesen, das es dafür nie zu spät ist.