Buchholz. Neuer Betreiber, große Hoffnungen, doch erneut gibt’s Probleme mit der Heidebahn. Fahrgastbeirat mahnt Verbesserungen an
Laut Fahrplan pendelt die Regionalbahn zwischen Büsenbachtal und Buchholz werktags 21 Mal in die eine Richtung und 19 Mal in die andere. Doch Thomas Carstens steht am Bahnsteig – und wieder ist kein Zug in Sicht.
Neun Minuten dauert die Fahrt mit der Heidebahn normalerweise, das Ticket für den Abschnitt kostet 2,23 Euro. Für Carstens, der im Büsenbachtal wohnt und in einer Anwaltskanzlei am Neuen Wall in Hamburg Mitte arbeitet, ist der Schienenverkehr also an und für sich attraktiver als Autofahren. Seit Dezember würden sich Störungen auf der Strecke, Verspätungen und Zugausfälle, allerdings derart häufen, berichtet er dem Abendblatt, dass er darüber nachdenke, sich ein neues Auto zuzulegen.
Viele Pendler hatten große Hoffnungen in neuen Betreiber gesetzt
Zu oft habe er die Strecke zwischen seinem Wohnort und Buchholz, von wo aus er normalerweise in einen weiteren Zug nach Hamburg umsteigt, mit dem Taxi zurücklegen müssen. 30 Euro kostet die Strecke dann, die 20 Minuten in Anspruch nimmt anstatt neun, nachdem eine Anfahrtszeit von ebenfalls 20 Minuten verstrichen ist. „Wenn die Schiene unzuverlässig ist, sind wir gezwungen, auf die Straße zu wechseln. Aber für den Schutz der Umwelt ergibt das überhaupt keinen Sinn“, sagt Carstens.
Über die Bahnverbindung zwischen Büsenbachtal und Buchholz hagelte es in der Vergangenheit schon oft Beschwerden. Hoffnung gab den Büsenbachtaler Berufspendlern ein Wechsel in der Zuständigkeit: Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember regelt nicht mehr die erixx GmbH den Betrieb zwischen Soltau-Handeloh-Buchholz, sondern die Start Niedersachsen Mitte – kurz start. Das Tochterunternehmen der Deutschen Bahn hatte sich, wie berichtet, in einem Ausschreibungsverfahren für das Verkehrsnetz durchsetzen können. Der Vertrag läuft acht Jahre mit einer Option auf eine zweijährige Verlängerung.
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An die Vergabe waren einige Auflagen geknüpft, die das altbekannte Problem mit den Verspätungen und Ausfällen auf der Linie durch die Lüneburger Heide beheben oder zumindest abmildern sollten. Unter anderem schrieb das Land Niedersachsen in Form der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen dem Betreiber vor, Mitarbeiter vorzuhalten, die bei personellen Engpässen zeitnah einspringen können. Auch die vorgesehene Arbeitszeit für die morgendliche Inbetriebnahme der Züge wurde erhöht. So knüpften viele Nutzer der Heidebahn Hoffnungen an den Neu-start.
Beschwerde-E-Mail an das Verkehrsunternehmen
In den ersten beiden Wochen hätte er noch Verständnis für Ausfälle und Verspätungen gehabt, sagt Carstens. „Doch nach nunmehr nahezu zwei Monaten muss man leider feststellen, dass die neue Firma dies nicht in den Griff bekommt“, so sein Fazit. Carstens hat deshalb in der vergangenen Woche eine Beschwerde-E-Mail an das Verkehrsunternehmen und an weitere Stellen, unter anderem an das Eisenbahn-Bundesamt, gerichtet.
Uwe Blanck (Grüne), Bürgermeister der Gemeinde Handeloh, zu der das Büsenbachtal gehört, spricht im Hinblick auf die Bahnverbindung von einer langen Historie, die ihn begleite, seitdem er vor zehn Jahren in die Gegend zog. Dass sich nach anfänglichen Schwierigkeiten im Hinblick des Wechsels nichts verbessert habe, sei inakzeptabel. Schließlich sei der Haltepunkt Büsenbachtal nicht nur für Anwohner wichtig, sagt Blanck, sondern ebenfalls für Touristen aus Hamburg. Wer in der Lüneburger Heide wandern möchte, steigt im Büsenbachtal aus. Gerade jetzt, während der Pandemie, sei der Ort bei den Städtern besonders beliebt – um rauszukommen, frische Luft zu atmen, Platz zu haben.
Fahrgäste kritisieren auch mangelhafte Kommunikation
Thomas Carstens ist auch auf Grund der fehlenden Information verärgert. Oft würden Verspätungen oder Ausfälle nicht in der App der Deutschen Bahn vermerkt werden, oft habe es am Bahnsteig noch nicht einmal eine Durchsage gegeben. Man lasse die Fahrgäste also im wahrsten Sinne des Wortes im Regen stehen. Auf die E-Mail von Carstens reagierte start mit einem Verweis auf die Fahrzeuge der Altbetreibers aus dem Fahrzeugpool der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen und das Servicecenter Fahrgastrechte.
Dass es Probleme gab, bestätigt das Unternehmen auch auf Abendblatt-Nachfrage. Laut start-Pressesprecherin Sarah Diederich sei es in den ersten zwei Wochen im Januar leider zu einigen Zugausfällen gekommen. Grund: zwei defekte Züge. Verspätungen und Ausfälle, soweit bekannt, würden laut Diederich unverzüglich ins System eingetragen und dann über die Laufbänder an den Bahnhöfen sowie Internetseiten und Apps auch ausgespielt werden. Allerdings habe es im Januar technische Probleme an einigen vereinzelten Tagen gegeben, so dass die Daten nicht ausgespielt worden seien, räumt sie ein. „Doch seit der dritten Januarwoche läuft der Betrieb stabil und auch die Infomedien funktionieren“, sagt sie.
„So wird eine Verkehrswende mit Blick auf Klimaschutz schwierig.“
Stefan Kindermann, Sprecher des Fahrgastbeirates für den Landkreis Harburg, kann laut eigener Aussage den Ärger der Kunden im Büsenbachtal und generell im Süden Hamburgs nachvollziehen: Die Tickets würden immer teurer werden, aber im Gegensatz zu den Veränderungen in der Stadt Hamburg passiere im Landkreis nichts: „So wird eine Verkehrswende mit Blick auf den Klimaschutz schwierig.“
Kindermann hofft, dass start die anfänglichen Probleme mit Umstellungen bis Anfang April beseitigt haben wird. Gleichzeitig macht er darauf aufmerksam, dass der Eigentümerwechsel die Situation nicht unbedingt verbessern werde. Die Züge, die immer noch dem Land gehören, würden weiterhin von dem Unternehmen Alstrom gewartet und repariert werden. „Und für neue Fahrzeuge kann auch nur das Land sorgen“, sagt Kindermann. Er würde sich als Mitglied im Fahrgastbeirat lieber um die Zukunft kümmern, als sich permanent – wie seit einigen Monaten – über Qualitätsmängel im Schienenverkehr zu unterhalten.
Bürgermeister Blanck hat am Montag, nachdem die Beschwerde-E-Mail von Carstens auch bei ihm gelandet war, eine Anfrage an Landrat Rainer Rempe (CDU) gestellt. Hier fragt er, inwiefern sichergestellt werden kann, dass das Verkehrsunternehmen seine Verpflichtungen einhält, ob es möglich wäre, kurzfristig Schienenersatzverkehr anzubieten und die Gemeinde Handeloh generell besser per ÖPNV an die Städte Buchholz und Tostedt anzubinden.
Nun lässt sich abwarten, wie die Reaktion ausfällt, ob start sich langsam einpendelt – und ob Bewohner aus dem Büsenbachtal und anderen Orten auf der Linie Soltau-Handeloh-Buchholz – wie zum Beispiel Thomas Carstens – weiterhin am Bahnsteig stehen, um dann doch mit dem Taxi zur Arbeit zu fahren.