Maschen. „Flugwindkraftwerke“ sollen Windräder ergänzen: Wirtschaftsminister Bernd Althusmann sieht sich futuristische Technologie an.
Wer schon einmal einen Lenkdrachen in der Hand gehalten hat – vielleicht an einem windigen Nordseestrand – bemerkt schnell, welche Kraft dahinter stecken kann. Und genau diese Kraft der stärkeren Winde in größerer Höhe nutzt das Unternehmen „SkySails Power“ für seine bis zu 180 Quadratmeter großen Drachen, die als „Flugwindkraftanlagen“ Strom produzieren sollen.
Die Technik basiert auf den Erfahrungen der Muttergesellschaft SkySails Group, die seit 2001 Zugdrachen als Antriebsunterstützung für Frachtschiffe entwickelt.
Pilotbetrieb in Schleswig-Holstein gestartet
Die ersten dieser daraus entstandenen neuartigen Windkraft-Anlagen wurden bereits produziert und laufen im Pilotbetrieb in Schleswig-Holstein. SkySails Power arbeitet dabei mit großen Partnern wie die der EWE Offshore Service &Solution GmbH oder auch der Uni Hannover zusammen. In Maschen hat dazu jetzt zudem in einer 900 Quadratmeter großen Halle einer früheren Maschinenfabrik am Hittfelder Kirchweg die Serienproduktion für einen weltweiten Markt begonnen, wie das Unternehmen kürzlich mitteilte. Unter anderem sei eine solche Flugwindkraftanlage gerade nach Asien ausgeliefert worden.
Anlass genug für Niedersachsens Wirtschaftsminister und Seevetaler Landtagsabgeordneten Bernd Althusmann (CDU), Landrat Rainer Rempe (CDU) und Seevetals Bürgermeisterin Martina Oertzen (CDU), das Unternehmen am gestrigen Freitag anzuschauen und sich die Technik dahinter erklären zu lassen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil in der aktuellen Diskussion um erneuerbare Energie an dem Seevetaler Standort damit einiges Entwicklungspotenzial entstehen dürfte. Schon jetzt beschäftigt der Unternehmensteil SkySails Power GmbH eigenen Angaben zufolge 90 Mitarbeiter in der Metropolregion.
Lesen Sie auch:
Wobei die Drachen-Kraftwerke nicht als Ersatz für große Wind-Rotoren gedacht sind, wie es bei SkySails heißt, wo stolz von der nächsten Generation der Windkraft gesprochen wird. Die leichte und kompakte Bauweise sei leise, falle in der Landschaft kaum auf und könne so die Akzeptanz für Windkraft erhöhen. Und es sei eine Technik, die wegen des um etwa 95 Prozent geringeren Materialanteils relativ einfach eingesetzt werden könne. Zudem sei sie wesentlich günstiger zu erstellen, eine Anlage kostete etwa einen „sechs- bis siebenstelligen Betrag“.
Tatsächlich besteht die Bodenstation im Wesentlichen lediglich aus einem Container mit der Technik sowie einem Start- und Landemast, beides lässt sich einfach mit dem Drachen per Lkw transportieren. „Unsere Technologie kann grünen Strom auch in abgelegene Regionen bringen und so einen wichtigen Teil zur Energiewende beitragen“, sagt dazu Sky-Sails-Gründer und Chef Stephan Wrage. Zudem sei die Höhenwindkraft der noch fehlende Baustein, um eine 100-prozentige erneuerbare Energieversorgung zu ermöglichen. „Wir sehen uns als Ergänzung“, so Wrage.
Diesen Hinweis nahm Minister Althusmann auf und erinnerte an das schwierige Ziel, ohne Atomkraft eine Klimaneutralität in Deutschland zu erreichen und gleichzeitig eine sichere Energieversorgung zu erhalten. „Wir brauchen dazu Energieformen der Zukunft und jeder neue Ansatz dazu ist begrüßenswert“, so Althusmann. Bis zu dem Besuch in Hittfeld sei ihm in diesem Zusammenhang bisher aber nicht bewusst gewesen, „dass es jetzt hier in meinem Wahlkreis ein Unternehmen gibt, das Energiegeschichte schreiben könnte.“
Flugwindkraftanlagen nutzen nach einer Beschreibung des Unternehmens den konstanten Wind in Höhen von bis zu 400 Metern, also in Höhen, wo der Wind deutlich kräftiger und auch stetiger weht als in Bodennähe. Neben dem eigentlichen Drachen besteht die Bodenstation vor allem aus einer Seilwinde, in die auch ein Generator eingebaut ist. Der automatisch gesteuerte Drachen zieht dann das Zugseil bis zu seiner maximalen Länge in den Himmel und erzeugt durch die dadurch ausgelöste Drehung der Winde Strom. Anschließend funktioniert die Winde als Motor und zieht den Drachen in eine Position mit geringem Windwiderstand zurück, wickelt das Seil wieder auf – bis es der Drachen mit Hilfe des Windes erneut beim nächsten Aufstieg abrollt und so wieder Strom produziert. Es ist also eine Art Jo-Jo-Dynamo.
Technologie steht aber noch ganz am Anfang
Ein solcher Drachen produziert laut SkySails Power noch rund 200 Kilowatt, wobei die Technologie aber noch ganz am Anfang stehe. Die Nettoleistung soll damit theoretisch 100 Durchschnittshaushalte mit Strom versorgen können. Große, moderne Windräder leisten indes etwa fünf Megawatt, also das 25-fache, sind aber auch wesentlich aufwändiger in der Herstellung als die fliegenden Windturbinen aus Hittfeld.
Die SkySails Group ist ein Produzent von Flugwinddrachen und automatischen Zugdrachenantrieben für Frachter und große Yachten. Sie ist die Folgegesellschaft der SkySails GmbH, die 2001 gegründet worden war. Entwickelt wurden zunächst Zugdrachen, mit denen Frachtschiffe Treibstoff sparen sollten.